Die Karriere eines Begriffs

Provenienzforschung befasst sich mit der Herkunft von Kunst- und Kulturgütern. Mit Fragen wie: Wann entstand ein Bild? In wessen Besitz war es, bevor es ans Museum kam? Und: Hängt es rechtmäßig im Haus?
Provenienzforschung: Sie entstand im 19. Jahrhundert mit der Einrichtung öffentlicher Museen. Sie gehört zu den grundlegenden Aufgaben von Museen, Bibliotheken, Archiven, Kunst- und Antiquitätensammlungen, und soll den unrechtmäßigen Besitz von Kunst- und Kulturgütern ausschließen.
Soweit die Theorie. Nun zur Praxis.
Den Sprung in die Öffentlichkeit schaffte der Begriff 1998, als Überlebende des Holocaust in Washington forderten, deutsche Museen und Archive müssten endlich nach ihren im Nationalsozialismus geraubten Kulturgütern suchen und sie zurückgeben.
Wieso hatte die Provenienzforschung das nicht längst gemacht? Schlicht und einfach: Weil es sie nicht gab. Und das war kein Zufall.
Als zwischen 1933 und 1945 massenhaft enteigneter und geraubter jüdischer Besitz an die Museen kam, waren Museumsleiter an diesen Enteignungen beteiligt. Und so wie es damals niemanden interessierte, woher die Bilder, Teppiche, Urkunden, Münzen und Zeichnungen in den Museen kamen, interessierte es auch nach 1945 nicht. Die neuen Herren waren die alten Herren. Provenienzforschung war für sie ein Fremdwort. Auch für ihre Nachfolger.
Bis den letzten Überlebenden und ihren Erben der Kragen platzte und sie mit Hilfe von Anwälten ihren Besitz verlangten. Bis sich die Bundesregierung auf der Washingtoner Konferenz von 1998 verpflichtete, dass die deutschen Museen ihre Sammlungen nach NS-Raubkunst durchforsten und geraubte Kunst zurückgeben müssten.
Noch immer findet Provenienzforschung kaum statt
Und dann geschah - erst einmal nichts. Denn: Das Ganze entpuppte sich als moralischer Appell. Die Rückgabe von Raubgut war freiwillig, sie lag - und liegt - im Ermessen der Museen.
In Frankreich und den Niederlanden hatten die Regierungen unmittelbar nach Kriegsende geregelt, dass alle Vermögensübertragungen zwischen 1933 und 1945 per se nichtig waren. Restitutionen konnten schnell geleistet werden. In Deutschland fehlt eine solche Regelung - bis heute.
Auch schuf die Bundesregierung trotz ihrer Verpflichtung keinerlei finanzielle Voraussetzungen dafür, dass die Museen mit der Provenienzforschung beginnen konnten.
So wurde zwar von Provenienzforschung geredet, doch noch immer fand sie kaum statt. Und da die Restitution von Kunstwerken ohnehin freiwillig war, führte dies an einigen Museen zum Aussitzen von Opferanfragen. Dann kam 2012 der "Fall Gurlitt" – und das Wort "Provenienzforschung" machte einen Sprung auf der Bekanntheitsskala.
Und – was ist passiert? Nicht viel. Einige Museen haben mittlerweile verstanden, dass Raubkunst an der Wand ihrem Image schadet. Sie setzen nun auf Transparenz und öffentliche Mithilfe. Aber – ein Wort, auch wenn es in aller Munde ist, ist erst mal nur ein Wort.
Noch immer findet Provenienzforschung kaum statt. Den Häusern fehlt das Geld. Das Personal. Etwa 80 befristete Stellen gibt es in Deutschland - und 6500 Museen.