Viel Imagepflege – und ein bisschen Engagement
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Die Follower-Zahlen von Profisportlern gehen in die Millionen. Manche nutzen ihre Reichweite nicht nur als Schaufenster für den Sport und ihre Liebsten, sondern auch für soziale Themen. Die sind meist konsensfähig, wenn nicht, drohen Konsequenzen.
Der Sportler oder die Sportlerin, fröhlich up to date, pflegt Image und Konto über soziale Medien. Standardmäßig im Drei-Komponenten-System: Ich und mein Sport; ich und meine Liebsten; ich und meine Werbepartner. Weltfußballer Robert Lewandowski etwa zeigt auf Instagram, wie er Fußballtrophäen sammelt, verliebt auf Frau und Kinder blickt, zufrieden chinesische Kommunikationstechnik nutzt. 20 Millionen Follower schauen zu.
Konsensfähiges Engagement
Marcus Rashford, Stürmer von Manchester United, postet auch gerne das Erwartbare: Szenen vom Spielfeld, sich und seinen Hund sowie sich in Luxusklamotten. Doch im vergangenen Jahr legte der Nationalspieler sich mit dem britischen Premier an, um staatlich finanziertes Schulessen zu retten. Rashford, selbst arm aufgewachsen, tat das ausgesucht höflich - und erfolgreich. Nun mutet er seinen zehn Millionen Followern zwischen tollen Toren und teuren Trenchcoats gelegentlich das echte Leben zu.
Auch die Münchner Fußballer Joshua Kimmich und Leon Goretzka haben sich in ihrer Blase nicht den Blick auf die Wirklichkeit vernebeln lassen. Ihre Stiftung "WeKickCorona" hilft sozialen Einrichtungen, die durch die Pandemie in Not geraten. Keinen der drei Starkicker wird strategisches Kalkül getrieben haben.
Besonders Rashford ist offensichtlich überwältigt vom großen Zuspruch und den vielen Ehrungen. Was ihr Engagement noch verbindet: Es ist durch und durch konsensfähig.
Protest gegen Rassismus mit Konsequenzen
Auch Antirassismus ist konsensfähig, sollte man denken. Ist aber nicht so, jedenfalls nicht wenn der Antirassist selbst schwarz ist und sein Protest eine nationale Angelegenheit. Der Quarterback Colin Kaepernick prangerte 2016 Rassismus in den USA an, indem er die amerikanische Hymne schweigend und kniend ertrug, statt sie stehend und ergriffen mitzusingen. Die Pose wurde ikonisch und weltweit kopiert. Kaepernick wurde arbeitslos.
Eine der ersten Sportlerinnen, die sich mit ihm solidarisierten, war die Fußballerin Megan Rapinoe. Sie zog Wutgeheul des damaligen Präsidenten auf sich, weil sie das beredte Schweigen noch bei der Weltmeisterschaft 2019 und bis zum Titelgewinn durchhielt. Doch der Zorn eines alten weißen Mannes machte die weiße Sportlerin nicht arbeitslos, nur noch populärer.
Rapinoe nutzt Ruhm und Social-Media-Konten – drei Millionen Follower bei Instagram und Twitter – weniger für Werbung, mehr für gesellschaftliche Anliegen. Offen lesbisch lebt sie schon lange, gerade feierte sie ihre Liebe zur Basketballerin Sue Bird mit erotischen Doppelportraits in einem bekannten Magazin. Die Tennislegende Billie Jean King twitterte ihre Begeisterung über die Fotostrecke "Modern Lovers" – und erinnerte an ihr eigenes Outing vor 40 Jahren: "Ich habe binnen 24 Stunden sämtliche Werbeverträge verloren."
Quarterback Kaepernick als Werbefigur
Inzwischen läuft es andersherum: Colin Kaepernick kann zwar seinen Sport nicht mehr professionell ausüben, eben deshalb aber funktioniert er als Werbefigur. Für den Umsatz eines Sportartikelgiganten wog der zur Schau gestellte Idealismus die Boykotte beleidigter Rassisten locker auf. Slogan der Kampagne: "Glaube an etwas. Auch wenn es bedeutet, alles zu opfern." Das kann man als Einhegung des Kommerzes durch moralische Imperative feiern.
Oder als Gipfel des Zynismus beklagen.
Manche Konzerne kaufen Ideale ein. Anderen kommen Ideale in die Quere. Der französische Fußballnationalspieler Antoine Griezmann teilte seinen 32 Millionen Followern auf Instagram im Dezember mit, er kündige seinen Vertrag mit einem chinesischen Unternehmen umgehend. Begründung: Dessen Technik zur Gesichtserkennung werde mutmaßlich bei der Verfolgung der Uiguren eingesetzt.
Ohne lächelndes Werbegesicht steht der Konzern deshalb nicht da. Er hat noch Robert Lewandowski.
Nicht jeder Mensch hat das Bedürfnis, seine Heile-Welt-Inszenierung zu verlassen.