Programm nach Parteibuch?

Von Michael Meyer |
Der Einfluss der Parteien auf das öffentlich-rechtliche Fernsehen sei zu groß - nicht nur im ZDF, sagen Medienexperten. Auch die Aufsichtsgremien müssten reformiert werden. In Berlin diskutierten sie mit Politikern über Reformen.
"Bleiben Sie unabhängig" rief der damalige ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender seinen Journalisten zu – und habe damit schon vorzeitig um seine Entlassung ersucht. So scherzte die Satire-Sendung heute-show über die Causa Brender. Aber nach Scherzen ist vielen Rundfunkratsmitgliedern nicht: Im ZDF, aber auch anderswo, werden Leitungsjobs nach Parteibuch vergeben und nur selten rebelliert ein Rundfunkrat so eindeutig wie vor zwei Jahren der des MDR.

Dort versuchte die CDU den damaligen Chefredakteur der Leipziger Volkszeitung zum Intendanten zu wählen – doch das Gremium lehnte den als wenig kompetent erachteten Hilder zu zwei Dritteln ab. Eine krachende Niederlage für die sogenannten CDU-Freundeskreise, die es aber auf der politisch linken Seite auch gibt. In den Freundeskreisen der Gremien treffen sich Politiker und Vertreter der Verbände, die entweder auf der linken oder rechten Seite verortet sind. Bei diesen Treffen werden wichtige Entscheidungen - auch Personalentscheidungen - vorab besprochen und abgemacht. Diese Art Parteieinfluss müsse ein Ende haben, fordert der Kommunikationsrechtler Hubertus Gersdorf von der Uni Rostock:

"Es geht darum, dass diejenigen, die staatliche Funktionen wahrnehmen - das sind nicht alle, die im politischen Diskurs tätig sind, das ist nicht jeder Parteienvertreter, aber das ist jeder Vertreter einer Regierung, das ist jeder Vertreter eines Landtages, des Bundestags -, diese staatlichen Funktionsträger sollten in den Gremien nicht sitzen. Und das ist eine ganz einfache Sache, das ist durch Unvereinbarkeitsvorschriften sicherzustellen, dass diejenigen, die staatliche Ämter bekleiden, nicht zugleich in den Gremien sitzen."

Diese Meinung vertreten auch die Grünen, die sich an der Klage um den ZDF-Staatsvertrag nicht angeschlossen haben, weil sie ihnen nicht weit genug geht. Ex-Ministerpräsident Kurt Beck aus Rheinland-Pfalz will die Zahl der Parteienvertreter reduzieren, aber nicht gänzlich aus den Gremien ausschließen. Beck kritisiert auch die Praxis der sogenannten Freundeskreise, sagt aber:

"Es ist mir lieber, wenn man weiß, dass sich da ein paar Leute treffen, als wenn so getan wird, als hätte man überhaupt nix miteinander zu tun, alles wäre neutral, und jeder und jede weiß, dass sich solche Vorabsprachen bei wichtigen Fragen abspielen, dann irgendwo im versteckten Kämmerlein, davon halte ich gar nichts."

CDU-Freundeskreis macht gegen das Magazin "Frontal 21" mobil
Und dennoch sind auch Einflussnahmen auf das Programm immer wieder spürbar: Die CDU-Freundeskreise versuchen beispielsweise seit Jahren, das Magazin "Frontal 21" im ZDF ins Aus zu kritisieren – bislang ohne Erfolg. Doch wie kann ein sinnvolles Modell aussehen? Der Medienjournalist Fritz Wolf, der eine hundertseitige Studie über die Arbeit der Rundfunkgremien in Deutschland veröffentlicht hat, meint, dass man nicht alle Gremien über einen Kamm scheren kann, es gibt sehr unterschiedliche Modelle in den einzelnen Sendern. Mit mal weniger, mal mehr Politikern. Fritz Wolf betont:

"Ich denke, wir wären besser dran, wenn die Politik ihren in einigen Rundfunkgremien dominierenden Einfluss reduzierte. Wir brauchen aber genauso gut eine Bewegung von unten, eine Stärkung der Gremien, vor allem der gesellschaftlichen Gruppen. Also ich sehe das fast in dem Maße, in dem der Einfluss der Politik abnehmen sollte, müsste es gelingen, den Einfluss der gesellschaftlichen Gruppen zu stärken."

Mit anderen Worten: Es braucht auch neue Vertreter in den Gremien. Warum heute noch die Vereinigung der Opfer des Stalinismus im ZDF-Fernsehrat sitzt, ist nicht nachzuvollziehen, auch warum kein einziger Migrant oder ein Vertreter der Jugend dabei ist, kann die Medienpolitik nicht beantworten. Man müsse da wohl nacharbeiten, gibt Kurt Beck zu.

Es gibt aber noch ein anderes Problem: Eine Reihe von Gremienmitgliedern sind wenig kompetent beim Thema Medienrecht, Programmanalyse oder Zukunftsfragen, da müsste dringend mehr für Fortbildung getan werden, meint die Grünen-Medienpolitikerin Tabea Rösner. Und Fritz Wolf kritisiert, dass keiner der ARD-ZDF-Skandale, wie Schleichwerbung im "Marienhof", Veruntreuung im Kinderkanal oder die Betrügereien des Ex-HR-Sportchefs Jürgen Emig von den Gremien aufgedeckt wurden:

Wolf: "Wobei man sicher davon ausgehen muss, dass bestimmte Vorgänge in den Sendern gar nicht bei den Gremien vorbeikommen, und dass es den Gremien einfach auch an Mitteln, an Zeit und an Möglichkeiten fehlt. Also man darf sie auch nicht überschätzen. Aber tatsächlich ist schon der eine oder andere Fall, wo man sich fragt: Wo ist dann da eigentlich die Aufsicht gewesen?"

Das Bundesverfassungsgericht wird Anfang nächsten Jahres sicher nicht eine genaue Aufstellung liefern, welche Vertreter künftig in den ZDF-Fernsehrat entsandt werden sollen. Zu erwarten ist allerdings, dass der Einfluss der Parteien zurückgedrängt wird. Doch dazu bedarf es eines neuen ZDF-Staatsvertrags, und da ist der Ball wieder zurück bei der Politik.
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