Product Placement als Schreckensvision

Von Michael Meyer |
Die mögliche Liberalisierung einer EU-Richtlinie zum Product Placement könnte die Glaubwürdigkeit der Zeitungen mindern, fürchten die Blattmacher. Vehement wandten sie sich gegen Redaktionsdurchsuchungen wie zuletzt beim Magazin "Cicero". Der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) hatte zum Kongress eingeladen.
Die deutschen Zeitungsverleger sind derzeit gar nicht gut auf die Politik aus Berlin und Brüssel zu sprechen. Zu viel mussten sie aus ihrer Sicht in den vergangenen Monaten erdulden: Einer der wichtigsten Punkte, der die Verleger beunruhigt, ist die zunehmende Tendenz, Redaktionsräume zu durchsuchen oder Telefone abzuhören, wenn es der Politik opportun erscheint.

Erst vor einigen Wochen wurde in Potsdam die Redaktion des Magazins "Cicero" durchsucht, weil Auszüge aus einem internen Papier des Bundeskriminalamts in einem Artikel veröffentlicht wurden. Derlei Aktionen kommen immer häufiger vor, klagte der Präsident des Zeitungsverlegerverbands, Helmut Heinen.

Innenminister Otto Schily blieb, wie nicht anders zu erwarten, bei seiner Meinung, dass Pressefreiheit nicht so weit gehen könne, dass aus jedem beliebigen internen Papier zitiert werde:

" Was Sie offenbar für sich reklamieren als Presse, ist, dass Sie mitwirken an der Durchbrechung eines Verbotes, Dienstgeheimnisse an die Öffentlichkeit weiterzugeben. Das ist, was Sie reklamieren. Und wenn Sie das durchhalten wollen, dann wollen Sie für sich einen Freiraum beanspruchen, bei dem die Strafgesetze teilweise nicht gelten. Da frage ich Sie: Wo wollen Sie da aufhalten? Da können Sie genauso gut sagen: Wenn eine Unterlage gestohlen wird aus dem Bundeskriminalamt, dürfen Sie sie entgegennehmen. Wenn das Ihr Begriff von Pressefreiheit ist, dann bin ich da strikt dagegen, das ist nicht mein Begriff von Pressefreiheit. "

Überhaupt ist das Verhältnis von Presse und Politik derzeit nicht gut. Die arg einseitige Berichterstattung im Vorfeld der Bundestagswahl hat das ohnehin angespannte Verhältnis weiter getrübt.

Auch aus Brüssel kommt aus Verlegersicht derzeit wenig Positives: Zwar sagte die EU-Kommissarin Viviane Reding, dass es mit ihr keine weiteren Werbeverbote neben den schon bestehenden für Tabak und Alkohol geben werde; dennoch bereitet den Zeitungsverlegern eine neuerliche Gesetzesinitiative Sorgen: Die Novellierung der EU-Fernsehrichtlinie steht im nächsten Jahr an. Sie soll unter anderem eine Liberalisierung für sogenanntes Product Placement enthalten.

Ein Produkt könnte künftig also in einer Serie oder einem Film gegen Entgelt gezeigt werden, wenn dies im Abspann erwähnt wird. Ein in die Handlung eingeflochtenes LTUR–Reisebüro, wie in der ARD-Serie "Marienhof" geschehen, wäre dann kein Gesetzesverstoß mehr.

Für die Verleger ist dies eine Schreckensvision: Denn die Zeitungen würden über kurz oder lang ebenfalls auf Vermischung von redaktionellen Inhalten und Werbung setzen, was langfristig der Glaubwürdigkeit schade, wie der Chefredakteur der "Braunschweiger Zeitung", Peter-Josef Raue, meint:

" Ich glaub, dass die Zeitung am unbeschädigsten bis jetzt ist. Deswegen muss man bei jeder Werbeform, die neu da ist, fragen: Bleiben wir unbeschädigt? Man muss schon sagen, 30 Prozent der Leser, selbst 10 Prozent der Leser, die sagen: Hier ist die Glaubwürdigkeit der Zeitung beschädigt, die wären mir zuviel. Vielmehr stört auch beim "Marienhof" diese Schleichwerbung nicht, ich bin mir sicher, die meisten Zuschauer sagen: Ist doch egal, ist doch eh alles dasselbe, genau in diesen Prozess dürfen wir nicht hineingeraten. "

Doch trotz der hohen Glaubwürdigkeit, die die Zeitung noch immer genießt, lassen zurückgehende Einnahmen die Branche nicht zur Ruhe kommen. Einmal abgesehen von langsam wieder ansteigenden Auflagenzahlen bei der "ZEIT", der "Süddeutschen Zeitung", dem "Handelsblatt" oder der "Financial Times Deutschland" verlieren fast alle Blätter an Auflage. Langsam zwar, aber kontinuierlich: 2,8 Prozent betrug der Rückgang im letzten Jahr. Um wenigstens teilweise die Verluste bei der Werbung und den Stellenanzeigen auszugleichen, betätigen sich die Verleger auf immer neuen Geschäftsfeldern: neben Büchern, CDs, DVDs, Lexika, sind dies auch Reisen, Briefzustellungen oder auch Telefondienste.

Eine weitere Bedrohung sehen die deutschen Verleger in den Gratiszeitungen, die in vielen europäischen Ländern bereits florieren: In Deutschland gab es sie vor einigen Jahren einen Sommer lang, als in Köln eine Art "Kampf der Gratiszeitungen" ausgetragen wurde. Er endete mit der Einstellung aller drei Blätter.

Die deutschen Verleger können sich bislang nur schwer mit der Idee der Gratiszeitungen anfreunden, obwohl Studien ergaben, dass diese Blätter jüngere, und vor allem ganz neue Leserschichten erreichen. Für den Vorstandsvorsitzenden des Springer-Verlags, Matthias Döpfner, sind Gratiszeitungen dennoch kein Weg für die Zukunft der Zeitungsbranche, obwohl der Springer-Verlag mit "Gratissimo" bereits ein eigenes Abwehrprojekt in der Schublade hat:

" Zunächst mal ist klar, dass guter Journalismus mit aufwendigen Recherchen verbunden ist, und das kostet Geld. Wenn Zeitungen kostenlos verteilt werden und nicht verkauft, dann fehlt dieses Geld, und das wird auf Kosten der journalistischen Qualität gehen. Und das ist sicherlich eine grundsätzlich problematische Wirkung der Gratiszeitungen. Im Ausland funktionieren Gratiszeitungen nur da, wo es wenig Wettbewerb gibt, quasi Monopole, in Deutschland wird es massiven Wettbewerb geben, jeder Regionalverleger wird sich zur Wehr setzen und auch nationale Großverlage werden etwas dagegen tun, deswegen ist es kein Geschäftsmodell, und ich schließe nicht aus, dass sich das rumspricht und dass deswegen in Deutschland weiterhin für Zeitungen Geld bezahlt wird. "