Musiker fordern ihren Anteil
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Mit einem weltweiten Aktionstag wollen Musikerinnen und Musiker ihren Forderungen Nachdruck verleihen und einen größeren Anteil an Spotifys Einnahmen aus dem Streaminggeschäft. Auch in Berlin wurde protestiert.
Das Musikstreaming boomt. Im Vergleich zum Vorjahr konnte der Marktführer Spotify die Zahl seiner zahlenden Kunden um 24 Prozent, auf 155 Millionen steigern. Rechnet man die Freemium-Kunden ohne Abonnement dazu, kommt das schwedische Unternehmen derzeit auf 345 Millionen aktive Nutzer, berichtet der Musikjournalist Christoph Reimann.
Seit einem Jahr kaum Auftritte
Spotify gehöre damit zu den Gewinnern in der Corona-Krise, so Reimann. Für die Musikerinnen und Musiker, mit deren Songs Spotify das Geld verdient, gilt das in den allermeisten Fällen nicht. Sie haben seit rund einem Jahr nicht nur so gut wie keine Auftrittsmöglichkeiten mehr. Auch vom Streaming-Kuchen bekämen sie nach wie vor zu wenig ab, heißt es von vielen.
Im vergangenen Jahr hat sich daher die "Union of Musicians and Allied Workers" gegründet. Der Verband zählt nach eigenen Angaben mittlerweile rund 27.000 Mitglieder, darunter vor allem Musikarbeiter und -arbeiterinnen aus dem Independent-Bereich.
Musikerin und Gründungsmitglied Mary Regalado sagt, die Musiker forderten, dass Spotify künftig mehr Geld pro Stream an sie weitergebe, nämlich einen US-Cent pro Stream. "Wir fordern ein nutzerorientiertes Bezahlmodell und wünschen uns mehr Transparenz und die Offenlegung der Verträge, die Spotify hinter verschlossenen Türen mit Labels abschließt."
System begünstigt große Stars
Bislang zahlt Spotify nicht pro Stream. Stattdessen ist es so, dass der Anteil der Einnahmen aus Spotify-Abos zunächst mal in einen großen Topf geworfen wird und dann wird das Geld danach verteilt, wie viel Prozent der jeweilige Act am gesammten Streaming-Volumen hat.
Dieses System begünstigt große Stars, die oft gestreamt werden. Selbst wenn jemand mit seinem Abo den ganzen Monat irgendeinen Nischen-Act höre, komme das Geld am Ende doch eher bei Billie Eilish und Co an, weil der Nischen-Act prozentual betrachtet nur verschwindend selten gehört wurde.
Mary Regalado spielt in der Band Downtown Boys. Auf Spotify hat die Band pro Monat rund 10.000 Hörer. Pro Stream erhalte die Gruppe weit weniger als den geforderten 1 Cent, nämlich nur 0.0038 US-Dollar, so Regalado. Diesen Betrag muss die Band noch durch die fünf Bandmitglieder teilen.
Spotify schreibt rote Zahlen
"Ich kann gar nicht so genau sagen, wie viel wir über Spotify verdienen", sagt Regalado, "aber leben kann man davon auf keinen Fall."
Spotify selbst schreibt aber auch immer noch rote Zahlen. Im letzten Jahr betrug der Verlust 581 Millionen Euro. Da zeige sich, so Reimann, wie wenig Ahnung die Union Of Musicians And Allied Workers von Spotifys Geschäftsmodell zu haben scheint. Da sei möglicherweise gar kein Geld da, das man zusätzlich an die Künstlerinnen und Künstler ausschütten könnte.
Regalado sagt allerdings, andere Streaming-Anbieter wie Tidal und Apple Music zahlen sehr wohl einen Cent, Qobuz sogar drei Cent pro Stream. Diese Zahlen, so Reimann, seien schwer zu prüfen. Was aber gesichert sei, ist, dass über Spotify weniger bei den Rechteinhabern lande, als über die genannten Mitbewerber.
Es läuft etwas grundverkehrt
Spotify habe die Union Of Musicians And Allied Workers mit ihrem Anliegen bisher ignoriert, berichtet Reimann. Auch seine Presseanfrage zu dem Thema wollte Spotify nicht beantworten. Die Proteste der Musikerinnen und Musiker an 31 Spotify-Standorten weltweit, befürchtet er, fallen für Spotify nicht weiter ins Gewicht.
Potential sehe er aber in der Existenz des Verbandes überhaupt. Allein, dass dieser sich im vergangenen Jahr formiert habe, zeige, wie kritisch die Lage für viele Musikerinnen und Musiker, aber auch andere Menschen aus diesem Sektor, ist. Der Zulauf sei bemerkenswert, und er mache deutlich, dass etwas grundverkehrt laufe in der Streaming-Ökonomie, so Reimann.
Die Indie-Musiker bleiben außen vor, während an anderer Stelle sehr wohl Geld mit Streaming verdient wird. Daher sei es höchste Zeit, dass sich Musikerinnen und Musiker, die zu lange alleine gekämpft haben, zusammenschließen und gemeinsam ihre Anliegen formulieren.
(nis)