Produzentin Annette Humpe

"Ich war eher bossy unterwegs"

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Eine schwarz-weiß-Aufnahme zeigt Annette Humpe bei einem Live-Auftritt von Ideal im Kurhaus Hannover im Juni 1981.
Bei einem Auftritt von Ideal im Jahr 1981 in Hannover: Annette Humpe gibt am Piano den Boss. © imago / Future Image
Von Christiane Rebmann |
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Sie hat Klavier und Kompositionslehre studiert. Seit den 80er-Jahren mischt Annette Humpe die deutsche Popmusikszene auf: mit einem guten Gespür für den Zeitgeist und mit der Fähigkeit, sich durchzusetzen.
Annette Humpe ist die erfolgreichste Produzentin Deutschlands. In den 80er-Jahren gab sie als Neue-Deutsche-Welle-Musikerin der deutschen Musikszene neue Impulse. Die Künstlerin hat Kolleginnen und Kollegen wie Rio Reiser, Udo Lindenberg, Die Prinzen, Nena oder Lucilectric produziert.

Ab 2004 machte sie zusammen mit ihrem musikalischen Partner Adel Tawil unter dem Namen Ich + Ich Furore, 2011 mit dem klassisch ausgebildeten Sänger Max Raabe. Ihr Vorteil: Annette Humpe ist eine No-Bullshit Frau.

"Es war ja von Anfang an allen klar, dass ich jetzt nicht so ein Singezahn bin, der vorne da blond vorm Mikrofon steht, sondern ich konnte Klavier spielen, ich habe Musik studiert", erzählt sie. "Ich habe die Stücke geschrieben, auch für Ideal schon. Ich war eher bossy unterwegs, und ich glaube, dass die Männer auf jeden Fall mehr unter mir gelitten haben als ich unter den Männern."
Emotional und lakonisch zugleich, diesen Spagat schafft Annette Humpe mühelos. Von diesem Stil profitierten auch ihre Schützlinge. So verhalf sie dem 1996 verstorbenen Ex-Ton-Steine-Scherben-Sänger Rio Reiser 1984 zu einem fulminanten Einstieg in die Solokarriere – mit einem zeitgemäßen Sound, der seine Stärke als Texter noch hervorhob.
"Rio Reiser ist überhaupt mein Lieblingstexter", sagt Annette Humpe. "Zum Beispiel der Anfang von 'Bye, Bye Junimond': '2000 Stunden habe ich gewartet. Ich habe sie alle gezählt und verflucht.' Der ist unheimlich poetisch gewesen. Der konnte in einem Satz das Wort Blume und auch Kacke singen. Und das passte. Und man hat sich nicht gewundert."

Aus dem VW Käfer wird ein Fahrrad

1990 führte sie mit ihrem guten Gespür für den Zeitgeist die ostdeutsche Band Die Prinzen an die Spitze der gesamtdeutschen Charts. Bei der Arbeit prallten zwei Kulturen aufeinander. Aber Humpe setzte sich durch.
"Das war direkt nach der Wende", erinnert sie sich. "Da wollten die ein Lied machen, das hieß 'Mein Käfer', weil der Sebastian davon träumte, eben so einen VW Käfer zu haben. Und dann habe ich gesagt: 'Dann sing doch über ein Fahrrad. Hier würde man das lustig finden, über ein Fahrrad zu singen.'"
Adel Tawil, Annette Humpe und Max Raabe vor einer Werbewand beim ECHO Musikpreis 2011.
Adel Tawil, Annette Humpe und Max Raabe beim ECHO Musikpreis 2011.© imago / Pop-Eye / Christian Behring
Ab 2004 stellte sich Annette Humpe wieder selbst vors Mikrofon – als eine Hälfte des Duos Ich & Ich mit dem 28 Jahre jüngeren Adel Tawil. Natürlich war sie auch die Produzentin des Projekts.
Eher ironisch ging es ab 2011 in den gemeinsamen Texten von Humpe und Max Raabe zu. Raabe hatte mit seinem Palast Orchester Songs im Stil der 20er- und 30er-Jahre gesungen. Die Aufnahmen zu seinem Solodebüt "Küssen kann man nicht alleine" waren eine Herausforderung, erinnert sich Annette Humpe.
"Ich hatte noch nie mit einer ausgebildeten Stimme gearbeitet. Der Max hat ja richtig eine Gesangsausbildung, der kann Arien singen. Der bleibt ja unter seiner Leistungsgrenze, wenn wir arbeiten. Und das hat mir Spaß gemacht. Die Texte müssen dann ganz anders sein, als wenn man mit einer rauen verrauchten, dreckigen Stimme arbeitet."

"Ein Typ kann mir so schnell nix erzählen"

Annette Humpe hat bisher hauptsächlich mit Männern gearbeitet. Fand sie es schwierig, sich durchzusetzen?
"Nee, ich fand das nicht schwierig. Ich fand das immer einen Vorteil, eine Frau zu sein. Das finde ich immer noch, auch in der Branche. Und ich war ja gut ausgebildet. Und ich dachte, ein Typ kann mir so schnell nix erzählen. Das stimmt auch."
Die 69-Jährige, die ihren 1992 geborenen Sohn allein großzog, bezeichnet sich selbst humorvoll als weiblichen Chauvi. Eine Produzentin mit einem eigenen Kopf und klaren Vorstellungen. Gleichzeitig ist ihr im Studio Teamarbeit jedoch wichtig.
"Wenn jemand sagt: 'Die Basslinie gefällt mir nicht', dann suchen wir so lange, bis wir eine haben, die allen gefällt, dem Künstler, dem Toningenieur und mir und dem Bassisten", sagt sie. "Aber ganz oft habe ich auch die Basslinien eingespielt auf dem Keyboard. Ich habe die Verantwortung, und ich mache das Konzept und den Stil."
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