Protest gegen geplante Erinnerungsstätte

Ein unbequemes Denkmal auf dem Bückeberg

Massenveranstaltung während der NS-Diktatur: Die Bevölkerung mit zum Hitlergruß erhobenem rechten Arm beim Aufmarsch der Fahnen während einer Erntedankfeier auf dem Bückeberg bei Hameln (undatiert)
Massenveranstaltung während der NS-Diktatur: Die Bevölkerung mit zum Hitlergruß erhobenem rechten Arm während einer Erntedankfeier auf dem Bückeberg © picture-alliance / dpa
Von Alexander Budde |
Hier inszenierten die Nationalsozialisten sogenannte "Reichserntedankfeste": Bernhard Gelderblom, Historiker aus Hameln, will auf dem Bückeberg einen Dokumentationsort einrichten. Aber nicht alle Anwohner unterstützen diese Art Aufarbeitung der Vergangenheit vor ihrer Haustür.
"Die Leute kamen zum Teil im Morgengrauen. Singend marschierten sie als 'Volksgemeinschaft' hier zum Bückeberg."
Am Bückeberg, ein grasgrüner Hügel, krächzen an diesem Morgen nur die Krähen. Von hier, wo der Hang sanft in die beackerte Ebene übergeht, zieht sich die von Bäumen gesäumte Wiese wie in Hufeisenform 800 Meter hinauf bis zum Gipfel.
"Das Gelände bot sich an, es hat fast eine Theaterform. Ein Abhang, auf dem die Leute stehen, und dann hier unten eine Rednertribüne. Es gibt den Vorschlag, da einen Schriftzug 'Propaganda' aufzustellen. Das ist noch in der Diskussion, ob das eine glückliche Formulierung ist."
Denn die Menschen ließen sich gern begeistern, sagt Bernhard Gelderblom. Der 74-Jährige trägt Schirmmütze, Windjacke, Jeans, die Füße des 74-Jährigen stecken in Wanderstiefeln. Er sei oft hier, erzählt er. Die Vergangenheit dieses Ortes treibt ihn dazu an.
"Hitler badete in der Menge. Die Stimmung war rauschartig. Das ist aber auch zu verstehen: Wer an so einem Fest teilnimmt, der kann sich ihm nicht entziehen."

Dokumente gesichtet, mit Zeitzeugen gesprochen

Der Historiker hat Dokumente gesichtet, mit Zeitzeugen gesprochen, immer wieder auch Schulklassen auf das rund 20 Fußballfelder große Gelände geführt. Für ihn ist der Bückeberg von nationaler Bedeutung, vergleichbar mit Erinnerungsstätten wie dem Reichsparteitagsgelände in Nürnberg:
"Hier ist der Ort, wo die Begeisterung für das Regime, auch letztlich dann die Bereitschaft, Hitler bis in Verbrechen hinein zu folgen, grundgelegt wurde."
Der geduldige Tonfall des pensionierten Gymnasiallehrers täuscht. Tief in ihm brodelt es, denn der Bückeberg steht zwar unter Denkmalschutz, aber über die historischen Hintergründe von 1933 bis 1937 erfährt der Besucher nichts:
"Dieser Ort tut sich außerordentlich schwer mit diesem Erbe, er möchte es eigentlich nicht antreten. Und er hat deswegen versucht, diese Tribünen verschwinden zu lassen."

Überwucherte Fundamente als letzte Spuren

Etwas außer Atem kommt der Forscher auf dem Gipfel an und zeigt auf die letzten Spuren der einstigen Nutzung – die Beton-Fundamente der Ehrentribüne, überwuchert von Bäumen, angepflanzt von der Gemeinde Emmerthal.
Ein Foto eines Modells aus dem Jahre 1934, zeigt das Gelände auf dem Bückeberg in Emmerthal bei Hameln, auf dem die Erntedankfeste der Nationalsozialisten gefeiert wurden. Auf einer Fläche so groß wie 25 Fußballfelder feierten die Nationalsozialisten hier auf dem Bückeberg bei Emmerthal von 1933 bis 1937 ihre Erntedankfeste. Bis zu eine Million Menschen aus ganz Deutschland kamen jedes Jahr in den Landkreis Hameln. 
Ein Foto eines Modells aus dem Jahre 1934 zeigt das Gelände auf dem Bückeberg in Emmerthal bei Hameln. © picture-alliance / dpa / Peter Steffen / Bernhard Gelderblom
Gelderblom leitet das Projekt, das den Schauplatz der Massenfeste nunmehr als eine Art Großexponat wieder sichtbar machen soll. In einem Wettbewerb ist das Konzept für die Umwandlung des Bückebergs in einen Lernort entstanden: Wegenetz, Schautafeln mit Texten und Fotografien – gegen diese seit Jahren diskutierten Pläne wächst in der Region aber der Widerstand.
Timo Schriegel, Inhaber eines Fahrradladens, ist Mit-Initiator eines Bürgerprotests. Hunderte Bewohner der Gemeinde Emmerthal haben sich seiner Unterschriftenaktion angeschlossen. Die Gegner streiten vor allem über die Kosten: schätzungsweise 450.000 Euro, die sich Landkreis und Stiftung niedersächsische Gedenkstätten teilen wollen. Er habe nichts gegen politische Bildung am Bückeberg, betont Schriegel. Aber die gewählte Form hält er für "maßlos" und "nicht zeitgemäß":
"Das ganze Konzept ist meiner Meinung nach nicht durchdacht! Das Denkmal ist für eine junge Generation. Ich bin 35, so mitten im Leben, aber, die wir da holen wollen, sind noch viel Jüngere. Wie holen die sich die Informationen? Nicht auf dem Weg, dass sie einen Berg hoch und runterlatschen!"

Was sind die Motive der Gedenkstätten-Gegner?

Zurück auf dem Gipfel des Bückebergs. Bernhard Gelderblom trifft dort zufällig auf zwei junge Leute. Verena Richter, Politikstudentin aus Tübingen, und ihr Freund, ein Unternehmensberater aus den USA. Im Internet sind sie auf Gelderbloms Studien zum Bückeberg gestoßen – und wollen sich selbst einen Eindruck machen. Schnell kommt das Gespräch auf die Proteste. Gelderblom bezweifelt, dass Geld das einzige Motiv der Gegner ist. Er fühlt sich an die klassischen Abwehrreflexe der Zeitzeugengeneration erinnert:
"Das ist für mich eigentlich rätselhaft! Weil an diesem Ort keine Verbrechen passiert sind."
Der Kreistag könnte das Projekt noch kippen. Doch Gelderblom hofft trotzdem auf die Einsicht aller Beteiligten:
"Ich glaube, das ist einfach nicht ersetzbar, der originale Ort. Wir müssen die jungen Lehrer ermutigen, hier doch am Ball zu bleiben!"
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