Proteste für Frauenrechte

Polens Regierung wegen Abtreibungsverbot unter Druck

Vor dem Parlament in Warschau demonstrieren Frauen gegen eine Verschärfung des Abtreibungsrechts.
Proteste in Warschau gegen Verschärfung des Abtreibungsgesetzes © afp / Wojtek Radwanski
Von Florian Kellermann |
Über 400.000 Unterschriften haben Abtreibungsgegner in Polen gesammelt. Sie wollen ein Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen durchsetzen. Das Gesetzesprojekt treibt viele Frauen auf die Straße: Noch nie haben so viele Menschen für Frauenrechte demonstriert.
"Mein Körper, meine Entscheidung!"

Überall in Polen zeigten Frauen am Montag, dass sie eine weitere Verschärfung des Abtreibungsrechts nicht hinnehmen wollen. Die Stimmung war ernster als bei früheren Protesten. Denn inzwischen hat das polnische Parlament das umstrittene Gesetz in die Ausschüsse verwiesen, bearbeitet es also weiter.
Für die Schauspielerin Krystyna Janda ein Skandal:

"Wir kämpfen hier um unsere grundsätzliche Freiheit. Seit einiger Zeit führt dieses Land einen Krieg gegen die Frauen. Wenn ich dann noch diesen verächtlichen Ton höre, mit dem über Frauen und ihren Protest gesprochen wird, dann bin ich entsetzt. Die Frauen wollen das nicht mehrertragen."
Gerade einmal zwei Wochen war es her, dass Krystyna Janda auf Twitter einen ähnlichen Protest in Island vor vielen Jahren erwähnte. Die Idee verbreitete sich rasend, und schließlich streikten Tausende im ganzen Land, allein in Warschau rund 30.000 Frauen.
Das Gesetzesprojekt, gegen das sie auf die Straße gingen, eingebracht von einer Bürgerinitiative, soll Abtreibung grundsätzlich verbieten. Ärzte sollen die Schwangerschaft auch dann nicht abbrechen dürfen, wenn sie auf eine Vergewaltigung folgt oder das Leben der Mutter gefährdet.
Das empöre Frauen auch aus dem konservativen politischen Lager, sagt Joanna Piotrowska von der Stiftung für Frauenrechte "Feminoteka":
"Der Protest hat auch viele kleinere Ortschaften erreicht, das hat man am Montag gesehen. Noch nie haben so viele Menschen auch in kleineren Städten für Frauenrechte demonstriert."

Rechtskonservative Regierung wird nervös

Das nahm auch die polnische Regierung zur Kenntnis - und reagierte nervös. Außenminister Witold Waszczykowski sagte in einem Radiointerview über die Demonstrierenden:
"Sollen sie doch ihren Spaß haben, wenn sie glauben, dass es keine schlimmeren Probleme in Polen gibt."
Damit schien Waszczykowski die Gegner der Regierung zu verspotten - und das noch dazu in einer so ernsten Frage. Ministerpräsidentin Beata Szydlo sah sich deshalb gestern genötigt, die Wogen zu glätten:
"In den vergangenen Tagen sind zu viele Emotionen um dieses Thema entstanden. Öffentliche Personen, besonders Politiker, haben die Pflicht, sie zu dämpfen. Deshalb kann ich Worte wie diejenigen, die Minister Waszczykowski geäußert hat, nicht gut heißen."
Die Nervosität in der rechtskonservativen Regierung ist verständlich. Denn auf der einen Seite steht die Regierungspartei PiS der katholischen Kirche nah, die das Abtreibungsverbot unterstützt. Ohne die Kirche hätte die Bürgerinitiative kaum über 400.000 Unterschriften sammeln können. Auf der anderen Seite lehnt die große Mehrheit der Polen ein schärferes Abtreibungsrecht ab, darunter auch viele PiS-Wähler.
Angesichts dieses Dilemmas müsse die PiS schnell handeln, fordern auch regierungsnahe Kommentatoren, so Tomasz Terlikowski, Chefredakteur von "TV Republika" und selbst ein entschiedener Abtreibungsgegner:
"Sie sollte jetzt rasch ein eigenes Gesetz erarbeiten, einen Kompromiss. Er sollte aus Sicht der Lebensschützer besser sein als das geltende Gesetz, aber liberaler als das, was die Bürgerinitiative vorgeschlagen hat. Das würde die Debatte beenden."
Der Kompromiss könnte laut Terlikowski darin bestehen, dass Abtreibung zwar möglich bleibt, wenn die Frau vergewaltigt wurde oder ihr Leben in Gefahr ist. Anders als bisher sollten Frauen jedoch ein Kind auch dann austragen müssen, wenn es schwer behindert sein wird. Kenner der PiS bestätigen, dass in der Partei über so eine "Kompromisslösung" nachgedacht wird.
Frauenrechts-Organisationen würde das allerdings kaum besänftigen. Sie wollen kein restriktiveres, sondern ein liberales Abtreibungsrecht. Und hoffen auf den neuen Schwung, den ihnen die Proteste gegeben hätten, so Joanna Piotrowska von der Stiftung "Feminoteka":
"Viele Frauen haben zum ersten Mal überhaupt an einer Demonstration teilgenommen. Sie haben die Angst verloren und glauben an sich. Ich glaube, dass mehr Frauen auch künftig für ihre Rechte einstehen werden, und das nicht nur in der Abtreibungsfrage."
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