Das Album "Satie" der Pianistin und Cembalistin Tamar Halperin erscheint am 13. Mai in der Reihe Neue Meister bei Edel Classics.
Satie als zeitgenössischer Kammer-Jazz
Wie würde Erik Satie heute klingen? Diese Frage hat die Cembalistin und Pianistin Tamar Halperin zu einem erfrischenden Projekt inspiriert. Zum 150. Geburtstag des französischen Komponisten hat sie ein Album aufgenommen – mit dezentem Einsatz von Electronics.
Sollte Erik Satie je in Mode gewesen sein, so ist er zumindest derzeit trotz seines runden Geburtstags etwas aus dem Blickfeld geraten. Das gilt auch für sein wohl berühmtestes Stück, die "Gymnopédies", wenngleich das 1888 komponierte Stück häufig in der Wellness- und Esotherik-Werbung zum Einsatz kommt.
Satie wird ganz zu Unrecht selten gespielt, meint auch Tamar Halperin. Die für ihre Grenzgänge bekannte Cembalistin und Pianistin hat aus dem umfangreichen Oeuvre des Franzosen eine Auswahl von 18 Stücken getroffen und sie gegen den Strich gebürstet. Entstanden ist ein aufregendes Album, das den humorvollen, doch zuweilen etwas mechanischen Kompositionen des Franzosen unerwartete Aspekte abringt.
Sehr persönliche Auswahl
Die Auswahl der Stücke hat Tamar Halperin sehr subjektiv getroffen. Sie hat versucht, Stücke, die gleich klingen, zu vermeiden, und – viel wichtiger – sie hat artverwandte Kompositionen mit unterschiedlichen Instrumenten gespielt. Das gilt auch für "Gnossienne" oder die "Pièces froides", die mal auf dem Klavier und dem Cembalo, mal mit dem Glockenspiel, der Hammond-Orgel oder dem Wurlitzer interpretiert werden. Durch diese Vielfalt ist ein sehr abwechslungsreiches Klangbild entstanden.
Doch am wichtigsten waren nicht Auswahl und Instrumente, sondern der behutsame Einsatz von Electronics. Ein gelungener Kunstgriff, den Tamar Halperin mit dem Toningenieur Guy Sternberg ausgeheckt hat:
"Ich arbeite lieber im Team als solo. Die Person, an die ich zuerst bei einer Zusammenarbeit dachte, war Guy Sternberg, der schon mein Album mit dem Pianisten Michael Wollny produziert hatte. Ich kenne Guy schon seit ewigen Zeiten. In Israel waren wir auf derselben Musikschule. Im Dezember haben wir uns dann hier in meinem Studio getroffen und haben überlegt, was für ein Album wir machen möchten und wie der Sound klingen soll. Es gibt ein Wurlitzer- und eine Hammond-Orgel und viele elektronische Interferenzen im Hintergrund – kleine Geräusche und Klänge, kleine Unebenheiten. Mal fehlt hier ein Klang, mal ist dort ein leises Knistern der Kabel im Hintergrund hörbar."
Strikt an die Noten gehalten
Durch diese Spielereien wirken Saties Kompositionen zuweilen wie zeitgenössischer Kammer-Jazz. Tamar Halperin versichert hingegen, sich strikt an die Noten gehalten zu haben, dabei hätte sie doch zu improvisieren und - als Bachspezialistin - durchaus mit einem Continuo umzugehen gewusst. Dass sie Improvisieren kann, hat sie auch bei ihrem Echo-gekrönten "Wunderkammer"-Projekt mit dem Jazzpianisten Michael Wollny bewiesen. Auch bei Saties "Desespoire Agreable" folgt die Musikerin den Noten. Satie hatte diese "Kontrapunkt-Etüde" als 38-Jähriger während seines Studiums an der Schola Cantorum in Paris komponiert.
Hier kommt Tamar Halperin ihr gediegener Bach-Hintergrund zugute.
"Ich habe das Stück mit einer Barock-Ästhetik in Kopf gespielt. Satie kontrapunktisch zu spielen, hat sehr viel Spaß gemacht. Da hat mir mein Bach-Training gute Dienste erwiesen. Überhaupt habe ich nicht viel improvisiert, auch wenn Saties Kompositionen sehr offen notiert wurden. Nur dort, wo ich mich bei den Arrangements frei fühlte, habe ich im Hintergrund Beats oder verzerrte Klänge des Glockenspiels hinzugefügt, selbst wenn die Stücke ursprünglich für Klavier geschrieben wurden."
Bach zu spielen ist für Tamar Halperin zu so etwas wie Heimat in der Fremde geworden. Die Israelin spielt den Thomaskantor, seit sie ein Kind ist. Ursprünglich wollte sie mal Tennis-Profi werden, doch davon blieb nicht viel übrig außer einer knallharten linkshändigen Vorhand. Und natürlich ihrem Hund – mit Namen "Steffie Graf".
Statt Tennis studierte Halperin dann Musik in Tel Aviv, zog nach New York und Basel und lebt heute mit ihrer Tochter Alma und ihrem Mann, dem Countertenor Andreas Scholl, im Winzerdorf Kiedrich in der rheinhessischen Provinz. Das scheint fernab der Welt. Doch musikalisch ist der Ort dieser Tage ein Hotspot: So frisch muss Erik Satie auch vor 150 Jahren geklungen haben.