Provokationen als Klassiker
Wolfgang Menge, TV-Urgestein aus Berlin, war einer der kreativsten Köpfe im deutschen Fernsehen. Bereits in den 80er Jahren hob er mit der "Talkshow" ein neues Format aus der Taufe - Sendereihen wie "Ein Herz und eine Seele" wurden Kult. Am Mittwoch starb Menge im Alter von 88 Jahren in Berlin.
Geboren wurde der Fernsehmacher am 10. April 1924 in Berlin. Der Sohn eines Studienrats wuchs in Hamburg auf, machte während des Krieges Abitur und wurde anschließend zum Kriegsdienst einberufen. Menge war 1949 der erste Reporter, der vom Hamburger Abendblatt eingestellt wurde.
In den 1950er Jahren ging Menge als Auslandsreporter nach Ostasien. Er war nach dem Krieg der erste deutsche Reporter in Tokio und der erste deutsche Journalist, der mit der transsibirischen Eisenbahn von Peking nach Moskau reiste. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland etwa Mitte der 60er begann Menge Drehbücher zu schreiben. Seine Erfolge wurden Teil der Fernsehgeschichte.
Zu sagen, was für ein Mensch er sei, was für ein Charakter, ein Typ, nein, das hat Wolfgang Menge immer verweigert. Allerhöchstens ließ er sich dazu hinreißen, Freunde zu zitieren – mit einem Psychogramm über ihn:
"Also ich glaube, Dohnanyi hat gesagt, ein englischer Kolonialoffizier mit einer Seidenhaut. Das ist schon ... Offenbar ist es so, ich weiß es selbst natürlich nicht."
Wobei dieser alte Freund wohl kaum die Seidenhaut von Menges glänzender Glatze gemeint haben wird, mit der der im Fernsehen zu sehen war, wenn er denn selbst vor der Kamera trat.
"Zu später Stunde noch einmal guten Abend, meine Damen und Herren! Mit ´Drei nach Neun´ wird heute eine neue Sendereihe aus der Taufe gehoben. Marianne Koch, Wolfgange Menge und Gerd von Paczenky erwarten einige Gäste im Studio, mit denen sie sprechen möchten."
Die Glatze wie gesagt und das Schnoddrige, das kennzeichnet Menge in den 1980er Jahren als Moderator und Erfinder der Bremer Talkshow "Drei nach neun". Wo Wolfgang Neuss Richard von Weiszäcker "Richie" nannte oder Beate Uhse von Wolfgang Menge nach den verschiedenen Vibratormodellen befragt wurde. So was war damals ein Skandal und von Wolfgang Menge wahrlich genüsslich ´aufgeführt´ – was für den 1924 geborenen Berliner, der in Hamburg aufwuchs, immer charakteristisch war.
"Der längste Vibrator der Welt, 30 cm lang, 25 Mark. Jetzt kommt der nächste, der heißt ´Riesenvibrator´ und ist 23,5 cm lang, kostet 34 Mark. – Der hat eine andere Schaltung. – Ach so!"
Wobei die Skandale oder Skandälchen in der Bremer Talkshow gar nichts waren gegen die, die über 'deutsche Fernsehvolk' durch die von Wolfgang Menge geschriebenen Fernsehfilme oder Serien hereinbrachen. Für solche Provokationen (...)
"Du bist doch zu dusselig. – Ich? Jetzt habe ich noch die Schuld."
(Aus: "Ein Herz und eine Seele")
(...) die sich in Klassiker verwandelten, dafür stand Menge und seine Serie "Ein Herz und eine Seele" von 1973 bis 1976, die aber schnell einen anderen Namen bekam, sozusagen vom Fernsehvolk verliehen: 'Ekel Alfred':
"Hast du denn gar kein Verständnis dafür, dass Frauen auch gleichberechtigt behandelt werden wollen, dass sie sich endlich mal emanzipieren? – Du, Kegeln ist Männersport, das ist der Punkt. Und ich bin dagegen, dass Frauen jetzt immer des machen, was Männer machen."
(Aus: "Ein Herz und eine Seele")
Lustvoll verstieß Wolfgang Menge damals, in den 1970er Jahren, gegen etwas, was seinerzeit vielleicht noch als 'der gute Ton' durchging und heute 'politische Korrektheit' genannt wird. Ekel Alfred war der Stammtisch-Amokläufer aus der Zeit der sozialliberalen Koalition; dieser Alfred Tetzlaff war Kult. Doch Wolfgang Menges Kommentar zur deutschen Wiedervereinigung mittels einer anderen Figur, dieses prolligen und hasserfüllten Bruders von Ekel Alfred, schaffte den Kultstatus zwei Jahrzehnte später nicht.
"Doris ist noch nicht unter der Erde, jetzt gehst du hin zu diesen Scheißossis, diesen Betrügern und sagst denen Bescheid, dass wir ... – Das hat keinen Zweck, Friedhelm." (Aus: "Motzki")
"Und denn habe ich immer überlegt, also die Situation, plötzlich fallen die Grenzen nach Westen: Wie würde die Person reagieren? Und da bin ich vermutlich auf ganz andere Dinge gekommen als die große Politik oder die denkenden Journalisten."
Waren die wiedervereinigten Deutschen 1993, als Motzki das Licht der TV-Welt erblickte, noch nicht bereit, sich einen Finger in die Wunde ihres 'neuen Deutschlands' legen zu lassen?
"Ich an Ihrer Stelle würde jetzt zur Polizei gehen. Die freuen sich bestimmt, dass sie Sie mal wieder sehen. Wo sie sonst immer Pflastersteine auf die Bullen schmeißen und bei Aldi die Fensterscheiben zertrümmern. Und den Schnaps klauen. Aber jetzt ist ein richtiges Verbrechen passiert. Friedhelm Motzki aus der Linsenstraße 48, Hochparterre links, hat einen herrenlosen Köter getreten." (Aus: "Motzki")
"Weil alle immer so getan haben, als wäre alles Friede, Eierkuchen ... da gibt´s noch eins ... Freude, ja ... Und man merkte schon, wie es knirschte eigentlich. Und dann habe ich den ´Motzki´ dann eben geschrieben, um zu zeigen, dass das nicht so toll ist."
Motzki, die Serie, war also eine typisch Mengesche Provokation, geboren aus einem nüchternen Blick in die Realität. Was eben auch bei den beiden legendären Fernsehspielen "Das Millionenspiel" und "Smog" nicht anders war.
"Hier spricht die Polizei. Es ist Smogalarm. Stufe 1. Wir bitten die Besitzer von Kraftfahrzeugen ..."
(Aus: "Smog")
Als "Smog" 1973 im Fernsehen ausgestrahlt wurde und gnadenlos sachlich die Folgen eines Smogalarms in Nordrhein-Westfalen beschrieb, waren Umweltprobleme schon deutlich sichtbar, aber eben noch nicht das mainstream-Thema. Und auch die Reality-TV-Vision "Das Millionenspiel" von 1970, in dem im Fernsehen live einer darum kämpft, sein Leben zu behalten und dafür, falls es ihm gelingt, eine Million Deutsche Mark zu gewinnen, erscheint heute visionär. Aber Wolfgang Menge wies alles Prophetische immer weit von sich:
"Im Grunde war lag das damals nahe, dass ich das gemacht habe. Finde ich. Da wurde schon diskutiert kommerzielles Fernsehen – da gab´s ja nur öffentlich-rechtlich. Und dann habe ich - naiv, wie ich war - gedacht, solche Sachen sind nur im kommerziellen Fernsehen möglich und nicht im öffentlich-rechtlichen, dass man sich um so etwas wie Quote kümmert."
Diese Naivität ließ Wolfgang Menge allerdings inzwischen fahren:
"Das ist so, das erleben Sie doch täglich, wir kriegen doch fast jeden Tag solche Sachen geliefert. Varianten des Spiels."
Mit Weisheit und der Gnädigkeit des Alters, vielleicht auch aus Höflichkeit schweigt er über das, was heute das Fernsehen ist.
"Das kann ich ja nicht wissen, wenn ich nicht gucke. Nein, ich gehe früh ins Bett, wahrscheinlich. Ich kann nicht so lange aufbleiben."
Das Alter eben, wissen Sie, meint er, klug lügend, zum Interviewer. Über das Altwerden hat Wolfgang Menge einmal behauptet, dass es ja nicht so schlimm sei. Erstens:
"Alter spielt überhaupt keine Rolle, es sei denn, man sei ein Käse."
Und zweitens:
"Es gibt so eine natürliche, ich weiß nicht, eine glückliche Entwicklung, das heißt, man verliert die Lust an Dingen, die man vielleicht gar nicht mehr kann."
Solche Gelassenheit auch für den letzten Atemzug, die könnte man sich bei diesem großen Fernsehmann durchaus vorstellen.
In den 1950er Jahren ging Menge als Auslandsreporter nach Ostasien. Er war nach dem Krieg der erste deutsche Reporter in Tokio und der erste deutsche Journalist, der mit der transsibirischen Eisenbahn von Peking nach Moskau reiste. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland etwa Mitte der 60er begann Menge Drehbücher zu schreiben. Seine Erfolge wurden Teil der Fernsehgeschichte.
Zu sagen, was für ein Mensch er sei, was für ein Charakter, ein Typ, nein, das hat Wolfgang Menge immer verweigert. Allerhöchstens ließ er sich dazu hinreißen, Freunde zu zitieren – mit einem Psychogramm über ihn:
"Also ich glaube, Dohnanyi hat gesagt, ein englischer Kolonialoffizier mit einer Seidenhaut. Das ist schon ... Offenbar ist es so, ich weiß es selbst natürlich nicht."
Wobei dieser alte Freund wohl kaum die Seidenhaut von Menges glänzender Glatze gemeint haben wird, mit der der im Fernsehen zu sehen war, wenn er denn selbst vor der Kamera trat.
"Zu später Stunde noch einmal guten Abend, meine Damen und Herren! Mit ´Drei nach Neun´ wird heute eine neue Sendereihe aus der Taufe gehoben. Marianne Koch, Wolfgange Menge und Gerd von Paczenky erwarten einige Gäste im Studio, mit denen sie sprechen möchten."
Die Glatze wie gesagt und das Schnoddrige, das kennzeichnet Menge in den 1980er Jahren als Moderator und Erfinder der Bremer Talkshow "Drei nach neun". Wo Wolfgang Neuss Richard von Weiszäcker "Richie" nannte oder Beate Uhse von Wolfgang Menge nach den verschiedenen Vibratormodellen befragt wurde. So was war damals ein Skandal und von Wolfgang Menge wahrlich genüsslich ´aufgeführt´ – was für den 1924 geborenen Berliner, der in Hamburg aufwuchs, immer charakteristisch war.
"Der längste Vibrator der Welt, 30 cm lang, 25 Mark. Jetzt kommt der nächste, der heißt ´Riesenvibrator´ und ist 23,5 cm lang, kostet 34 Mark. – Der hat eine andere Schaltung. – Ach so!"
Wobei die Skandale oder Skandälchen in der Bremer Talkshow gar nichts waren gegen die, die über 'deutsche Fernsehvolk' durch die von Wolfgang Menge geschriebenen Fernsehfilme oder Serien hereinbrachen. Für solche Provokationen (...)
"Du bist doch zu dusselig. – Ich? Jetzt habe ich noch die Schuld."
(Aus: "Ein Herz und eine Seele")
(...) die sich in Klassiker verwandelten, dafür stand Menge und seine Serie "Ein Herz und eine Seele" von 1973 bis 1976, die aber schnell einen anderen Namen bekam, sozusagen vom Fernsehvolk verliehen: 'Ekel Alfred':
"Hast du denn gar kein Verständnis dafür, dass Frauen auch gleichberechtigt behandelt werden wollen, dass sie sich endlich mal emanzipieren? – Du, Kegeln ist Männersport, das ist der Punkt. Und ich bin dagegen, dass Frauen jetzt immer des machen, was Männer machen."
(Aus: "Ein Herz und eine Seele")
Lustvoll verstieß Wolfgang Menge damals, in den 1970er Jahren, gegen etwas, was seinerzeit vielleicht noch als 'der gute Ton' durchging und heute 'politische Korrektheit' genannt wird. Ekel Alfred war der Stammtisch-Amokläufer aus der Zeit der sozialliberalen Koalition; dieser Alfred Tetzlaff war Kult. Doch Wolfgang Menges Kommentar zur deutschen Wiedervereinigung mittels einer anderen Figur, dieses prolligen und hasserfüllten Bruders von Ekel Alfred, schaffte den Kultstatus zwei Jahrzehnte später nicht.
"Doris ist noch nicht unter der Erde, jetzt gehst du hin zu diesen Scheißossis, diesen Betrügern und sagst denen Bescheid, dass wir ... – Das hat keinen Zweck, Friedhelm." (Aus: "Motzki")
"Und denn habe ich immer überlegt, also die Situation, plötzlich fallen die Grenzen nach Westen: Wie würde die Person reagieren? Und da bin ich vermutlich auf ganz andere Dinge gekommen als die große Politik oder die denkenden Journalisten."
Waren die wiedervereinigten Deutschen 1993, als Motzki das Licht der TV-Welt erblickte, noch nicht bereit, sich einen Finger in die Wunde ihres 'neuen Deutschlands' legen zu lassen?
"Ich an Ihrer Stelle würde jetzt zur Polizei gehen. Die freuen sich bestimmt, dass sie Sie mal wieder sehen. Wo sie sonst immer Pflastersteine auf die Bullen schmeißen und bei Aldi die Fensterscheiben zertrümmern. Und den Schnaps klauen. Aber jetzt ist ein richtiges Verbrechen passiert. Friedhelm Motzki aus der Linsenstraße 48, Hochparterre links, hat einen herrenlosen Köter getreten." (Aus: "Motzki")
"Weil alle immer so getan haben, als wäre alles Friede, Eierkuchen ... da gibt´s noch eins ... Freude, ja ... Und man merkte schon, wie es knirschte eigentlich. Und dann habe ich den ´Motzki´ dann eben geschrieben, um zu zeigen, dass das nicht so toll ist."
Motzki, die Serie, war also eine typisch Mengesche Provokation, geboren aus einem nüchternen Blick in die Realität. Was eben auch bei den beiden legendären Fernsehspielen "Das Millionenspiel" und "Smog" nicht anders war.
"Hier spricht die Polizei. Es ist Smogalarm. Stufe 1. Wir bitten die Besitzer von Kraftfahrzeugen ..."
(Aus: "Smog")
Als "Smog" 1973 im Fernsehen ausgestrahlt wurde und gnadenlos sachlich die Folgen eines Smogalarms in Nordrhein-Westfalen beschrieb, waren Umweltprobleme schon deutlich sichtbar, aber eben noch nicht das mainstream-Thema. Und auch die Reality-TV-Vision "Das Millionenspiel" von 1970, in dem im Fernsehen live einer darum kämpft, sein Leben zu behalten und dafür, falls es ihm gelingt, eine Million Deutsche Mark zu gewinnen, erscheint heute visionär. Aber Wolfgang Menge wies alles Prophetische immer weit von sich:
"Im Grunde war lag das damals nahe, dass ich das gemacht habe. Finde ich. Da wurde schon diskutiert kommerzielles Fernsehen – da gab´s ja nur öffentlich-rechtlich. Und dann habe ich - naiv, wie ich war - gedacht, solche Sachen sind nur im kommerziellen Fernsehen möglich und nicht im öffentlich-rechtlichen, dass man sich um so etwas wie Quote kümmert."
Diese Naivität ließ Wolfgang Menge allerdings inzwischen fahren:
"Das ist so, das erleben Sie doch täglich, wir kriegen doch fast jeden Tag solche Sachen geliefert. Varianten des Spiels."
Mit Weisheit und der Gnädigkeit des Alters, vielleicht auch aus Höflichkeit schweigt er über das, was heute das Fernsehen ist.
"Das kann ich ja nicht wissen, wenn ich nicht gucke. Nein, ich gehe früh ins Bett, wahrscheinlich. Ich kann nicht so lange aufbleiben."
Das Alter eben, wissen Sie, meint er, klug lügend, zum Interviewer. Über das Altwerden hat Wolfgang Menge einmal behauptet, dass es ja nicht so schlimm sei. Erstens:
"Alter spielt überhaupt keine Rolle, es sei denn, man sei ein Käse."
Und zweitens:
"Es gibt so eine natürliche, ich weiß nicht, eine glückliche Entwicklung, das heißt, man verliert die Lust an Dingen, die man vielleicht gar nicht mehr kann."
Solche Gelassenheit auch für den letzten Atemzug, die könnte man sich bei diesem großen Fernsehmann durchaus vorstellen.