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Ein Leben im Schloss

Nördlich des Neuen Palais - das Schloss an der Westseite des Parks Sanssouci - liegt Schloß Lindtstedt, das einst etwas außerhalb des Parks von Sanssouci das Krankenlager des geistig verwirrten Friedrich Wilhelm IV. werden sollte, der die Fertigstellung jedoch nicht mehr erlebte. Das im Stil einer italienischen Villa angelegte kleine Schloss ist auch das letzte Architekturzeugnis für diesen Bau-Epoche in Potsdam, der mit dem Tod Friedrich Wilhelm IV. zu Ende ging.
Schloß Lindtstedt liegt etwas außerhalb des Parks von Sanssouci und sollte einst das Krankenlager des geistig verwirrten Friedrich Wilhelm IV. werden. © picture-alliance / ZB / Kalaene Jens
Von Irene Binal · 22.08.2014
Andreas Pietz kümmert sich als Gärtner um die Parkanlagen von Schloss Sanssouci in Potsdam. Sein Zuhause hat er im nahe gelegenen Schlösschen Lindstedt gefunden. Dort wohnt er zusammen mit seiner Mutter und zwei Katzen - und will am liebsten nie mehr ausziehen.
"Das ist jetzt hier die Rotunde, also vom Säulengang kommt man hier rein und ist hier dann die Bibliothek... Hier geht's raus dann auf die Terrasse mit der Freitreppe dann. Wir haben hier auch die Westseite, also die Sonne trifft dann hierher und mit einem Glas Rotwein lässt es sich hier gut aushalten."
Hohe Räume mit Stuckverzierungen an den Decken, ein offener Kamin, eine große Terrasse mit Blick über den Park... Hier, in Schloss Lindstedt bei Potsdam wohnt Andreas Pietz - allerdings nicht in den herrschaftlichen Prunkräumen, sondern in einer Wohnung im Souterrain.
"Ich denke mal, da haben die Bediensteten gewohnt und da waren Lagerräume. Also da, wo Parkett ist wurde gewohnt und dann habe ich auch Steinfußboden, in Muster gelegt, ja also als Lagerraum dann."
Freilich ist die Wohnung von Andreas Pietz alles andere als ein finsteres Kellerloch. Das Souterrain ist eigentlich das Erdgeschoss, große Fenster lassen viel Licht herein und auf 140 Quadratmetern hat Andreas Pietz reichlich Platz. Das Herzstück seiner Wohnung ist das große Esszimmer, das er liebevoll mit Chippendale-Möbeln eingerichtet hat:
"Die habe ich mir über Ebay ersteigert. Ab und zu auch ein Schnäppchen gemacht."
Seit 24 Jahren Gärtner in Sanssouci
Nicht nur alte Möbel haben es Andreas Pietz angetan: Er beschäftigt sich gern mit der Vergangenheit, mit jenen, die vor ihm in Schloss Lindstedt wohnten, wie etwa Erich von Falkenhayn, im Ersten Weltkrieg Chef des deutschen Generalstabs:
"Familie Falkenhayn hat hier residiert, die liegt auf dem Bornsteiner Friedhof begraben, und die Erika ist die Tochter, verheiratet mit Henning von Tresckow. Daher ist im Säulengang dann 1991 diese Gedenktafel angebracht worden, für Henning von Tresckow und Erika, für den 20. Juli für's Attentat."
Andreas Pietz wirkt ganz bodenständig, ein kleiner Mann mit rundlichem Gesicht, einem ansteckenden Lachen und einem großen Strohhut, den er, wenn er ihn nicht aufgesetzt hat, keck über die Schulter baumeln lässt. Als Gärtner kümmert sich der 43-Jährige seit 24 Jahren um die nahe gelegenen Parkanlagen von Sanssouci.
2001 bewarb er sich bei der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg um die Wohnung in Schloss Lindstedt und bekam den Zuschlag. An das Leben in dem abgelegenen Schlösschen musste sich Pietz allerdings erst gewöhnen.
"Wo wir hier eingezogen sind, da war es noch nicht so doll mit Bewachung, kurz davor sollten im Herbst die Figuren eingehaust werden, da wurde dann eine geklaut und man fragt sich schon: Mensch, wer schleicht denn hier noch alles rum und kann reingucken, ja? Weil manche Besucher sind wirklich dann ich sage jetzt mal so dreist, wenn ein Oberfenster offen ist, dann gucken sie rein. Ich habe keine Gemälde, deswegen lass ich mir lieber reingucken, sollen sie gucken und dann ist gut, dass da nichts zu holen ist und oben, die Schlossanlage, die ist eben alarmgesichert, da kann keiner einsteigen und so weiter."
Pietz schätzt die Abgeschiedenheit
Pietzes Frau wurde es in Lindstedt schließlich zu einsam, auch die 12-jährige Tochter Paula kommt zwar oft vorbei, wohnt aber lieber in Berlin. So lebt Andreas Pietz heute mit seiner Mutter und zwei Katzen im Schloss. Früher gab es noch Enten und einen Hund, aber der kam mit den im ehemaligen Kräutergarten ansässigen Schrebergärtnern, auch Laubenpieper genannt, nicht zurecht:
"Also er hat den ganzen Park für sein Revier erkannt und die Laubenpieper, wenn ich so sagen darf, die gehen immer durch den Eingang, und da im Dunkeln kommen die rein und raus und gehen hinter dem Laubengang dann weiter. Der hat da gebellt, wupps war er da, und die haben da gestanden, stocksteif, und das geht natürlich nicht, nee, den mussten wir dann abgeben..."
Gerade die Abgeschiedenheit ist es, die Andreas Pietz schätzt. Seine Klingel funktioniert nicht, reparieren will er sie nicht. Auch Buchautorin Francisca Drechsler musste feststellen, dass es gar nicht so einfach ist, ihn zu besuchen:
"Ich habe Stimmen gehört und ich habe gerufen, und da passierte gar nichts. Und ich war dann schon eine halbe Stunde hier habe ein bisschen fotografiert und dann kam Herr Pietz raus und war etwas erstaunt, als ich vor ihm stand - aha, ein Buchprojekt und ich soll hier über mich erzählen, na gut, kommen Sie mal irgendwie vorbei aber jetzt zeige ich Ihnen mal die Enten."
Bei Veranstaltungen zieht Pietz aus
Freilich hat das Leben im Schloss auch seine Nachteile. Pietz kämpft gegen den Schimmel in den alten Mauern und wenn Lindstedt für Veranstaltungen gebucht wird, ergreift er oft die Flucht. Denn in seiner Wohnung hört er jeden Schritt von oben, und dann ist da noch das Problem mit der Beleuchtung:
"Das Wohnzimmer wird dann nachts ausgestrahlt. In grün, rot - man strahlt das Schloss an, das hat ja jetzt diesen gelben Anstrich und dann in verschiedenen Farben, dann kommen Ornamente, es sieht von draußen sehr schön aus aber man möchte da nicht drinnen sitzen."
Und dennoch: Andreas Pietz liebt sein kleines Paradies, den weitläufigen Park mit den japanischen Kirschbäumen und das gelbe Schlösschen. Ein Leben in einem Mehrparteienhaus ist für ihn nicht mehr vorstellbar:
"Ich bin auch schon in so einen Würfel oder Plattenbau gezogen. Aber damit bin ich überhaupt nicht klargekommen. Dann hat die Nachbarin geguckt, ob ich auch ja die Treppe gemacht habe. Ich kann sowas nicht. Und ich glaube auch nicht, dass ich noch mal in eine Mietwohnung außer jetzt der hier einziehen werde."
Eine Frage ist freilich noch offen: In so einem alten Gemäuer muss es doch auch einen Schlossgeist geben - oder?
"Nein, also ich habe noch nichts mitgekriegt. Natürlich knarren die Türen und meine Tochter und die Kinder habe ich schon damit erschreckt, aber ansonsten gibt es hier keine Gespenster, nee."
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