Profitcenter Kind
Familien mit Kindern müssen gefördert werden. Das war stets Konsens in unserer Gesellschaft. Aber früher waren Kinder Kinder, heute sind sie Ressource für die Zukunft. In dieser Zeit der Ökonomisierung aller Lebensbereiche betrachten auch Eltern ihre Produkte inzwischen als Kostenfaktor. Kinder sind heute eine große Investition. Und deshalb reimt sich auf Kinderfreud‘ Offenbarungseid. Oder, wie es Marc Beise, Wirtschaftsredakteur der Süddeutschen Zeitung, in der SZ am Wochenende (14. Juni) formulierte: "Kinder sind immer noch die beste Gewähr dafür, dass man in dieser Gesellschaft nichts mehr reißen kann."
Das jahrelange Klagen mittelständischer Medieneltern über zu geringe finanzielle Zuwendungen des Staates hatte Erfolg. Zu Beginn dieses Jahrhunderts hatten sich die zuständigen Fachkommentatoren in den Leitmedien noch echauffiert, wenn ein Sachverständiger die staatlichen Hilfen für Familien und Kinder auf 80 Milliarden Euro taxierte. Damals wehrten sich die Kinderlosen mit dieser stattlichen Zahl gegen die Ansprüche der Kinder-Besitzer. Heute erntet die Familienministerin keine Empörung mehr, wenn sie sehr zufrieden und sehr stolz verkündet, der Staat gebe inzwischen 189 Milliarden Euro für "familienbezogene Leistungen und Maßnahmen des Staates" aus.
Damit ist die Familie eines der erfolgreichsten Unternehmen in diesem Land. 100 Prozent "Renditesteigerung" in sechs Jahren – so gesehen sind Kinder fast schon ein Profitcenter. Henrike Roßbach stellte denn auch zu Recht in der FAZ fest: "Kaum ein Land überschüttet Eltern derart mit Geld."
Und trotzdem wird gejammert was das Zeug hält. Dabei schaffen manche Eltern problemlos den Spagat, mehr Geld für sich zu fordern und andererseits den Staat anzuklagen, weil er zu viel Geld ausgebe und damit ihre Zukunft und die ihrer Kinder gefährde – zuletzt bei den bescheidenen Rentenerhöhungen.
Die Argumente der Kinder-Besitzer sind zeitgemäß: Wer die begehrte Ressource Kind nicht zur Verfügung stellt, muss einen Ausgleich für ihr gesamtgesellschaftliches Investment zahlen. Angeblich geschieht das nicht. Marc Beise formulierte es so: "180 Milliarden Euro werden jedes Jahr in Deutschland für Familienleistungen ausgegeben. Ich habe absolut keine Ahnung, wo die ankommen?"
Dann wollen wir mal Nachhilfe geben:
Kindergeld (für die schlechter Verdienenden) und der Ertrag durch Freibeträge (mit denen besser Verdienende mehr als 154 Euro monatlich herausholen) summieren sich auf rund 35 Milliarden Euro. Mehr als eine Milliarde Euro sparen Eltern bei Solidarzuschlag und Kirchensteuer.
Die Leistungen der Sozialversicherung für Familien summieren sich auf knapp 25 Milliarden Euro, allein an die 14 Milliarden für die kostenlose Mitversicherung der Kinder; weitere 10 Milliarden Euro kostet die Sozialversicherung für Mütter, die sich ausschließlich Haushalt und Erziehung widmen – in Deutschland noch immer die Regel.
Brechen wir es herunter auf Marc Beises Frage, was bei einem nicht in der Existenz bedrohten, durchschnittlich und allein verdienenden Vater ankommt, beim klagenden Mittelständler: Mein Steuerberater hat ausgerechnet, dass ein Single ohne Kinder mit 40.000 Euro Jahreseinkommen 5680 Euro Lohnsteuer, Kirchensteuer und Solidarzuschlag zahlt. Die Durchschnittsfamilie mit zwei Kindern muss dank Ehegattensplitting und Kinderfreibeträgen nur 1830 Euro abtreten. Macht 3850 Euro pro Jahr fürs Kind, 320 Euro monatlich. Hinzu kommen zwei Mal 154 Euro Kindergeld. Die Familie zahlt außerdem 30 Euro weniger in die Solidarkassen. Macht alles in allem monatlich rund 660 Euro.
Staatliche (und stattliche) Leistungen für Kinder sind auch die Ausgaben für Bildung. Doch die zählen heute offenbar nicht mehr, denn Kindergärten und Staatsschule haben in großstädtischen Mittelstandskreisen einen schlechten Ruf. Das Sozial-Gedöns interessiert dort ebenfalls nicht.
Unterm Strich finanzieren Eltern 54 Prozent dieser Familienleistungen über Steuern und Sozialabgaben selbst, betont Ministerin von der Leyen. Das bedeutet: Die andere Hälfte begleichen Nicht-Eltern. Schweigend. Selbstlos. Selbstverständlich.
Es ist richtig, dass der Staat Eltern unter die Arme greift. Dass auch Kinderlose sich beteiligen, finanziell und ideell. Viele tun das gern, trotz der weit verbreiteten elterlichen Anspruchshaltung. Aber sie dürfen ruhig die Frage stellen, ob sie für die Lebensplanung anderer Leute zahlen und sich gleichzeitig als Schmarotzer titulieren lassen möchten. Was Kinder-Besitzer ebenso gern wie die Knete der gedemütigten, häufig unfreiwillig Kinderlosen nehmen, ist deren Hilfe. Beispielsweise die stille Bereitschaft, Weihnachten und Silvester die Schichten zu übernehmen und Mehrarbeit, wenn Papi oder Mami zum kranken Kind nach Hause muss. Und natürlich die Betreuungsstunden von Oma und Opa, die unter Eltern sonst gern als die Zukunft verprassende "Generation Teneriffa" verachtet wird.
Fazit: Hilfe für Eltern und Empathie für Kinder sind also da. Deshalb kann die Klage der Not leidenden Wohlstands-Eltern nur so verstanden werden: Mist, da bleibt ja nichts übrig. Verlustgeschäft. Abschreibungsbedarf.
Wie hat eigentlich die Generation der so heftig kritisierten Rentner ihre Kinder groß gezogen? Und das auch noch in größerer Zahl? Ihre Antwort: Kinder sind kein Wirtschaftsgut. Kinder haben einen Wert, der sich nicht in der Währung der Ökonomen messen lässt, den Eltern aber bei ihrer Bilanz nicht vergessen sollten.
Peter Köpf ist stellvertretender Chefredakteur von "The German Times" und "The Atlantic Times". Er schrieb zahlreiche Sachbücher, zuletzt "Hilfe, ich werde konservativ. Die Zeiten ändern sich – meine Überzeugungen nicht". Mehr: www.denk-bar.de
Damit ist die Familie eines der erfolgreichsten Unternehmen in diesem Land. 100 Prozent "Renditesteigerung" in sechs Jahren – so gesehen sind Kinder fast schon ein Profitcenter. Henrike Roßbach stellte denn auch zu Recht in der FAZ fest: "Kaum ein Land überschüttet Eltern derart mit Geld."
Und trotzdem wird gejammert was das Zeug hält. Dabei schaffen manche Eltern problemlos den Spagat, mehr Geld für sich zu fordern und andererseits den Staat anzuklagen, weil er zu viel Geld ausgebe und damit ihre Zukunft und die ihrer Kinder gefährde – zuletzt bei den bescheidenen Rentenerhöhungen.
Die Argumente der Kinder-Besitzer sind zeitgemäß: Wer die begehrte Ressource Kind nicht zur Verfügung stellt, muss einen Ausgleich für ihr gesamtgesellschaftliches Investment zahlen. Angeblich geschieht das nicht. Marc Beise formulierte es so: "180 Milliarden Euro werden jedes Jahr in Deutschland für Familienleistungen ausgegeben. Ich habe absolut keine Ahnung, wo die ankommen?"
Dann wollen wir mal Nachhilfe geben:
Kindergeld (für die schlechter Verdienenden) und der Ertrag durch Freibeträge (mit denen besser Verdienende mehr als 154 Euro monatlich herausholen) summieren sich auf rund 35 Milliarden Euro. Mehr als eine Milliarde Euro sparen Eltern bei Solidarzuschlag und Kirchensteuer.
Die Leistungen der Sozialversicherung für Familien summieren sich auf knapp 25 Milliarden Euro, allein an die 14 Milliarden für die kostenlose Mitversicherung der Kinder; weitere 10 Milliarden Euro kostet die Sozialversicherung für Mütter, die sich ausschließlich Haushalt und Erziehung widmen – in Deutschland noch immer die Regel.
Brechen wir es herunter auf Marc Beises Frage, was bei einem nicht in der Existenz bedrohten, durchschnittlich und allein verdienenden Vater ankommt, beim klagenden Mittelständler: Mein Steuerberater hat ausgerechnet, dass ein Single ohne Kinder mit 40.000 Euro Jahreseinkommen 5680 Euro Lohnsteuer, Kirchensteuer und Solidarzuschlag zahlt. Die Durchschnittsfamilie mit zwei Kindern muss dank Ehegattensplitting und Kinderfreibeträgen nur 1830 Euro abtreten. Macht 3850 Euro pro Jahr fürs Kind, 320 Euro monatlich. Hinzu kommen zwei Mal 154 Euro Kindergeld. Die Familie zahlt außerdem 30 Euro weniger in die Solidarkassen. Macht alles in allem monatlich rund 660 Euro.
Staatliche (und stattliche) Leistungen für Kinder sind auch die Ausgaben für Bildung. Doch die zählen heute offenbar nicht mehr, denn Kindergärten und Staatsschule haben in großstädtischen Mittelstandskreisen einen schlechten Ruf. Das Sozial-Gedöns interessiert dort ebenfalls nicht.
Unterm Strich finanzieren Eltern 54 Prozent dieser Familienleistungen über Steuern und Sozialabgaben selbst, betont Ministerin von der Leyen. Das bedeutet: Die andere Hälfte begleichen Nicht-Eltern. Schweigend. Selbstlos. Selbstverständlich.
Es ist richtig, dass der Staat Eltern unter die Arme greift. Dass auch Kinderlose sich beteiligen, finanziell und ideell. Viele tun das gern, trotz der weit verbreiteten elterlichen Anspruchshaltung. Aber sie dürfen ruhig die Frage stellen, ob sie für die Lebensplanung anderer Leute zahlen und sich gleichzeitig als Schmarotzer titulieren lassen möchten. Was Kinder-Besitzer ebenso gern wie die Knete der gedemütigten, häufig unfreiwillig Kinderlosen nehmen, ist deren Hilfe. Beispielsweise die stille Bereitschaft, Weihnachten und Silvester die Schichten zu übernehmen und Mehrarbeit, wenn Papi oder Mami zum kranken Kind nach Hause muss. Und natürlich die Betreuungsstunden von Oma und Opa, die unter Eltern sonst gern als die Zukunft verprassende "Generation Teneriffa" verachtet wird.
Fazit: Hilfe für Eltern und Empathie für Kinder sind also da. Deshalb kann die Klage der Not leidenden Wohlstands-Eltern nur so verstanden werden: Mist, da bleibt ja nichts übrig. Verlustgeschäft. Abschreibungsbedarf.
Wie hat eigentlich die Generation der so heftig kritisierten Rentner ihre Kinder groß gezogen? Und das auch noch in größerer Zahl? Ihre Antwort: Kinder sind kein Wirtschaftsgut. Kinder haben einen Wert, der sich nicht in der Währung der Ökonomen messen lässt, den Eltern aber bei ihrer Bilanz nicht vergessen sollten.
Peter Köpf ist stellvertretender Chefredakteur von "The German Times" und "The Atlantic Times". Er schrieb zahlreiche Sachbücher, zuletzt "Hilfe, ich werde konservativ. Die Zeiten ändern sich – meine Überzeugungen nicht". Mehr: www.denk-bar.de