Auf die Straße gegen Korruption
Die Rumänen haben die Nase voll: Bei einer Großdemonstration in Bukarest forderten zornige Bürger den Rücktritt der sozialdemokratischen Regierung. Stein des Anstoßes ist ein Gesetzesvorhaben, das Ermittlungen gegen hochrangige Politiker erschwert.
Der Siegesplatz in Bukarest am späten Abend. Von Buhrufen der Demonstranten begleitet, feuern Polizeieinheiten immer wieder Tränengasgranaten in die Menge. Seit Stunden geht das schon so. Ein beißender Geruch hängt in der Luft, wer kann, rennt weg, bringt sich in Sicherheit.
Dieser junge Mann ist nicht schnell genug:
"Es war sehr schlimm, vor allem für die Augen. Für Mund und Nase hatte ich ein Tuch."
Apotheken im Umkreis machen guten Umsatz mit Atemschutzmasken. Die Bilanz des Abends sind mehr als 400 Verletzte, die im Krankenhaus behandelt werden müssen, darunter auch Polizisten.
Hunderttausend strömen zum Siegesplatz
Schon zu Beginn der Demonstration am späten Nachmittag liegt Spannung in der Luft des heißen Sommertages. Immer mehr Menschen strömen zum Siegesplatz im Herzen Bukarests - zunächst heißt es, 30.000, dann 50.000, letzte Schätzungen gehen von mehr als 100.000 Demonstranten aus.
Die Menschen rufen immer wieder "Diebe, Diebe" und fordern den Rücktritt der Regierung. Es kommt zu ersten Zusammenstößen mit der Polizei, die massiv aufmarschiert ist und den Weg zum Regierungspalast sichert.
Opposition fordert Rücktritt der Innenministerin
Demonstranten versuchen, die Absperrung zu durchbrechen, Plastikflaschen prasseln im hohen Bogen auf die Polizisten nieder. Die schlagen mit Schlagstöcken zu, setzen Tränengas ein. Am späten Abend verurteilt Staatspräsident Klaus Iohannis das Vorgehen der Polizei auf Facebook, die Opposition fordert den Rücktritt der Innenministerin.
Über Social Media haben Auslandsrumänen die Demonstration organisiert. Sie kommen aus Italien, Spanien, Frankreich, Deutschland und vielen anderen Ländern. Octavian Stinga ist aus München angereist: "Wir machen extra jetzt Urlaub."
Inländische Zivilgesellschaft unterstützen
Die Auslandsrumänen, die der regierenden sozialdemokratischen PSD mehrheitlich kritisch gegenüberstehen, wollen mit der Demonstration die inländische Zivilgesellschaft unterstützen, die seit mehr als anderthalb Jahren immer wieder für die Stärkung des Rechtsstaats demonstriert. So auch der Münchner Octavian Stinga:
"Unser Wunsch wäre es, dass die Regierung uns zuhört - dass unser Anliegen ernsthaft in Erwägung genommen wird von der Regierung."
Stein des Anstoßes sind umgesetzte oder geplante Gesetzesvorhaben der rumänischen Regierung, die nach Ansicht der Demonstranten Ermittlungen gegen hochrangige Politiker erschweren und die Unabhängigkeit der Justiz aushöhlen. Insbesondere der mächtige Parteichef der Sozialdemokraten und Parlamentspräsident Liviu Dragnea ist den Demonstranten ein Dorn im Auge. Viele bezeichnen ihn als Schatten-Regierungschef.
Ermittlungen gegen Parlamentspräsident
Dragnea ist wegen Wahlbetrugs vorbestraft und derzeit wird gegen ihn wegen der Bildung einer kriminellen Vereinigung ermittelt. Er gilt als Triebfeder hinter den umstrittenen Gesetzen, und die Demonstranten werfen ihm vor, Politik im Eigeninteresse zu betreiben.
Dan Barna, Vorsitzender der oppositionellen Union zur Rettung Rumäniens, formuliert das so:
"Anderthalb Jahre kämpfen wir nun im Parlament. Und die Menschen kämpfen auf der Straße nicht etwa für bessere Krankenhäuser oder ein besseres Bildungssystem - der ganze Kampf war mit der Justiz verbunden und damit, ob es Herrn Dragnea gelingen wird, das Gefängnis zu vermeiden. So einfach ist die Geschichte. Und die Frustration in der Bevölkerung ist riesig."
Auslandsrumänen als "Lumpendiaspora" beschimpft
Besonders verärgert hat viele der auf dem Siegesplatz anwesenden Auslandsrumänen, dass sie aus den Reihen der regierenden PSD im Vorfeld der Demonstration als Bettler, Diebe und Huren oder Lumpendiaspora beschimpft worden sind. Für George Sisu, einen Unternehmer aus Berlin, war das der Grund, ins Auto zu steigen und nach Bukarest zu fahren:
"Das war der Punkt, wo wir gesagt haben, wir müssen etwas unternehmen, wir gehen nach Bukarest. Wir sind die ganze Nacht gefahren – 1700 Kilometer, nur für diesen Moment hier."