Tiefer Riss zwischen Kultur und Politik in Israel
Das neue Nationalstaatsgesetz Israels wird heftig kritisiert. Kulturschaffende protestierten nun mit einer Petition dagegen, berichtet Korrespondent Tim Aßmann aus Tel Aviv: Große Namen wie Amoz Oz und David Grossman gehören zu den Unterzeichnern.
Mit einer Petition protestieren israelische Kunst- und Kulturschaffende gegen das neue Nationalstaatsgesetz. Zu den Kritikern gehören renommierte Schriftsteller wie Amos Oz, David Grossman und Etgar Keret. Protest gibt es außerdem von arabischen Abgeordneten in Israel, von der EU und von internationalen Künstlern wie Daniel Barenboim, der mit Blick auf das Nationalstaatsgesetz sagte, er schäme sich, Israeli zu sein.
Charakter des Staates als jüdisch definiert
In der Petition wird Premierminister Benjamin Netanjahu aufgefordert, das Gesetz zurückzunehmen. Die Kritik richte sich dabei vornehmlich dagegen, dass Hebräisch künftig die einzige offizielle Landessprache Israels ist. Bisher war auch Arabisch als Landessprache anerkannt, nun soll sie nur noch einen Sonderstatus bekommen, der aber überhaupt nicht näher definiert sei, so Tim Aßmann.
Außerdem werde der Charakter des Staates generell als jüdisch definiert werde. Ein Beispiel dafür sei die im Gesetz verankerte Förderung von jüdischen Wohngebieten. Die Nicht-Juden sehen darin eine Diskriminierung, erklärt Aßmann:
"Insgesamt muss man sagen, definiert dieses Gesetz den Charakter des Staates nach religiösen Kriterien, nach keinen anderen. Es hat den Status eines Grundgesetzes und ist damit für viele nicht-jüdische Israelis letztlich das In-Stein-Meißeln von etwas, das sie sowieso schon im Alltag spüren, nämlich Diskriminierung. Das ist auch das, was einem die Leute oft sagen, 'Ja, wir haben auch bisher als Nicht-Juden in diesem Land Nachteile, aber nun wird es offiziell.'"
Das mache das Gesetz in den Augen seiner Kritiker so gefährlich macht. Die Petition der Kritiker finde in der israelischen Öffentlichkeit bisher jedoch ein eher "indifferentes" Echo, berichtet Aßmann. Auch wenn es Proteste von Kulturschaffenden und Politikern gibt, Petitionen unterschrieben und Klagen eingereicht werden, auf der Straße gäbe es bei den jüdischen Israelis ein "rhetorisches Schulterzucken". Das liege wiederum daran, dass das Gesetz zwar wahrgenommen werde, aber vage formuliert sei. Zudem falle die Einführung des Gesetzes in die Sommerpause des israelischen Parlaments. Dennoch könne man die jetzigen Proteste als Beginn einer größeren Welle sehen:
Zwei Klassen von Bürgern
"Es gab bereits erste Demonstrationen unter anderem in Tel Aviv, es soll weitere, größere geben, nicht nur der Bevölkerungsgruppen der Araber und der Drusen, die sich hier benachteiligt sehen, sondern eben auch unter Einbindung anderer Gruppen im Land. Es hat Rücktritte gegeben von drusischen Offizieren in der Armee, die gesagt haben, wir sind jetzt hier Bürger zweiter Klasse, wir wollen hier nicht länger dienen. Sogar der Staatspräsident hat das Gesetz kritisiert. Ich glaube, dass wir jetzt erst den Anfang des Protestes erleben und dass aus diesen ganzen einzelnen Stimmen ein sehr lauter Chor werden könnte."
Unter den Kritikern ist auch der Historiker Yuval Noah Harari, Autor des Bestsellers "Eine kurze Geschichte der Menschheit". Er hatte seine Teilnahme an einer Veranstaltung des israelischen Konsulats in Los Angeles abgesagt. Er sei stolz darauf, ein Israeli zu sein, aber das Konsulat sei der verlängerte Arm einer Regierungspolitik, die die Presse-und Meinungsfreiheit einschränke.
Kritik ist nicht erwünscht
Für Tim Aßmann ist besonders der Protest des Historikers ein Symbol für den "grundsätzlichen Konflikt den Israels Kulturszene schon sehr, sehr lange mit dieser Regierung hat." So habe die zuständige Ministerin für das Kulturleben in Israel, Miriam Regev, schon länger einen harten Kurs gegen die israelische Kulturszene gefahren, indem sie Theatern und anderen Kultureinrichtungen, die sich weigerten, in jüdischen Siedlungen in besetzten Gebieten aufzutreten, die Förderung gekürzt hat. Aber auch internationale Stars stellen sich gegen die israelische Regierung. So verweigerte Natalie Portman, die in Jerusalem geboren wurde, einen gemeinsamen Auftritt mit Premierminister Benjamin Netanjahu bei einer Preisverleihung, weil die Schauspielerin nicht mit ihm auf einer Bühne stehen wollte.
Auch wenn die Unterzeichner der Petition nicht im Einzelnen mit Konsequenzen rechnen müssen, so ist Kritik an der Politik der rechts-religiösen Regierung nicht gewünscht und somit, erklärt Tim Aßmann, wird das Klima eisig bleiben.