Protest gegen Fracking in Nordhessen

Von Andre Zantow |
Die umstrittene Förderung von Schiefergas ist in Hessen zum Wahlkampfthema geworden. In von Fracking-Plänen betroffenen nordhessischen Gemeinden gehen die Bürger auf die Barrikaden - und haben bei der Politik offenbar Gehör gefunden. Aber bleibt das auch nach der Wahl so?
Gute Stimmung vor der Gaststätte in Breuna. Obwohl der Anlass ernst ist: Die Einwohner der hessischen Gemeinde nahe Kassel gehören zu den härtesten Fracking-Gegnern in Deutschland. Jeder dritte Einwohner unterstützt den Protest gegen den kanadischen Konzern BNK, der in Nordhessen Schiefergas aus tiefen Gesteinsschichten pressen will.

"Früher hat man die aus den Dörfern gejagt. Ja, sollte man heute wieder machen. Die Brunnenvergifter. Da müsste man heute wieder hin."

"Unser höchstes Gut ist ja die Natur hier. Das kann man nicht einsehen, dass das nur wegen kommerziellen Interessen aufs Spiel gesetzt wird."

Elke Uloth und ihr Mann Gustav gehören zur Bürgerinitiative "Fracking freies Hessen". Die hat sich vor einem Jahr gegründet – gut 15.000 Mitglieder hat sie bisher - allein 1400 in Breuna und Umgebung. Die hiesigen Unterschriften sollen nun feierlich an den Reporter der Lokalzeitung übergeben werden.

Reporter: "Und der Kleine kommt mal hier nach vorne."

Für das Gruppenfoto geben die Mütter ihren Kindern einen Aufkleber in die Hand. Der sieht aus wie ein gelbes Ortsschild mit der Aufschrift "Hessen", darunter das Wort "Fracking", mit Rot durchgestrichen.

Angst um die Zukunft der Kinder
Der Aufkleber backt auch auf dem dicken Ordner von Thomas Rumpf. Der Altenpfleger hat hier die Unterschriften abgeheftet:

"Ich hatte große Sorge um das Trinkwasser, um die Gesundheit von uns allen. Weil große Giftstoffmengen in das Wasser gebracht werden, wo letztendlich niemand weiß was damit passiert in der Erde."

Thomas Rumpf ist aufgebracht, sein Gesicht rot. Alles sei nun in Gefahr: die Zukunft seiner beiden Kinder, das Haus. Verantwortlich: die kanadische Förderfirma BNK. Die hat im Frühjahr 2012 erklärt, sie wolle in Nordhessen Erkundungen anstellen: Wo gibt es Gas in tiefen Gesteinsschichten. Anfangs signalisiert die schwarz-gelbe Landesregierung Zustimmung. Bis sich der Bürgerprotest organisiert. Dann gibt das CDU-geführte Umweltministerium zwei Gutachten in Auftrag, die zur Ablehnung dieses Erkundungsantrages beitragen.

Vertrauen bringt das nicht:

"Ich würde nie sagen, ich würde die CDU, SPD, Grünen wählen. Ich werde auf keinen Fall Parteien wählen, die uns das hier einbrocken wollen."

Fracking fällt ins Bergrecht – also ein Bundesgesetz – und auf Bundesebene fordern nur Piraten und Linkspartei ein Fracking-Verbot ohne Abstriche. Von den Grünen ist die Bürgerinitiative "Fracking freies Hessen" enttäuscht, weil sie die Technologie zwar ablehnt, aber nicht für ein komplettes Verbot eintritt. Auch Hessens Ministerpräsident Bouffier, CDU will die Technik nicht verbieten. Sein Koalitionspartner, die FDP, geht noch weiter und fordert Analyse und Tests. Die könnten auch in Breuna erfolgen.

Ein grüner Traktor fährt durch die Gemeinde, es regnet stark. Das kümmert die Rinder in Rhöda nicht. 60 Einwohner hat das Dorf. Und 60 haben unterschrieben gegen Fracking, überzeugt hat sie im Alleingang August Liese:

"Wir haben so eine gute Natur. Und hier eine gute Gegend, und warum sollen wir jetzt sowas machen? Und da sind wir alle dagegen."

August Liese ist 77 Jahre alt. In Rhöda hat er sein ganzes Leben verbracht, als Landwirt – 110 Hektar – mit Milchvieh und Getreide. Inzwischen hat sein Sohn den Hof übernommen. So konnte der Rentner innerhalb von zwei Tagen an jeder Tür im Dorf klopfen.

Auch bei Günter Merkel:

"Das Fracking schafft uns Probleme mit unserem Wasser. Das ist ja bekannt – in Amerika. Da hat man diese Chemie in den Boden gepumpt und da ist teilweise aus den Wasserhähnen Feuer raus gekommen. Wasserqualität war schlecht, war nicht mehr genießbar. Und da haben wir unterschrieben. Er hat gesagt, unterschreibe, das ist wichtig für unsere Zukunft."

In der Vergangenheit, in den 80er-Jahren, haben sich die Menschen in Nordhessen schon mal erfolgreich gegen eine Atommüll-Aufbereitungs-Anlage gewehrt. Nun eben Fracking. Die Landespolitik steht weitgehend hinter ihnen. Zumindest bis zum Wahltag.

Mehr zum Thema bei dradio.de:
Hessens Politik streitet um Fracking-Verbot - Bürgerinitiativen rüsten sich für bundesweiten Protest gegen umstrittene Gasförderung, (DLF, Umwelt und Verbraucher)

Linktipp:
Korbacher Resolution gegen Fracking - Aufruf der Bürgerinitiativen auf openpetition.de
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