Ökumenische Bewegung: Vereint um Luther?
Das Programm beim Katholikentag umfasste viele Veranstaltungen in evangelischen Schulen und Kirchen – und immer wieder waren die Ökumene und Luther Thema. Kirsten Dietrich kam ins Grübeln, ob das eine katholische oder ökumenische Veranstaltung war.
Die katholische Malteserjugend hat ihr Zelt auf dem idyllischen Vorplatz der evangelischen Peterskirche aufgeschlagen – die Angebote für die Jugend des Leipziger Katholikentags sind zu Gast bei den Protestanten. An einer Pinnwand hängen Fotos: Jugendliche scheinbar Arm in Arm mit dem Papst. Der Papst war natürlich nicht persönlich da, er hängt mit ausgebreiteten Armen als Fototapete am Stand. Die Malteserjugend will natürlich nicht nur coole Selfies ermöglichen, . sondern für Engagement im Sanitätsdienst werben. Ein klarer Fall für den Papst, findet Lukas.
"Weil der derzeitige Papst einfach sehr populär ist, sich sozial engagiert, einfach wir eine katholische Organisation sind und das hier gut passt."
Der jetzige Papst macht es leicht, katholisch zu sein – vor allem, wenn sich das in sozialem Engagement ausdrückt.
"Aber ich glaube auch, bei vielen Protestanten gilt dieser Papst auch als verbindend, gerade wenns darum geht, eine globale Sprache zu finden, was christliche Nächstenliebe und christliches Menschenbild betrifft."
Wäre Luther heute katholisch geblieben?
Der Papst macht den Unterschied – und zwar die Person Franziskus, nicht der Amtsträger mit seinem Anspruch, Oberhaupt der ganzen christlichen Kirche zu sein – das formulierte auch die katholische Theologin Dorothea Sattler so bei einem Podiumsgespräch, das Martin Luther neu entdecken sollte.
"Hätte Martin Luther das 2. Vatikanische Konzil oder gar die gegenwärtige Dialogbereitschaft im Pontifikat von Franziskus erlebt – wäre er dann katholisch – gar römisch-katholisch geblieben? Eine solche Frage lässt sich nicht beantworten – sie ist offenkundig anachronistisch."
Hier Luther, da die Papisten – das funktioniert für beide Seiten nicht mehr. Beide Seiten haben da 500 Jahre Nachdenken hinter sich, müssen sich außerdem völlig neuen Herausforderungen an Religion stellen – das weicht die Fronten auf. Dorothea Sattler hat durchaus Kritik an Martin Luther. Aber:
"Auch in den Versuchungen, denen Martin Luther erlegen ist, ist er katholisch."
"Mensch Martin!" – im Angebot für Familien lässt sich das Leben des Reformators ganz handgreiflich erfahren. Vater und Tochter gehen die Stationen der Ausstellung ab, die Tochter füllt sorgfältig den Lückentext zum Leben des Reformators aus und stempelt kleine Bilder dazu. Doch ja, sie seien katholisch, sagt der Vater.
"Doch schon, aber man muss ja trotzdem das andere kennen, oder deswegen muss man nicht unwissend drüber hinweggehen."
Ausstellung "Mensch Martin" ist evangelisch
Gerade im Osten gehöre Luther doch zur Allgemeinbildung. Die Ausstellung "Mensch Martin" ist evangelisch.
"Ich hab wirklich gedacht, dass wirklich auch eine eher kritische Auseinandersetzung kommt, aber die sind eigentlich auch informiert und finden auch diese Überlegung, dass Luther Ideen für die Kirche hatte, auch gut."
Die Gemeindepädagogin Silvana Elbel-Ochoki hat die Ausstellung mit entwickelt – zur Vorbereitung des Reformationsjubiläums im nächsten Jahr.
"Ich glaube, da zeichnet sich das auch noch mal deutlich, dass wir hier im Ostteil von Deutschland sind, dass die froh sind, dass überhaupt Glauben transportiert wird."
Natürlich gibt es auch bei diesem Katholikentag die Katholiken, die die Unterschiede zu den Protestanten fühlen.
Die Kirche St. Peter und Paul liegt etwas außerhalb des Leipziger Stadtzentrums, die lateinische Messe am Freitagabend läuft unter den Veranstaltungen, die aus Anlass des Katholikentags von Trägern außerhalb des Zentralkomitees der deutschen Katholiken angeboten werden.
"Also, für mich ist die traditionelle Form vor dem Konzil die wirksamere, die richtigere."
"Ich liebe die Messe einfach. Das ist auf jeden Fall eine sehr wichtige Tradition, die unbedingt bewahrt werden muss, weil dadurch ansonsten auch eine Identität von der Kirche verloren gehen würde."
Wer diese tridentinische Messe besucht, will bewusst zu der Form zurück, in der die katholische Kirche ihren Gottesdienst in Reaktion auf die Umwälzungen der Reformation festgelegt hat. Die Vielstimmigkeit der Gegenwart lässt sich dennoch auch hier nicht ausschließen.
"Ich habe auch nichts gegen die Vielfalt, es ist nur die Frage, wie geht man respektvoll in dieser Vielfalt miteinander um."
Christen wollen gemeinsam auftreten
Zumindest die obersten Vertreter von Katholiken und Protestanten sollten sich beim Katholikentag streiten – bei einer Neuauflage der Leipziger Disputation, bei der einst in den Anfangszeiten der Reformation der katholische Theologe Johannes Eck und die Reformatoren um Martin Luther über Papstamt und Ablasshandel debattierten und die unüberbrückbaren Differenzen zwischen beiden Seiten festlegten. Die Zeiten haben sich geändert. Inzwischen kann auch Heinrich Bedford-Strohm, der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, zugeben:
"Ich kann jetzt als evangelischer Bischof mich nur von Herzen darüber freuen, dass Papst Franziskus bestimmte Dinge in 'Laudato si', was Gerechtigkeit betrifft, jetzt sehr medial wirksam in der ganzen Welt rüberkriegt, die wir im Weltkirchenrat vor 30 Jahren schon ganz ähnlich gesagt haben."
Den gleichen Ton schlägt Kardinal Reinhard Marx an, der Vorsitzende der katholischen deutschen Bischofskonferenz.
"Aber nicht, in dem wir uns gegenseitig sagen: du musst dich verändern. Wir sind eigentlich schon prima. Wenn du auch so wärest, würde es gehen. Das ist keine Ökumene der wirklichen Augenhöhe. Für mich ist ökumenisch, wenn man sich über die Erfolge des andern freut."
Auf die Frage danach, wann eine gemeinsame Abendmahlfeier möglich sei, antwortete allerdings nur der Protestant Bedford-Strohm – der hat das auch einfacher, schließlich besteht von evangelischer Seite schon lange die Einladung dazu. Die Unterschiede zwischen Katholiken und Protestanten mag im Moment niemand so wirklich ins Zentrum rücken – Christen wollen lieber gemeinsam in einer Gesellschaft auftreten, in der sie sich sowohl von Religionslosen als auch von selbstverständlicher religiösen Muslimen herausgefordert sehen. Luther und der Papst werden da von Reizfiguren zu willkommenen Identifikationsträgern für Kirche überhaupt.