Profikiller mit Geheimdienstauftrag

Rezensiert von Johannes Kaiser |
Der Roman des dänischen Autors und Journalisten Leif Davidsen ist eine europäische Antwort auf Amerikas krude Verschwörungsthriller. Er beginnt gelassen und ruhig, um dann in einem realistischen Plot zu explodieren. El Kaida und der 11. September 2001 bilden den Hintergrund zu einem Thriller, der in den USA und Europa spielt.
Vuk ist ein Profikiller: eiskalt, höchst effizient, geschickt und skrupellos. Der Bürgerkrieg in Jugoslawien hat aus ihm eine gefühllose Mordmaschine gemacht. Doch nach seinem letzten Auftrag ist der bosnische Serbe untergetaucht, lebt mit Frau und Kindern am Rande des Death Valley in Kalifornien und arbeitet als Abenteueranimateur für Touristen. Seine Papiere sind gut, aber nach dem 11. September nicht mehr gut genug. Seine Scheinidentität fliegt auf.

Die Dänen, denen er übel mitgespielt hat, verlangen seine Auslieferung. Doch der CIA hat anderes im Sinn und lässt ihn offiziell bei einem Fluchtversuch umkommen. Vuk, der bei seiner früheren Arbeit beim serbischen Geheimdienst El-Kaida-Mitglieder kennen gelernt hat, soll einen von ihnen - "Thronfolger" genannt - aufspüren und den Amerikanern quasi auf dem Silbertablett liefern. Dafür wird ihm und seiner Familie ein neues Leben mit sauberen Papieren versprochen.

Der Gesuchte, ein irakischer Kurde, den es nach Kopenhagen verschlagen hat, soll der CIA und damit den USA den politisch dringend benötigten Beweis liefern, dass Saddam Hussein El Kaida unterstützt. Doch die Amis sind nicht die einzigen, die dem Terroristen auf der Spur sind. Auch eine Sonderkommission des dänischen Geheimdienstes unter Per Toftlund sucht ihn. Der hat noch eine Rechnung mit Vuk offen. Immerhin hat der Killer einen seiner besten Freunde umgebracht. Die Jagd auf den "Thronfolger" ist eröffnet. Vuk und Toftlund kommen sich, ohne voneinander zu ahnen, immer näher.

Der 56-jährige dänische Schriftsteller Davidsen versteht es, Thriller zu schreiben, die nicht nur hautnah an der Realität haften, die politische Landschaft perfekt abbilden, sondern auch eine solche Dramatik entzünden, dass man sie ungern vor dem großen Showdown aus der Hand legt. Das liegt nicht zuletzt an seiner einzigartigen Fähigkeit, in die Haut der Helden und der Schurken zu schlüpfen, statt Charaktermasken echte Menschen vorzustellen, die ein Privatleben haben oder sich verlieben.

Selbst der Killer bekommt bei ihm ein menschliches Gesicht und nebenbei erfährt man auch noch eine Menge über Europas Moslems. Solche Thriller kann nur ein Europäer schreiben. Amerikaner verfallen stets dem Superman-Syndrom, übertreiben maßlos. Eben die Normalität seiner Geheimdienstwelt fasziniert, betört und verstört. Davidsens Geschichten sind erschreckend realistisch.

Leif Davidsen: Der Feind im Spiegel
Übersetzt von Peter Urban-Halle.
Zsolnay Verlag. München 2006.
398 Seiten. 19,90 Euro.