Probleme für Thomas Gottschalk "vorhersehbar"
Weil das Gesicht von Thomas Gottschalk sehr an die Show "Wetten, dass..?" gebunden war, habe man ihn nicht einfach so in ein neues Format transferieren können, sagt die Medienwissenschaftlerin Joan Kristin Bleicher.
Christopher Ricke: Einer der großen deutschen Fernsehunterhalter feiert heute seinen 70. Geburtstag: Frank Elstner ist es, ein Mann, der die deutsche Fernsehlandschaft geprägt hat – als Erfinder, als Produzent, natürlich auch als Moderator. Sein größter Erfolg ohne Zweifel die Show "Wetten, dass..?". Die gibt es seit 31 Jahren mit wechselnden Moderatoren: der beste und berühmteste, der jetzt gerade in einem anderen Format gescheitert ist, sicher Thomas Gottschalk.
Fernsehen hat sich sehr verändert in den letzten Jahrzehnten. Es gibt einige, die Zweifel daran haben, dass das Konzept der Fernsehunterhaltung, wie wir es kennen, noch lange Bestand hat. Joan Kristin Bleicher ist Professorin für Medienwissenschaften und jetzt bei uns im Mediengespräch. Frau Bleicher, geht das denn ewig so weiter mit "Wetten, dass..?" und den großen Familien-Shows?
Joan Kristin Bleicher: Also ich bin Medienwissenschaftlerin und als solche natürlich sehr an der Angebotsentwicklung interessiert. Und ich würde schon sagen, dass dieses alte Konzept der Familienunterhaltung dringend einer Erneuerung bedarf. Es bedarf neuer Formate, es bedarf aber auch einer neuen Generation an Moderatoren. Es ist wohl an der Zeit, sich an neue Sendungsformate zu wagen, aber ich habe den Eindruck, die Sender scheuen so ein wenig das Risiko und vor allen Dingen die Kosten. Man setzt lieber auf Bewährtes, auf Castingshows und Sonstiges, aber man will nicht experimentieren.
Ricke: Bleiben wir mal bei den großen alten Männern der Fernsehunterhaltung, schauen wir uns Thomas Gottschalk an. Ganz aktuell hieß es gestern Nachmittag, "Gottschalk Live" wird eingestellt, am 7. Juni ist die letzte Ausgabe dieser Vorabendsendung. War das für eine Medienwissenschaftlerin vorauszusehen?
Bleicher: Es war natürlich so, dass das Gesicht von Thomas Gottschalk sehr an die Show "Wetten, dass..?" gebunden war, und man kann nicht einfach so einen sehr spontanen Unterhalter aus diesem Format transferieren in ein anderes Format. Dass es da Probleme geben würde, war vorhersehbar.
Ricke: Der Ruf nach neuen Gesichtern wird immer lauter, aber es kommt ja auch noch dazu, dass sich das Nutzungsverhalten verändert. Früher hat man sich gemeinsam vor dem Fernseher versammelt, da gab es wenige Programme, heute wollen immer mehr das, was sie sehen wollen, auch zu dem Zeitpunkt sehen, an dem sie es sehen wollen, das heißt dann "Fernsehen on Demand". Gibt es denn noch so was wie die großen Kollektivereignisse?
Bleicher: Natürlich haben wir jetzt bald Fußball-EM. Solche Ereignisse, Sportereignisse sind nach wie vor von kollektivem Interesse. Ich glaube, es rächt sich, dass das Fernsehen in den letzten Jahren wenig oder die Sender vor allen Dingen wenig getan haben, um an neuen Ideen zu basteln, solche Ideen zu erarbeiten. Frank Elstner hatte ja diese Ideen mit "Wetten, dass..?", aber das braucht wirklich einen Sender, der auch den Mut hat, so was auszuprobieren, und solch eine neue Idee hätte auch wieder das Potenzial, so was wie die ganze Familie vor den Fernseher zu bekommen.
Ricke: Eine gewisse Mutlosigkeit erkennt man ja auch daran, dass man sich die Haare rauft, weil die Zuschauerstruktur jedes Jahr ein Jahr älter wird, sprich es fehlt am Nachwuchs bei den jungen Zuschauern. Wie sind die denn heute zu gewinnen?
Bleicher: Das wird schwierig, weil die jungen Zuschauer sehen mehr YouTube als Fernsehen und ich glaube, kreative Potenziale liegen in der Verknüpfung von solchen Videoplattformen mit dem Fernsehen und auch von einer stärkeren Kreativeinbindung dessen, was dort als User Generated Content bezeichnet wird. So nennt man die Filme, die von den Nutzern selbst produziert und hochgeladen werden. Wenn man mit denen neue Unterhaltungskonzepte entwickeln würde, hätte das, glaube ich, deutliche Chancen.
Ricke: Ist das eine Aufgabe für die Öffentlich-Rechtlichen, die ja qua Gebühren zur Grundversorgung verpflichtet sind, und Grundversorgung heißt ja nicht nur Bildung und Information, sondern auch Unterhaltung?
Bleicher: Das ist eine Aufgabe aller Sendeanstalten. Aber die Öffentlich-Rechtlichen haben, glaube ich, die finanzielle Grundlage zu experimentieren, weil sie nicht so stark auf Werbeeinnahmen angewiesen sind wie die kommerziellen Anbieter, also da doch ein größeres Potenzial haben, wirklich Sendungen auszuprobieren und zu entwickeln.
Ricke: Wo kann denn dieses kreative Ausprobieren stattfinden? Der Samstagabend ist wahrscheinlich nicht der richtige Zeitpunkt.
Bleicher: Was sich, glaube ich, etabliert hat, ist, in den dritten Programmen erst mal zu experimentieren. Wir haben "Zimmer frei", das ist ein jetzt auch schon älteres, aber sehr innovatives witziges Format, was in den dritten Programmen ja sehr erfolgreich läuft, und ich glaube, dass in den dritten Programmen schon ein Experimentierfeld da ist für neue Unterhaltungsformen.
Ricke: Joan Kristin Bleicher, Professorin für Medienwissenschaften. Vielen Dank, Frau Bleicher.
Bleicher: Gut!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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Joan Kristin Bleicher: Also ich bin Medienwissenschaftlerin und als solche natürlich sehr an der Angebotsentwicklung interessiert. Und ich würde schon sagen, dass dieses alte Konzept der Familienunterhaltung dringend einer Erneuerung bedarf. Es bedarf neuer Formate, es bedarf aber auch einer neuen Generation an Moderatoren. Es ist wohl an der Zeit, sich an neue Sendungsformate zu wagen, aber ich habe den Eindruck, die Sender scheuen so ein wenig das Risiko und vor allen Dingen die Kosten. Man setzt lieber auf Bewährtes, auf Castingshows und Sonstiges, aber man will nicht experimentieren.
Ricke: Bleiben wir mal bei den großen alten Männern der Fernsehunterhaltung, schauen wir uns Thomas Gottschalk an. Ganz aktuell hieß es gestern Nachmittag, "Gottschalk Live" wird eingestellt, am 7. Juni ist die letzte Ausgabe dieser Vorabendsendung. War das für eine Medienwissenschaftlerin vorauszusehen?
Bleicher: Es war natürlich so, dass das Gesicht von Thomas Gottschalk sehr an die Show "Wetten, dass..?" gebunden war, und man kann nicht einfach so einen sehr spontanen Unterhalter aus diesem Format transferieren in ein anderes Format. Dass es da Probleme geben würde, war vorhersehbar.
Ricke: Der Ruf nach neuen Gesichtern wird immer lauter, aber es kommt ja auch noch dazu, dass sich das Nutzungsverhalten verändert. Früher hat man sich gemeinsam vor dem Fernseher versammelt, da gab es wenige Programme, heute wollen immer mehr das, was sie sehen wollen, auch zu dem Zeitpunkt sehen, an dem sie es sehen wollen, das heißt dann "Fernsehen on Demand". Gibt es denn noch so was wie die großen Kollektivereignisse?
Bleicher: Natürlich haben wir jetzt bald Fußball-EM. Solche Ereignisse, Sportereignisse sind nach wie vor von kollektivem Interesse. Ich glaube, es rächt sich, dass das Fernsehen in den letzten Jahren wenig oder die Sender vor allen Dingen wenig getan haben, um an neuen Ideen zu basteln, solche Ideen zu erarbeiten. Frank Elstner hatte ja diese Ideen mit "Wetten, dass..?", aber das braucht wirklich einen Sender, der auch den Mut hat, so was auszuprobieren, und solch eine neue Idee hätte auch wieder das Potenzial, so was wie die ganze Familie vor den Fernseher zu bekommen.
Ricke: Eine gewisse Mutlosigkeit erkennt man ja auch daran, dass man sich die Haare rauft, weil die Zuschauerstruktur jedes Jahr ein Jahr älter wird, sprich es fehlt am Nachwuchs bei den jungen Zuschauern. Wie sind die denn heute zu gewinnen?
Bleicher: Das wird schwierig, weil die jungen Zuschauer sehen mehr YouTube als Fernsehen und ich glaube, kreative Potenziale liegen in der Verknüpfung von solchen Videoplattformen mit dem Fernsehen und auch von einer stärkeren Kreativeinbindung dessen, was dort als User Generated Content bezeichnet wird. So nennt man die Filme, die von den Nutzern selbst produziert und hochgeladen werden. Wenn man mit denen neue Unterhaltungskonzepte entwickeln würde, hätte das, glaube ich, deutliche Chancen.
Ricke: Ist das eine Aufgabe für die Öffentlich-Rechtlichen, die ja qua Gebühren zur Grundversorgung verpflichtet sind, und Grundversorgung heißt ja nicht nur Bildung und Information, sondern auch Unterhaltung?
Bleicher: Das ist eine Aufgabe aller Sendeanstalten. Aber die Öffentlich-Rechtlichen haben, glaube ich, die finanzielle Grundlage zu experimentieren, weil sie nicht so stark auf Werbeeinnahmen angewiesen sind wie die kommerziellen Anbieter, also da doch ein größeres Potenzial haben, wirklich Sendungen auszuprobieren und zu entwickeln.
Ricke: Wo kann denn dieses kreative Ausprobieren stattfinden? Der Samstagabend ist wahrscheinlich nicht der richtige Zeitpunkt.
Bleicher: Was sich, glaube ich, etabliert hat, ist, in den dritten Programmen erst mal zu experimentieren. Wir haben "Zimmer frei", das ist ein jetzt auch schon älteres, aber sehr innovatives witziges Format, was in den dritten Programmen ja sehr erfolgreich läuft, und ich glaube, dass in den dritten Programmen schon ein Experimentierfeld da ist für neue Unterhaltungsformen.
Ricke: Joan Kristin Bleicher, Professorin für Medienwissenschaften. Vielen Dank, Frau Bleicher.
Bleicher: Gut!
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