Projekt "Seekuh"

Müllsammler auf hoher See

Plastikmüll am Strand von Dakar, Senegal. Im Vordergrund sitzt eine magere Katze
Die Strände einiger Städte und Inseln versinken geradezu in Müll. © Picture Alliance / dpa / EPA / Nic Bothma
Von Dietrich Monhaupt, Landesstudio Kiel |
Rund zehn Millionen Tonnen Plastikmüll landen jährlich in den Weltmeeren. Um wenigstens einen kleinen Teil wieder einzusammeln, hat der Verein "One Earth – One Ocean" ein spezielles Müll-Sammelboot entworfen. Das wird derzeit in Lübeck gebaut.
Laut ist es in der Werfthalle am Traveufer – mit einer Schleifscheibe glättet ein Arbeiter eine Schweißnaht an einem der beiden Rümpfe der "Seekuh". Jeweils zwölf Meter lang sind diese Schwimmkörper aus seewasserbeständigem Aluminium – dazwischen wird später die Netzkonstruktion hängen, mit der die Plastikabfälle aus dem Meer gefischt werden sollen. Das funktioniert wie ein Schaufelbagger, erläutert Werftchef Till Schulze-Hagenest.
"Das ist so eine große Schaufel, die halt in dem Fall einfach zwischen diesen Katamaran-Rümpfen abgesenkt wird und eben aus einem Netz besteht – also aus einer Rahmenkonstruktion und einem Netz – und dann eben den Plastikmüll aus dem Meer fischt … oder schaufelt, wenn man so will."
Ein Plastikmüll-Schaufelbagger – die Idee dazu war dem Vorsitzenden des Vereins "One Earth – One Ocean", Günther Bonin, vor einigen Jahren im Nordpazifik gekommen.
"Also – ich hatte die Ehre ein uraltes Schiff, die 'Samarkand', von Vancouver Island nach San Diego zu überführen, und wir sind in so einen Müllteppich reingefahren von einem Schiff, das waren Küchenabfälle. Es hat mich immer schon gestört – seit meinem 18. Lebensjahr segle ich alleine auf dem Mittelmeer, Atlantik, Pazifik, überall rum – und habe dann gesagt: Da muss man mal was machen."
Gemeinsam mit dem Kieler Ingenieur Dirk Lindenau und der Lübecker Werft entwickelte er daraufhin die "Seekuh". Was derzeit noch in halbfertigen Einzelteilen in der Werfthalle liegt, soll künftig vor allem vor Entwicklungsländern in den Mündungsbereichen von Flüssen und vor großen Küstenstädten auf die Jagd nach Plastikabfällen gehen – denn, so Dirk Lindenau:
"80 Prozent des Abfalls, der jährlich in die Meere gelangt, stammt von Land, und das liegt vor allem daran, dass die meisten 'armen' Länder sich so eine moderne Abfallwirtschaft, wie wir sie in Deutschland haben, einfach nicht leisten können. Und da habe ich gesagt: Das kann doch nicht sein, wir kommen aus einem Land, in dem wir eine tolle maritime Industrie haben, aber wo wir auch eine international anerkannte Umweltindustrie haben – können wir das nicht irgendwie zusammenbringen, um auch dann wieder daraus neue Produkte für den Rest dieser Welt zu machen?"
Überall einsetzbares Müllboot
Genau das soll die "Seekuh" sein – eine echte Innovation, Kostenpunkt: etwa eine Viertelmillion Euro. Ganz wichtig: Die "Seekuh" wird extrem mobil sein – zunächst soll sie in heimischen Gewässern Plastikmüll aufspüren und einsammeln, später überall auf der Welt. Deshalb ist sie zerlegbar, erläutert Günther Bonin.
"Wir können die in einen Container tun und in drei Wochen ist die in Rio oder in Jakarta oder in Kapstadt. Wir wollen erst mal natürlich hier in der Ostsee zeigen, dass es geht! Wir haben ein Infrarotspektrometer, da sehen wir sofort, welche Arten von Plastik denn da sind – und: Wir können natürlich selber pro Fahrt bis zu zwei Tonnen Plastik aufnehmen. Das wird uns hier in der Ostsee nicht unbedingt passieren, aber nehmen wir mal Kambodscha – da könnten wir mehrmals zwei Tonnen am Tag rausholen."
Günther Bonin, Vorsitzender des Umweltschutz-Vereins "One Earth - One Ocean", steht auf einer Werft in Lübeck neben dem Rohbau eines Rumpfes für das Müllsammelschiff "Seekuh".
Günther Bonin, Vorsitzender des Umweltschutz-Vereins "One Earth - One Ocean", steht auf einer Werft in Lübeck neben dem Rohbau eines Rumpfes für das Müllsammelschiff "Seekuh".© picture alliance / dpa / Christian Charisius
Die "Seekuh" ist aber nicht nur als Müllsammler, sondern auch als Forschungsschiff konzipiert. Mit an Bord werden deshalb Taucher und der Mikrobiologe Rüdiger Stöhr sein. Er wird sich um die Wasserproben kümmern, die z.B. bei den bereits im Sommer geplanten Testfahrten in der Ostsee entnommen werden und gleich an Bord analysiert werden sollen.
"Die Idee dabei ist, dass durch die ganze Wassersäule Proben genommen werden können – vom Sediment bis eben an die Oberfläche mit den Netzen. Wir möchten auf die Art und Weise ein Bild praktisch über Transekte, also Abschnitte der Ostsee, gewinnen, um damit auch Abschätzungen machen zu können, wie viel Kunststoff in der Ostsee ist und welche Kunststoffe es sind."
Diese Daten sollen auch Grundlage sein für ein weiteres Projekt, das Dirk Lindenau und Günther Bonin bereits im Kopf haben – der "See-Elefant". Das soll ein weitaus größeres Schiff werden, dass mehr Müll einsammeln und vor allem gleich an Bord wiederverwerten kann – Details zu diesem Projekt sollen in Kürze vorgestellt werden.
Keine Chance gegen Mikroplastik
Natürlich seien solche Müllsammler nur eine Notlösung – viel wichtiger sei es, künftig dafür zu sorgen, dass nicht mehr so viel Kunststoffabfall überhaupt in die Ozeane gelange, betont Günther Bonin. Und: Gegen das sogenannte Mikroplastik in den Meeren könne man gar nichts mehr tun, danach zu fischen, sei nicht sinnvoll, sondern eher schädlich, weil man damit auch z.B. Mikroorganismen wie Plankton und Algen aus dem Wasser holen und damit die Lebensgrundlage zahlreicher Meeresbewohner zerstören würde.
Die "Seekuh" sammle deshalb auch nur sichtbare Müllpartikel ab einer Größe von mindestens zwei Zentimetern ein.
"Das Mikroplastik ist einfach verloren – das können wir nicht mehr rausholen, das ist einfach weg. Aber wir können an den Konzentrationsstellen – 80 % des Plastikmülls kommt eigentlich aus den Flüssen… und wenn wir da reingehen und den sichtbaren Kunststoff, den Müll, sofort rausholen in den nächsten Jahren mit Hilfe der Menschen, die da wohnen, mit Hilfe von den Fischern, dann sind wir ein großes Stück weiter."
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