Protest gegen "Gentrifizierung"

Von Oliver Soos |
Linksautonome Aktivisten trafen sich bei den "Action Weeks" in Berlin und versuchten zuletzt, den Flughafen Tempelhof zu besetzen. Sie sehen in der Vertreibung ärmerer Mieter aus einigen Berliner Stadtteilen eine Aggression. Manche von ihnen antworteten mit Brandanschlägen.
Meist genügt ein Stück Grillanzünder auf dem Autoreifen. Erst qualmt das Gummi ein wenig, doch bald steht der gesamte Wagen in Flammen. Seit Anfang des Jahres wurden in Berlin mehr als 170 Fahrzeuge angezündet, mindestens ein Dutzend in den letzten 14 Tagen während der sogenannten "Action Weeks".

Diese "Autonomen Aktionswochen" werden von einem Bündnis verschiedener linker Gruppierungen in Berlin organisiert. Wer im Einzelnen dahintersteckt, ist schwer nachzuvollziehen. Die Gruppen eint der Protest gegen die sogenannte Gentrifizierung bestimmter Berliner Bezirke. In einer Pressemitteilung der "Action Weeks"-Organisatoren heißt es:

"Nach wie vor werden viele Menschen durch Aufwertung von Stadtteilen aus diesen verdrängt. Um sich dagegen zur Wehr zu setzen ruft die anarchistisch strukturierte 'Wir bleiben alle'-Kampagne zu den Aktionswochen auf."

Die Aufwertung von Stadtteilen entsteht durch Restaurierung und Umbau. Vor allem in Friedrichshain-Kreuzberg sind viele Wohnungen attraktiver und teuerer geworden. Dadurch hat sich die Bevölkerungsstruktur dort verändert. Eine Entwicklung, die Linksaktivisten wie Marc Schreiber ein Dorn im Auge ist:

"Der soziale Frieden ist einfach bedroht, durch die Erhöhung der Mieten in Friedrichshain-Kreuzberg. Leute, die da in den Kiezen wohnen, können sich die Mieten nicht mehr leisten. Und das ist auch eine Form von Gewalt, wie sie einfach vertrieben werden."

Und Gewalt erzeugt bekanntlich Gegengewalt, nach diesem Prinzip handeln viele Randalierer. Immer wieder tauchen zu den brennenden Autos Bekennerschreiben auf und immer wieder heißt es da: Die Straftat sei eine Reaktion auf die Verdrängung von ärmeren Mietern durch Reichere. Und schließlich seien die Aktionen gegen teure Autos wohlhabender Menschen gerichtet.

Solche Gewalttaten sind in der linken Szene umstritten. Sie werden aber auch von vielen geduldet, wie der Sprecher der Berliner Antifa Sebastian Lorenz offen zugibt:

"Unseres Erachtens ist es wichtig zu erklären, warum so etwas passiert. Das kommt nicht aus dem luftleeren Raum. Das sind auch keine Psychopathen, wie vor Kurzem der Innensenator behauptet hat. Wir haben das Problem, dass es in Berlin, wie in kaum einer anderen Stadt, soziale Probleme gibt."

Die "Action Weeks" endeten an diesem Wochenende in Berlin-Tempelhof, wo etwa 2000 Demonstranten vergeblich versuchten, das abgesperrte ehemalige Flughafengelände zu besetzen. Die Aktivisten protestierten gegen eine kommerzielle Bebauung des Geländes und forderten eine Öffnung des Areals für die Bürger.

"Das ist eine Menge Hektar, was sie absperren und was wir gar nicht nutzen können. Jeder möchte auf jeden Fall das freie Land, was ihm zusteht auch nutzen. Auf jeden Fall wäre es einfach dumm, wenn man einmal in einer Stadt wie Berlin so eine große Freifläche zur Verfügung hat, irgendetwas hinzubauen, was nicht allen Leuten nützt."

Das Gespräch zum Thema mit Dieter Rucht, Soziologe und Politikwissenschaftler am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, können Sie mindestens bis zum 22.11.09 als MP3-Audio in unserem Audio-on-Demand-Player nachhören.