"Pkw-Orientierung" der Städte als Problem
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Proteste begleiten die Internationale Automobilausstellung (IAA) in Frankfurt am Main. "Einmalig" sei das in der der mehr als hundertjährigen Geschichte der Messe, sagt der Verkehrswissenschaftler Martin Randelhoff.
Viele Tausend Menschen haben am Samstag in Frankfurt am Main für eine klimafreundliche Verkehrswende demonstriert. An einer Fahrrad-Sternfahrt und einer Großdemonstration gegen die derzeit stattfindende Automesse IAA beteiligten sich nach Angaben der Polizei rund 15.000 Menschen. Die Veranstalter, ein Bündnis von mehreren Umweltverbänden, schätzte die Zahl auf 25.000, davon hätten sich rund 18.000 mit dem Rad auf den Weg gemacht.
Für Sonntag sind weitere Aktionen geplant. Das Bündnis "Sand im Getriebe" aus Klima- und Umweltschützern hat angekündigt, den Zugang zur Messe blockieren zu wollen.
Blick aufs Automobil wird kritischer
Der Verkehrswissenschaftler Martin Randelhoff hebt im Deutschlandfunk Kultur die Besonderheit dieser Proteste hervor und erklärt, dass große Veränderungen meistens von Minderheiten angestoßen werden:
"Wir haben das erste Mal Proteste gegen die IAA und gegen diesen Automobilismus. Das ist in der Geschichte dieser Veranstaltung, die weit über 100 Jahre zurück reicht, wirklich einmalig." Die Entwicklung zeige symbolisch, dass sich die Gesellschaft weiterentwickelt habe und das Automobil viel kritischer gesehen werde als bisher.
Zum einen Teil gehe es bei diesen Protesten ums Klima, zum anderen um Effekte der Reurbanisierung, erklärt Randelhoff. Mehr Menschen seien in die Städte gezogen, und somit seien insbesondere dort die Konflikte zwischen den einzelnen Verkehrsarten stark ausgebrochen: "Und in Summe ergibt sich einfach eine Melange aus ganz verschiedenen Interessen, die alle jedoch das Problem in den starken automobil-orientierten Strukturen in unseren Städten sehen und generell in der starken Pkw-Orientierung der Politik und unserer Gesellschaft."
SUV als anachronistisches Modell
Dabei gerieten die SUVs, also hochmotorisierte Stadtgeländewagen, vermehrt in die Kritik, weil sie durch ihre schiere Größe, Schwere und PS-Stärke bei Unfällen größeren Schaden anrichteten und andererseits mehr Fläche beanspruchten als kleinere Autos – das führe zu Problemen auf Straßen und Parkplätzen. Der SUV werde so zum Symbol für ein anachronistisches Modell.
Viele Automobilhersteller wie der zweitgrößte der Welt, Toyota, seien beispielsweise auf der IAA gar nicht mehr vertreten. Diese wendeten sich eher Messen zu, in denen es um Digitalisierung, Software und neue Mobilitätsangebote gehe. Man löse sich also von der Präsentation der Fahrzeuge als solche, so Randelhoff: "Letzendlich Stahl, vier Räder, und steht eben herum und kann angeschaut und bewundert werden."
Kaum neue Elektromodelle
Bei der diesjährigen IAA seien nur vier neue Elektromodelle vorgestellt worden, erklärt Randelhoff. Sogenannte Plug-in-Hybride hätten überwogen, also Autos mit Verbrennungsmotor und batterieelektrischem Antrieb. Doch auch diese Fahrzeuge seien nicht der Weisheit letzter Schluss, gibt Randelhoff zu bedenken.
(ckr)