Ein Avantgarde-Künstler, der auch Hits kann
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U2 und Coldplay setzten auf Brian Eno als Produzenten. Doch bevor dieser mit dem Wohlfühl-Pop anbandelte, hatte er sich als Avantgarde-Künstler einen Namen gemacht. David Bowies "Heroes"-Album wäre ohne ihn nicht denkbar gewesen.
"With or Without You" von U2 ist ein Stück Popgeschichte. Wer hat da nicht gleich die Melodie im Ohr? Doch die allermeisten der Abermillionen, die den Song kennen und lieben, wissen nicht, wer Brian Eno ist. Der hat den Track allerdings produziert.
Jene wiederum, die Brian Eno als innovativen Künstler verehren, tun das eher trotz als wegen seiner Arbeit an solchen Hits.
"Die 'Oblique Strategies' sind eine ziemlich abstruse, künstlerische Idee", erklärt David Sheppard. "Sie sind eigentlich ein Satz von Karten mit Anweisungen, die einem helfen sollen, wenn man nicht weiterweiß. Bowie und er verwendeten sie auf dem Album 'Heroes' oft. So schrieben sie zum Beispiel das Instrumental 'Sense of Doubt'. Auf der Karte, die Eno zog, stand: 'Mach, dass alles ähnlich klingt'. Und auf Bowies Karte stand: 'Betone die Unterschiede'. Und wenn man sich das anhört, dann sind da diese ruhigen Passagen, in die diese völlig verrückten Klavierakkorde einfallen."
Kalkulierter Zufall als Kompositionsprinzip
"Sense of Doubt" aus Bowies "Heroes"-Album ist ein Stück, bei dem Brian Eno eigentlich nicht als Produzent, sondern als Musiker, oder wie er selbst gern sagt, als Nichtmusiker dabei war. Die Rollen verschwammen bei Eno oft, zum Beispiel 1980 in seiner Produktion des Albums "Remain in Light" der Talking Heads, auf dem er einer weißen New Yorker Band nigerianische Rhythmen näherbrachte.
Im darauf folgenden Jahrzehnt vollbrachte Brian Eno nicht nur Pioniertaten im Genre der Ambient Music, das er selbst Ende der 70er-Jahre mit dem Album "Music For Airports" begründet hatte, sondern inszenierte parallel dazu auch mit dem kanadischen Ko-Produzenten Daniel Lanois den globalen Durchbruch von U2.
Und zwei Jahrzehnte später forderte er die Toleranz der Jünger seiner Avantgarde noch einmal aufs Äußerste, indem er sich ausgerechnet von der Wohlfühl-Rockband Coldplay engagieren ließ.
Experimenteller Ruf treibt ihn dem Mainstream zu
Biograf David Sheppard sieht die Ironie im Verhältnis zwischen Enos künstlerischen und populären Leistungen:
"Die Musikindustrie basiert heute auf Marktanalysen, und wenn man nur nach den Hits urteilt, dann müsste man eigentlich sagen: Das ist der Hit. Bei all dem anderen Zeug hat er erst gelernt, wie man Coldplay macht."
Es scheint wie ein unmöglicher Spagat, aber tatsächlich ist es gerade die Strahlkraft seines experimentellen Rufs, die Brian Eno Bestseller-Bands wie Coldplay zutreibt. Und es ist sein damit verdientes Geld, das ihm die Freiheit zum Weiterexperimentieren gibt. In seiner Person vereint er das Pendelspiel des Pop zwischen der Befriedigung und der Herausforderung der Massen.