Profitgier und schonungsloser Raubbau
Der Run auf das fruchtbare Land der Welt hat begonnen, jeder will dabei sein. Großunternehmer und Finanzakteure kaufen Ackerflächen, die so groß sind wie Bundesländer. Der britische Journalist beschreibt das Phänomen "Land Grabbing" - und ist dafür einmal quer durch die Welt gereist.
"Ich denke, natürliche Ressourcen sind begrenzt. Ich muss sie mir aneignen, bevor sie weg sind." Das ist die Logik, ausgesprochen von einem Protagonisten, einem vietnamesischen Kautschukbaron, der "Land Grabbing" in den letzten Jahren in eine neue Dimension geführt hat. Der Run auf das fruchtbare Land der Welt hat begonnen. Jeder will dabei sein: Großunternehmer und Finanzakteure eignen sich Ackerflächen groß wie Bundesländer an.
Wie viel Land ist betroffen? Die Schätzungen reichen von 47 Millionen Hektar bis zu 227 Millionen Hektar, niemand weiß es genau, schreibt Fred Pearce. Denn viele Deals würden im Geheimen geschlossen, andere seien bisher unvollendete Ankündigungen. Der Autor, ein renommierter britischer Wissenschaftsjournalist, verurteilt diese "neuen Landnahmen" nicht pauschal, sein Credo ist: "Nicht jedes dieser Geschäfte ist schlecht, aber alle verdienen sie Aufmerksamkeit." Und deshalb hat er sich aufgemacht zu Recherchen rund um die Welt, ins brasilianische Grasland, in afrikanische Sumpfgebiete, in den indonesischen Regenwald, zur Chicagoer Rohstoffbörse.
In einer Art Reisebericht schildert er seine Begegnungen. Das große Drama - für Pearce ist "Land Grabbing" das dringendste Menschheitsproblem - beschreibt er in vielen kleinen Dramen, ganz konkret: Er hat mit Kleinbäuerinnen und Ureinwohnern gesprochen, die von ihrem Land vertrieben wurden, die ihre Lebensgrundlage verloren haben. Er besuchte aber auch die andere Seite, die Mega-Farmen, sprach mit Farmmanagern, Verantwortlichen, auch mit milliardenschweren Besitzern. Und er lässt alle zu Wort kommen. Fred Pearce bleibt fair. Ja, er findet sogar einige positive Beispiele. Einen Farm-Manger mit "sachlicher Menschlichkeit" in Liberia etwa, von dessen Engagement im ehemaligen Bürgerkriegsland tatsächlich beide Seiten, der ausländische Investor und die Ortsansässigen, profitieren. Doch solche Positivbeispiele bleiben die Ausnahme: Meist geht es um schonungslosen Raubbau, Profitgier und Verträge mit korrupten Politikern. Der Südsudan ist ein Extrembeispiel: Noch vor dem Gründungsakt des neuen Staates waren zehn Prozent der Landfläche ans Ausland verscherbelt.
Getrieben, so Pearce, vom "Gespenst einer malthusianischen Katastrophe", also der Angst um die Ernährung der Weltbevölkerung, die durch die explodierenden Nahrungsmittelpreise und die folgenden Hungerunruhen 2007/2008 nochmals extrem befeuert wurde, gibt es zwei Arten von Investoren: Zum einen die Staaten, die um die zukünftige Ernährung ihrer Bevölkerung fürchten, da sie stark von Lebensmittelimporten abhängig sind. Allen voran sind hier mit riesigen Investitionen die in Petrodollars schwimmenden Golfstaaten, aber auch Länder wie Südkorea oder Ägypten zu nennen. Zum Anderen: Finanzjongleure, die in Brasiliens Grasland oder im Südsudan das nächste "große Ding" wittern. Und die durch die bekannten Finanzinstrumente, etwa Indexfonds, das große Agro-Business so portionieren, dass jeder einsteigen kann. Der Kleinanleger und der Pensionsfonds, gelockt mit großen Renditeversprechungen – gerade weil er schon vor der drohenden Katastrophe auf das knappe Gut Land gesetzt hat.
Wie aber ist die "große Katastrophe" zu verhindern? Müssen eine Milliarde Bauern und Hirten ihr Land aufgeben, um uns andere zu ernähren? Um das verbleibende fruchtbare Land großflächig und effizient bewirtschaften zu können, wie es einige Agrarexperten fordern? Fred Pearce verneint. Einleuchtend legt er dar, warum er nicht glaubt, dass von der industriellen Agrarwirtschaft im großen Stile die Lösung der Welternährung zur erwarten ist. Die Bekämpfung des Hungers, davon ist Pearce überzeugt, und dafür führt er plausible Argumente an, gelingt am besten durch die Förderung der Landwirtschaft im kleinen Stil - eine grüne Revolution mit den Kleinbauern, ganz ohne "Land Grabbing".
Besprochen von Philipp Schnee
Fred Pearce: Land Grabbing
Übersetzt von Gabriele Gockel und Barbara Steckhan
Antje Kunstmann, München 2012
400 Seiten, 22,95 Euro
Wie viel Land ist betroffen? Die Schätzungen reichen von 47 Millionen Hektar bis zu 227 Millionen Hektar, niemand weiß es genau, schreibt Fred Pearce. Denn viele Deals würden im Geheimen geschlossen, andere seien bisher unvollendete Ankündigungen. Der Autor, ein renommierter britischer Wissenschaftsjournalist, verurteilt diese "neuen Landnahmen" nicht pauschal, sein Credo ist: "Nicht jedes dieser Geschäfte ist schlecht, aber alle verdienen sie Aufmerksamkeit." Und deshalb hat er sich aufgemacht zu Recherchen rund um die Welt, ins brasilianische Grasland, in afrikanische Sumpfgebiete, in den indonesischen Regenwald, zur Chicagoer Rohstoffbörse.
In einer Art Reisebericht schildert er seine Begegnungen. Das große Drama - für Pearce ist "Land Grabbing" das dringendste Menschheitsproblem - beschreibt er in vielen kleinen Dramen, ganz konkret: Er hat mit Kleinbäuerinnen und Ureinwohnern gesprochen, die von ihrem Land vertrieben wurden, die ihre Lebensgrundlage verloren haben. Er besuchte aber auch die andere Seite, die Mega-Farmen, sprach mit Farmmanagern, Verantwortlichen, auch mit milliardenschweren Besitzern. Und er lässt alle zu Wort kommen. Fred Pearce bleibt fair. Ja, er findet sogar einige positive Beispiele. Einen Farm-Manger mit "sachlicher Menschlichkeit" in Liberia etwa, von dessen Engagement im ehemaligen Bürgerkriegsland tatsächlich beide Seiten, der ausländische Investor und die Ortsansässigen, profitieren. Doch solche Positivbeispiele bleiben die Ausnahme: Meist geht es um schonungslosen Raubbau, Profitgier und Verträge mit korrupten Politikern. Der Südsudan ist ein Extrembeispiel: Noch vor dem Gründungsakt des neuen Staates waren zehn Prozent der Landfläche ans Ausland verscherbelt.
Getrieben, so Pearce, vom "Gespenst einer malthusianischen Katastrophe", also der Angst um die Ernährung der Weltbevölkerung, die durch die explodierenden Nahrungsmittelpreise und die folgenden Hungerunruhen 2007/2008 nochmals extrem befeuert wurde, gibt es zwei Arten von Investoren: Zum einen die Staaten, die um die zukünftige Ernährung ihrer Bevölkerung fürchten, da sie stark von Lebensmittelimporten abhängig sind. Allen voran sind hier mit riesigen Investitionen die in Petrodollars schwimmenden Golfstaaten, aber auch Länder wie Südkorea oder Ägypten zu nennen. Zum Anderen: Finanzjongleure, die in Brasiliens Grasland oder im Südsudan das nächste "große Ding" wittern. Und die durch die bekannten Finanzinstrumente, etwa Indexfonds, das große Agro-Business so portionieren, dass jeder einsteigen kann. Der Kleinanleger und der Pensionsfonds, gelockt mit großen Renditeversprechungen – gerade weil er schon vor der drohenden Katastrophe auf das knappe Gut Land gesetzt hat.
Wie aber ist die "große Katastrophe" zu verhindern? Müssen eine Milliarde Bauern und Hirten ihr Land aufgeben, um uns andere zu ernähren? Um das verbleibende fruchtbare Land großflächig und effizient bewirtschaften zu können, wie es einige Agrarexperten fordern? Fred Pearce verneint. Einleuchtend legt er dar, warum er nicht glaubt, dass von der industriellen Agrarwirtschaft im großen Stile die Lösung der Welternährung zur erwarten ist. Die Bekämpfung des Hungers, davon ist Pearce überzeugt, und dafür führt er plausible Argumente an, gelingt am besten durch die Förderung der Landwirtschaft im kleinen Stil - eine grüne Revolution mit den Kleinbauern, ganz ohne "Land Grabbing".
Besprochen von Philipp Schnee
Fred Pearce: Land Grabbing
Übersetzt von Gabriele Gockel und Barbara Steckhan
Antje Kunstmann, München 2012
400 Seiten, 22,95 Euro