Wutbürger gegen Schweinestall
In einem kleinen Ort in Niedersachsen wünscht sich ein Bauer einen größeren Stall für die Schweinemast - damit sein Betrieb weiter rentabel wirtschaften kann. Doch bei den Bürgern der Umgebung stoßen die Pläne auf Widerstand.
"Also da vorne, wo wir jetzt gerade drauf zu gehen, da ist unser Sauenstall, da werden unsere Ferkel gezeugt, die wir denn zum größten Teil fast alle selber aufziehen und mästen...."
Auf den ersten Blick scheint die Welt bei den Beckers noch in Ordnung. Eine schöne Hofanlage aus rotem Backstein in Meilsen in der Nordheide, südlich von Hamburg, alter Baumbestand, hinten ein Stall, zur Hofseite ein kleiner Eingang, nur verschlossen mit mit einem Gittertor. Heinz und Stefan Becker, Vater und Sohn, zeigen auf ihre Tiere: Einige der Schweine liegen herum, andere beschäftigen sich mit den Ketten, die von den Decken des Stallgebäudes herunterhängen, wieder andere kommen nach vorn, um die Besucher da draußen zu inspizieren.
"Das sind jetzt die Sauen, die müssen sich seit neuestem, wenn sie nicht gerade ferkelführend oder gerade gedeckt sind, frei bewegen dürfen, werden in Gruppen gehalten, die haben hier Auslauf, nebenan ist der Stall, wo die Ruhezone ist, und hier bewegen sie sich."
Ein paar Meter vom Sauenstall entfernt ist der für die Ferkel. Der Stall ist verschlossen; die Ferkel stehen auf Spaltenböden, nach draußen kommen sie nie.
"Und hier zeige ich Ihnen mal einen Ferkelaufzuchtstall, so wie er bei uns aussieht."
110 Tage ist ihr Leben lang, dann werden sie geschlachtet.
"Hier sind 100 Tiere drin insgesamt, aufgeteilt in acht Gruppen."
Früher kamen regelmäßig Kindergartengruppen aus der Umgebung, um sich die kleinen Schweine zeigen zu lassen, erzählen die Landwirte. Heute aber liegen im Kindergarten Unterschriftenlisten aus, gegen die geplante Betriebserweiterung bei den Beckers.
Denn Vater und Sohn Becker wünschen sich mehr Platz für ihren Betrieb. Schließlich muss der zukunftssicher werden, sagen sie. Zu den bestehenden rund 200 Ferkelaufzuchtplätzen und den 400 Plätzen für die Mastschweine sollen in einem außerhalb der alten Hofanlage neu gebauten Stall 1080 weitere Tiere kommen. Das Problem ist allerdings der gewünschte Standort dieses Bauvorhabens: mitten im Landschaftsschutzgebiet.
Bei den Bürgern der Umgebung stoßen die Beckerschen Pläne auf heftigen Widerstand. Ein Maststall dort passt nicht zu ihrem Verständnis von Tier- und Umweltschutz.
"Ein Grund ist: Wie stehe ich gegenüber meinen Enkeln da und meinen Kindern, die hier, wo meine Tochter hier wohnt. - Ja. - Wenn ich es einfach hinnehme, dass so eine Dreckschleuder, muss man eigentlich sagen, hier vor unserer Haustür gebaut wird."
Der Stuvenwald, Teil dieses Landschaftsschutzgebiets, ist beliebt bei Wanderern und Radfahrern, bei Reitern und Hundebesitzern. Auch das Rentner-Ehepaar Dagmar Schaller-Wolf und Lothar Schaller will nicht, das das Naherholungsgebiet von einem Schweinemaststall verunstaltet wird, wie sie sagen.
"Durch solche Ställe, der Massentierhaltung zuzuordnen, die hochgradig umweltschädlich sind. Überlegen Sie mal: Zwei Millionen Liter Gülle! Wo will der denn hin damit? Das wird auf die Felder geknallt hier. - Voll mit Antibiotika. - Mit Antibiotika drin. - Hormone! - Hormone! Voll mit Reinigungsmitteln. - Reinigungsmittel. - Und hier ist Wasserschutzgebiet!"
Unterschriftenlisten im Bioladen und im Kindergarten
Vor einem Jahr ziehen die Schallers hierher, kaufen ein Haus direkt gegenüber ihrer Tochter und deren Familie. Schallers versprechen sich Ruhe und gesunde Luft. Als die Sache mit dem Stall bekannt wird – im Herbst 2013 – engagiert sich das Rentner-Ehepaar schnell in der eigens gegründeten Initiative "IGEL" für "Interessengemeinschaft zum Erhalt des Landschaftsschutzgebietes Stuvenwald". Gleichgesinnte werden schnell gefunden, Unterschriftenlisten gegen den Stall ausgelegt, im Bioladen von Buchholz, im Kindergarten. Gleichzeitig nimmt die Bürgerinitiative Kontakt auf mit dem ortsansässigen "Runden Tisch für Natur, Umwelt und Naturschutz", einem Zusammenschluss verschiedener Umweltverbände vor Ort.
"Der Stuvenwald ist so ein Brennpunkt, was Naturschutz betrifft. - Wir haben die Bürgerinitiative, die quasi über Nacht etabliert wurde, dahingehend unterstützt, dass wir uns solidarisch erklärt haben für ihr Anliegen, dass also ein Schweinestall nicht nur hier nicht entstehen soll, sondern überhaupt, dass solche Massentierhaltung für uns keine Zukunftsperspektive ist."
Wolfgang und Felicitas Gerull, politisch und ökologisch engagierte Mitglieder des Runden Tisches Buchholz seit gut drei Jahren.
"....und haben dann diese Bürger-Ini unterstützt durch unsere eigene Website, die sehr gut frequentiert ist, wir haben auch auf Facebook noch eine Information eingerichtet und hatten dann sehr, sehr schnell über 4000 Unterschriften zusammen mit der Bürgerini zusammen."
"Für uns ist alles, wo mehr als zwei Schweine auf'm Haufen eingesperrt sind, schon Massentierhaltung. Es geht ja auch darum, wie die Tiere gehalten werden, und nicht alleine um die Anzahl."
Proteste aus der Bevölkerung haben spätestens seit den Auseinandersetzungen um "Stuttgart 21" und der "Geburt" dieser speziellen Form des engagierten Bürgers, des sogenannten "Wutbürgers", eine neue Qualität bekommen. Protestieren ist seitdem nicht mehr nur bestimmten politischen Gruppen vorbehalten, auch der Rentner, die Verkäuferin oder der Handwerker gehen selbstbewusst auf die Straße, wenn ihnen etwas nicht passt. Hier im Buchholzer Stadtteil Meilsen, sagen die Gerulls, sind so schon einige Bauvorhaben an den Menschen gescheitert.
"Weil hier auch mal eine Windkraftanlage, bzw. hier sollte mal die Autobahn... - Die B 75-Umgehung sollte hier gebaut werden, mitten durch den Wald, ist auch damals nicht zustande gekommen, und das ist so das letzte zusammenhängende Refugium hier, ein Waldstück, das sehr erhaltenswert ist. Und wenn man dann noch mehr macht. Und das mit industrieller Landwirtschaft bestückt. Die ganze Entwicklung wollen wir dadurch eben anfassen, indem wir vor Ort so etwas verhindern."
Als die Bürger Sturm laufen gegen den geplanten Schweine-Maststall hier im Stuvenwald, kommt es einmal zu einem Treffen zwischen der Bürgerinitiative und der Familie Becker im Buchholzer Rathaus. Es ging aus wie das Hornberger Schießen, meinen IGEL-Vertreter Karl-Wilhelm Phillip und Dagmar Schaller-Wolf:
"Die Stimmung war sehr zurückhaltend, will ich mal sagen. Sehr zurückhaltend, weil doch sehr viel schon im Vorwege vor der Sitzung diskutiert, geschrieben wurde. Und die Seiten waren relativ verhärtet. - Wir machen uns ja auch sehr viele Sorgen um diese Keimbelastung. Und da haben Herr Becker und Becker junior, die haben da nur gesessen und uns ausgelacht. Die halten dieses Thema für völlig aus der Luft gegriffen. - Wir haben also keinen Konsens gefunden."
Stefan und Heinz Becker widersprechen: Sie hätten die Sorgen und Ängste der Anwohner durchaus ernst genommen, aber:
"Jeder Versuch, etwas bezüglich der Sorgen zu sagen, wurde dadurch erstickt, dass uns immer einer ins Wort gefallen ist."
Die Seiten sind weiterhin verhärtet. Auch Stefan und Heinz Becker fühlen sich der Landschaft verbunden, in der ihr Hof nun seit fünf Generationen bewirtschaftet wird.
"Wir fahren jetzt zu dem geplanten Standort des Stalles. Der ist im Außenbereich, ungefähr 800 Meter von unserer Betriebsstätte entfernt."
Heinz Becker steuert den geräumigen Van eine kleine Dorfstraße entlang. Nach ein paar Metern biegt er links ab in die Feldmark.
Eine Genehmigung wurde in Aussicht gestellt - und dann doch nicht erteilt
Becker hält auf dem Feldweg an. Hier, genau hier, sagt Sohn Stefan und zeigt auf das Feld, sollte er stehen, der neue Stall. 33 Meter breit, Meter lang, dazu die 1000 Kubikmeter große Gülle-Anlage. Die ist heute so vorgeschrieben, sagt Vater Becker.
"Ungefähr einmal die Woche würde hier ein LKW fahren und das würden diese Wege aushalten, tragen."
"Genau. Die eine Woche würde Futter angeliefert werden und die andere Woche, so ungefähr, im Schnitt, würden Schweine zum Schlachthof kommen oder Ferkel angeliefert werden. So dass man sagen kann: Jede Woche ein Lkw."
"Es wird jetzt nicht genau jede Woche ein Lkw fahren, aber im Schnitt des Jahres 50 Fuhren."
Stefan Becker, der Junior, beginnt nach dem Abi und einem Zivildienst-Jahr die zweijährige Lehre zum Landwirt. Das anschließende Studium der Agrarwissenschaften in Kiel ist nun, nach fünf Jahren, so gut wie abgeschlossen. Es ist für ihn höchste Zeit, die Weichen für seine berufliche Zukunft zu stellen.
"Es ist ja auch Fakt, wenn ich dann irgendwann auf dem Betrieb bin, mein Großvater ist noch da, mein Vater ist da, ich bin da, irgendwann möchte ich auch mal Kinder kriegen, wären es letztlich vier Generationen gewesen, die von dem Betrieb hätten ernährt werden müssen, na ja, und dann haben wir uns Beratung geholt von der Landwirtschaftskammer..."
"Dann haben wir zuerst versucht, auf dem Betrieb den Standort zu vergrößern, aber der Zahn ist uns gleich gezogen worden, weil wir da mit Emissionen überhaupt nicht zurande gekommen wären, weil die Wohnbebauung zu nah an die Ställe herangekommen ist."
"Es ist ja politisch und durch Auflagen so gewollt, dass die Tierhaltung aus den Dörfern rausgeht. In die Natur, also auf die freie Fläche raus. Einfach, um im Dorf die Geruchsbelastung, Emissionsbelastung runterzufahren. Und so mussten wir uns quasi eine Eigentumsfläche von der Ackerfläche aussuchen."
Zwar wissen die Beckers, dass heute bei Bauprojekten dieser Art mit Gegenwind zu rechnen ist. Bürgerinitiativen hatten beispielsweise vor nicht allzu langer Zeit in einem nahe gelegenen Ort eine Hähnchenmastanlage verhindert. Aber der Landkreis in Winsen an der Luhe signalisiert der Familie Becker schnell, dass sie mit einer Baugenehmigung rechnen kann – mit dieser Gewissheit lässt sich ein bisschen Gegenwind gut ertragen.
"Zweimal hatten wir ja eine positive Stellungnahme vom Kreis, dass es hier losgehen kann. Genehmigung in Aussicht gestellt. Aber nicht mehr. Also nicht genehmigt. In Aussicht gestellt. - Nichts Schriftliches."
Entsprechend groß ist der Schock, als aus Sicht der Beckers plötzlich und aus heiterem Himmel die Ablehnung ins Haus flattert – und das auch noch aus "zweiter Hand".
"Von der Ablehnung habe ich aus der Presse erfahren. Ich wurde angerufen von einer Zeitung und sollte Stellung dazu nehmen. Und ich so: Wie bitte? Das wurde abgelehnt? Ich konnte das überhaupt nicht glauben."
Baugenehmigung in Aussicht gestellt – und plötzlich rudert die Genehmigungsbehörde des Landkreises an der Luhe wieder zurück? Beckers verstehen die Welt nicht mehr.
"Das klassische St.-Florians-Prinzip"
Die Redaktion der Kreiszeitung "Wochenblatt" liegt mitten in Buchholz in der Nordheide, dieser Kleinstadt, die manche schmunzelnd "Vorort von Hamburg" nennen. Lokalreporter Oliver Sander erfährt von dem Beckerschen Bauprojekt in einer der öffentlichen Sitzungen des Planungsausschusses der Stadt Buchholz. Der Stall ist einer der letzten Tagesordnungspunkte. Versteckt, meint Oliver Sander, zum Durchwinken.
"Es wurde dann gesagt: Ein Maststall für soundso viele Tiere, und dort wurde dann eben auch bekannt gegeben, wo es gebaut werden soll, direkt im Landschaftsschutzgebiet, und da merkte man dann doch an der Reaktion von den Politikern, dass die sagten: Moment mal, irgendwas läuft hier gerade schief."
Offenbar, vermutet Journalist Sander, war der Stallbau zuvor auf Parteiebene kaum diskutiert worden und riss vor allem die Grünen, die SPD und auch die FDP aus der Ausschuss-Routine.
"Es schien mir so – das weiß ich jetzt aber nicht ganz genau –, dass die CDU vorher zumindest ahnte, worum es da geht, weil immerhin Herr Becker, der Vorhaben-Träger, dort für die CDU im Ortsrat Steinbeck sitzt. Es hatte den Anschein im Nachhinein von 'Hinterzimmer' würde ich sagen. Dass dort etwas zwischen Stadt, Vorhabenträger und Landkreis diskutiert wurde, was die Politiker dann letztlich nur noch abnicken sollten..."
Der Lokalreporter ist seit Jahren Beobachter der politischen Szene in der Region, ist vertraut mit den politischen Entscheidungsprozessen. Auch mit fragwürdigen. Und er kennt die Stimmungen und die Interessenlagen in der Bevölkerung.
"Ich denke, dieser Widerstand, der da aufgekommen ist, ist das klassische St. Florians-Prinzip, das Typische, mein Haus ist nichts mehr wert, wenn ich es mal verkaufen möchte, ich werde unter Geruchsemissionen leiden, es wird den ganzen Tag stinken. Das waren so die typischen Argumente, die dort kommen, die bei verschiedenen Bauvorhaben immer dann kommen, wenn etwas direkt vor der Haustür von jemandem stattfinden soll."
Wenn Stefan und Heinz Becker an die Argumente der Stallgegner denken, werden die sonst eher besonnen wirkenden Männer ungehalten. Die Bedenken der Bürger seien überzogen. Geruchsbelästigung durch Emissionen? Nur an sehr warmen Tagen bei vollbelegtem Stall und ungünstiger Windrichtung. Das seien wenige Tage im Jahr. Und: Das bringe das Leben auf dem Lande nun mal mit sich!
Belastung mit Krankheitskeimen? Auch da seien die Befürchtungen, meinen die Beckers, übertrieben. Mit Gülle verseuchte, nitratgetränkte Böden und Grundwasser? Bei der Größenordnung des geplanten Maststalles kein Problem. In Wirklichkeit, vermuten Heinz und Stefan Becker, haben die Stallgegner viel grundsätzlichere Probleme.
"Die Leute ziehen aus der Stadt aufs Land, ja, die Leute stellen halt klar, dass das Einzige, was sie am Landleben stört, die Landwirte sind. Man darf hier keinen Pflanzenschutz mehr betreiben, man darf hier keine Tiere mehr züchten, keine Hühnerställe mehr bauen und so weiter und macht man's doch, wird man mehr oder weniger verklagt."
Früher, ergänzt Heinz Becker, da wäre das alles undenkbar gewesen, da war der Bauer eine der wichtigsten Persönlichkeiten im Ort.
"Früher war der Landwirt gewaltig geachtet. Man braucht ja nur an die Nachkriegsjahre zu denken. Ein landwirtschaftlicher Betrieb, da gab's dann noch Essen, Städte waren weggebombt, und diese Achtung vor dem Landwirt, die ist in den Köpfen der älteren Generation noch sehr stark. Das haben aber die jüngeren Generationen Gott sei Dank nicht mehr miterleben müssen, und für die ist das nicht mehr so selbstverständlich. Für die jüngere Generation kommt das Essen aus dem Supermarkt."
Wut und Verbitterung gehört heute zum Alltag der Beckers. Die Anfeindungen gegen den Stall und gegen die Familie haben sie hart getroffen.
"Da waren Fernsehteams bei der Initiative, etliche Zeitungsanrufe haben wir hier gehabt. Wir sollten etliche Male Stellung nehmen, Leserbriefe, die wirklich schon unter die Gürtellinie gingen teilweise, muss man ganz ehrlich sagen. Ich konnte das noch relativ gut verkraften, sag ich mal, ich bin noch jung und sehe das nicht ganz so ernst, aber ich kann mir vorstellen, dass meine Mutter vor allen Dingen, sie hat das schon ziemlich mitgenommen, mein Vater mag das nicht so wahrhaben, aber den hat das auch mitgenommen. Aber ganz extrem waren halt meine Großeltern, die den Betrieb entwickelt haben und sich auch gefreut hätten, wenn das hier weitergeht, letztendlich ist es so geendet, dass mein Opa denn mit einem kleinen Herzinfarkt im Krankenhaus gelandet ist."
Auf Bio-Hof umzurüsten ist für Becker keine Option
Heinz Becker erzählt, dass sein Urgroßvater den Betrieb einmal gegründet hat, um 1900 herum, mit Viehhandel im kleinsten Stil. Sollte der Maststall tatsächlich nicht gebaut werden, will Heinz Becker den Betrieb nach und nach zurückfahren und die Flächen verpachten. Den Hof auf Bio-Betrieb umzurüsten, das ist für Stefan Becker keine Option.
"Wenn wir uns als Betrieb jetzt in die 50er-Jahre zurückentwickeln sollen, nur damit wir Bioschweine haben. Ich hab keine Lust, mit der Forke im Misthaufen zu stehen und da zwei Tage am Stück auszumisten, muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen."
Auf den grünen Landwirtschaftsminister Christian Meyer in Hannover sind die Beckers sauer.
"Vielleicht sind wir zwei Jahre zu spät gekommen. Als die Farbe in Hannover noch anders war, wäre das Problem vielleicht nicht so groß gewesen."
Tierhaltung im großen Stil, sagen Vater und Sohn Becker frustriert, das sei in Niedersachsen offensichtlich gar nicht mehr gewünscht.
"Unser Herr Minister Meyer, der spricht ja immer von der sanften Agrarwende und der Förderung der bäuerlichen Betriebe. Also wenn wir hier kein bäuerlicher Betrieb sind, dann weiß ich es auch nicht. Und bisher hat er uns eigentlich nur Steine in den Weg gelegt. Uns als Familienbetrieb."
"Die Landwirtschaftslobby hat einen guten Einfluss, und zwar schon seit Jahrzehnten, auf die Verwaltungen in den Gemeinden und vor allem auch im Landkreis...."
Bernd Wenzel von den "Naturfreunden Nordheide", Rentner, graue Haare, modische Brille, ist versiert im Umgang mit Gesetzestexten, die sein Steckenpferd betreffen – den Landschaftsschutz.
"Und daran liegt es eben auch, dass wir immer wieder Probleme haben, zu erreichen, dass gesetzlichen Vorschriften, die ja da sind und die wunderbar sind, auch wirklich eingehalten werden."
Als Bernd Wenzel, Naturschützer und regelmäßiger Teilnehmer des "Runden Tisches" in Buchholz, von dem geplanten Stallbau erfährt, zögert er nicht lange. Er sondiert die Rechtslage, wälzt alte Urteile und schreibt einen Brief an die Landesregierung in Hannover. Darin führt er aus, warum der geplante Stallbau der Beckers gegen geltendes Recht verstoße und belegt das mit entsprechenden Referenzurteilen. Dann gibt er der Kreisverwaltung den Tipp, dass Hannover nun über den Schweinestall Bescheid wisse. Hannover: Seit dort der Grüne Landwirtschaftsminister amtiert, der eine Reform der niedersächsischen Agrarstrukturen angekündigt hat, wirkt ein kleiner Wink aus Richtung der Landeshauptstadt Wunder.
"Behörden reagieren immer nur auf Druck. Und auch in diesem Fall Meilsen hat sich gezeigt, dass Behörden immer dann auf den größeren Druck reagieren, wenn mehrere Drücke da sind. Der eine Druck war die Landwirtschaftslobby, die gesagt hat: Das müsst ihr doch machen. Aber dann war plötzlich ein zweiter Druck da. Wie peinlich wäre es gewesen, wenn die Landkreisverwaltung einen Brief aus Hannover bekommen hätte, in dem drin gestanden hätte: Leute, da gibt es ein Gesetz, da gibt’s eine Landschaftsschutzverordnung und ihr habt mehrere Urteile präsentiert bekommen. Und nun sagt doch mal, warum ihr das alles nicht machen wollt. Und dieser Druck war ganz offensichtlich größer."
"Und natürlich hat uns das Ministerium uns auch um Stellungnahme gebeten."
Meint Johannes Freudewald, Sprecher der Kreisverwaltung in Winsen an der Luhe.
"Natürlich ist so eine erhöhte Öffentlichkeit und Aufmerksamkeit ein Faktor, der auch Behördenmitarbeiter nicht unberührt lässt."
Eine neue Bürgersensibilität und eine kritische Einstellung zu Tierhaltung
Trotzdem gelte es, auch gegen den öffentlichen Druck die Landwirte, so sie denn überhaupt noch aktiv sind im Landkreis, in ihrer betrieblichen Zukunft zu unterstützen. Was erkläre, warum der Landkreis Harburg zunächst eine Zustimmung zum Bauvorhaben im Landschaftsschutzgebiet erteilte.
"Das ist in einer Region, die auch landwirtschaftlich genutzt wird, so dass man grundsätzlich zunächst einmal sagen kann, eine Stallung ist hier zunächst nichts komplett Ortsfremdes. Das hat uns zunächst mal dazu bewogen, dieses Signal auszusenden, wir können in Aussicht stellen, dass wir das Benehmen erteilen können. Nach Sichtung der Gesetzeslage haben wir aber doch sehr unterschiedliche Rechtsprechung gefunden."
Und so erfolgte nach dem ersten grünen dann das rote Licht für das Bauvorhaben. Doch im Fall des Beckerschen Schweinemaststalls tritt ein grundsätzlicheres politisches Phänomen zutage. Die Initiativen-Vertreter wie der Lokaljournalist oder der Landkreissprecher bezweifeln, dass das Scheitern des Bauvorhabens bereits Zeichen einer "grünen Wende" in Niedersachsen ist. Beim Widerstand der Bürger in Meilsen reichen sich das St. Florians Prinzip, eine neue Bürgersensibilität und eine kritische Einstellung zu Tierhaltung und industrieller Nahrungsmittelproduktion die Hand.
Das ist der Bodensatz für eine neue Mentalität und ein politisches Klima, das sich verändert. So wird es schwer, in diesem traditionell von landwirtschaftlichen Lobby-Interessen geprägtem Niedersachsen nach altbewährten Handlungsmustern wie eh und je zu verfahren. Familie Becker scheint mit ihrem Stallbau nicht nur zwischen Interessenmühlen geraten zu sein, sondern quasi auch zwischen eine alte und eine neue Zeit.
Und die Zukunft? Schwer zu beurteilen, ob der Stall - möglicherweise nach einer Klage des Landwirts - doch noch gebaut werden kann. Johannes Freudewald, Sprecher der Kreisverwaltung, meint: Die Suche nach Alternativstandorten dauert an.
"Die Optionen, die wir im Moment prüfen, sind teils nicht im Landschaftsschutzgebiet, aber es gibt auch Optionen, die in einem Landschaftsschutzgebiet liegen, aber auch da, muss man wieder sagen, würden wir sehr genau hinschauen oder überprüfen wir im Moment sehr genau."
Ob solch ein Alternativstandort bei der jetzigen politischen Stimmung im Landkreis allerdings Chancen hat? In Meilsen, Buchholz oder in Winsen an der Luhe wagt zurzeit dazu keiner der Beteiligten eine Prognose. Aber der Konflikt, er bleibt.