Prozess gegen Kunsthändler

Wie Helge Achenbach den Geldadel narrte

Helge Achenbach
Helge Achenbach © dpa
Moderation: Katja Schlesinger und Katja Schlesinger |
Mit millionenschweren Bildern und Oldtimern soll er die Superreichen abgezockt haben, jetzt steht der Kunsthändler Helge Achenbach vor Gericht. Worum es bei dem Strafprozess genau geht, erklärt der Kunstmarkt-Experte Stefan Koldehoff.
Katja Schlesinger: Über diesen Mann könnte man einen Film drehen: Der Aufstieg und Fall des Helge Achenbach, des Kunstberaters und Kunsthändlers, einer ziemlich windigen, schillernden Figur
Frank Meyer: Er hat mit Millionenbeträgen hantiert, war ein Freund der Reichen und Mächtigen, was ihn aber, die Freundschaft, nicht daran gehindert hat, die reichen Freunde ordentlich abzuzocken, wenn er ihnen Kunstwerke vermittelt hat. Das ist alles aufgeflogen, seit dem Sommer sitzt er in Untersuchungshaft und es läuft auch schon ein Prozess gegen ihn.
Schlesinger: Ja, und als ob das nicht schon genug Stoff für einen guten Film wäre, sind die Kläger in dem Prozess, Familienangehörige des 2012 verstorbenen Aldi-Erben, Berthold Albrecht, unglaublich reiche Leute, die unglaublich viel dafür tun, eigentlich, dass so wenig wie möglich von ihrem Privatleben an die Öffentlichkeit gerät. In diesem Fall aber, wahrscheinlich, weil der Schaden so groß ist, haben sie öffentlich gemacht, dass Albrecht von Achenbach Kunstwerke und Oldtimer zu völlig überhöhten Preisen gekauft hat. Der Schaden soll bei rund 20 Millionen Euro liegen.
Meyer: Wir sind also im Komplex Kunst und Verbrechen. Heute hat nun ein weiterer Prozess gegen Helge Achenbach begonnen, und darüber reden wir mit Stefan Koldehoff von unserem Schwesterprogramm Deutschlandfunk. Guten Tag, Herr Koldehoff!
Stefan Koldehoff: Guten Tag!
Meyer: Sie waren jetzt dabei, beim Prozessauftakt vor dem Essener Landgericht. Wir haben gerade schon das Zivilverfahren der Albrecht-Familie gegen Achenbach erwähnt; jetzt hat in Essen ein Strafverfahren gegen Achenbach begonnen. Warum klagt jetzt der Staat gegen ihn?
"Da ist möglicherweise noch eine Strafe fällig"
Koldehoff: Sie haben es ja gerade schon beschrieben: Familie Albrecht ist nach Meinung auch der Staatsanwaltschaft zu Recht der Meinung, dass man da betrogen worden ist, dass man da was zurückbekommen möchte. Das ist eine privatrechtliche Auseinandersetzung, da klagt also privat gegen privat. Nun ist aber der Staat in Gestalt der Staatsanwaltschaft in Essen eben auch der Meinung, da sind Gesetze verletzt worden, konkret Untreue und so weiter, und so fort. Und deswegen kann das Ganze nicht nur finanziell geregelt werden, da ist möglicherweise auch noch eine Strafe fällig.
Schlesinger: Und bei der Verlesung der Anklage heute, gab es da überraschende Details oder Anschuldigungen?
Koldehoff: Die Verlesung der Anklage, die fast eine Stunde gedauert hat, war vor allen Dingen das schier endlose Aufzählen von Kunstwerken, deren Ankaufspreisen und deren Verkaufspreisen. Und da gab es schon eine Reihe von Überraschungen. Wenn man sieht, dass da, so jedenfalls – bisher ist das ja alles nicht bewiesen – der Vorwurf der Staatsanwaltschaft, dass da mal eben Dollar-Rechnungen in Euro-Rechnungen umfrisiert worden seien, und bei fünf Millionen macht das schon einen gewaltigen Unterschied, ob das nun Dollar gewesen sind oder Euro.
Wenn man sich auch anhört, dass diese Rechnungen nie im Original vorgelegt wurden, sondern immer nur gefaxt oder als Fotokopien weitergereicht wurden, wenn überhaupt, dann war das schon die eine Überraschung. Dass man offenbar in bestimmten Kreisen gar keinen großen Wert auf Belege legt und auf Überprüfbarkeit legt, sondern dass man Handschlaggeschäfte abschließt und sich mit Fotokopien zufrieden gibt.
Das Zweite, was mich persönlich gewundert hat, ist, wie eigentlich planlos da gekauft worden ist. Natürlich sind die Werke der Sammlung Albrecht, die da angeblich zu überhöhten Preisen gekauft worden sind, alle aufgezählt worden. Und das geht von Gegenwartskünstlern wie Murakami oder Georg Baselitz bis zurück zu Expressionisten wie Ernst-Ludwig Kirchner oder Oskar Kokoschka. Da konnte man so ein klein bisschen den Eindruck bekommen, da hat Herr Albrecht nicht unbedingt mit System gesammelt, sondern da hat ihm irgendjemand gesagt, das ist ein toller Name, da solltest du was von haben, und ich kann dir was besorgen, gib mir mal das Geld.
Meyer: Das zur Anklage. Jetzt haben sich ja auch die Anwälte schon geäußert. Hat man da absehen können, wie sie ihren Klienten da wieder rausholen wollen?
"Wahrscheinlich, dass es weitere Geschädigte gibt"
Koldehoff: Also, um den Vorwurf vielleicht zunächst noch mal klar zu machen, damit man dann auch verstehen kann, wie die Anwälte drauf reagieren: Der Vorwurf lautet, es habe eine Absprache gegeben zwischen Achenbach, einem Komplizen, Stefan-Horst Hemke, mit dem zusammen er dann bei der Düsseldorfer Privatbank Berenberg eine eigene Kunstberatung gegründet hatte. Und den Kunden, die das in Anspruch genommen haben, denen sei zugesagt worden, so die Anklage, dass man bei Bildern, die besorgt werden, den Einkaufspreis eins zu eins an sie wiedergibt – also, wenn Herr Achenbach fünf Millionen für einen Picasso bezahlt, dann werden diese fünf Millionen so weitergereicht an Herrn Albrecht.
Aber Herr Achenbach darf dann eine Marge, eine Handling Fee, wie das heißt, eine Provision von fünf Prozent berechnen. Das wäre dann sein Gewinn gewesen. Es ging da auch um Oldtimer von unglaublichem Wert, Autos, die über zehn Millionen pro Stück gekostet haben. Da betrug diese Handling Fee dann nur drei Prozent.
Und der Vorwurf ist jetzt, dass es nicht so gelaufen ist wie angeblich verabredet, sondern dass eben über die manipulierten Rechnungen, von denen wir vorhin gesprochen haben, Herr Achenbach von vornherein höhere Einkaufspreise behauptet hat als die tatsächlichen. Da sagt jetzt die Verteidigung, ob denn nun tatsächlich in jedem Fall diese fünf Prozent für Kunstwerke, drei Prozent für Autos so bombensicher verabredet waren, das müssen wir doch mal erst sehen im Rahmen der Beweisaufnahme.
Es gab Werke dabei, die waren unglaublich schwierig zu bekommen, so die Verteidigung, da musste Herr Achenbach viele Reisen für unternehmen, und möglicherweise hatte er da auch besondere Auslagen für. Und das war auch schon die Strategie des Verteidigers im Zivilverfahren gegen die Familie Albrecht. Da haben nun eben beide unisono, sowohl im einen als auch im anderen Verfahren gesagt, es war in Ordnung, dass Herr Achenbach größere Gewinnspannen als diese fünf bzw. drei Prozent kassiert hat. Das war zwischen den beiden, zwischen Albrecht und ihm, in Ordnung.
Und im Übrigen ist ja niemand geschädigt worden. Denn diese Bilder, auch das will man wohl in den nächsten Prozesstagen belegen, die haben ja seitdem enorm an Wert gewonnen. Also wenn da ein Ernst-Ludwig Kirchner für zwei Millionen gekauft worden ist, dann will man jetzt den Beweis antreten, dass der heute vier Millionen wert sei. Und da sagen die Verteidiger, wo niemand geschädigt worden ist, da kann doch auch kein Betrug vorliegen.
Das sieht natürlich die Staatsanwältin völlig anders, die sagt, es hat klare Vereinbarungen gegeben, sogenannte Kommissionsgeschäfte, da hat sich Herr Achenbach dran zu halten. Das hat er nicht getan, deswegen der Betrugsvorwurf.
Schlesinger: Es war ja immer von einem System Achenbach die Rede. Könnten denn noch weitere privatrechtliche Klagen folgten?
Koldehoff: Ich berichte jetzt seit ungefähr 20 Jahren über den Kunstmarkt, und natürlich darf man nicht verallgemeinern. Ich halte da alles für möglich. Beim Kunsthandel, da werden so enorme Gewinne erzielt, dass da offenbar – wie gesagt, es gibt sehr, sehr sorgfältige Galeristen, Händler und Auktionshäuser, aber es gibt eben auch viele, die nicht so genau hingucken oder nicht so genau hingucken wollen, weil man so viel Geld verdienen kann.
Dass es weitere Geschädigte gibt, halte ich für sehr wahrscheinlich, denn Herr Achenbach war einer der bekanntesten Kunstberater in Deutschland. Aber bislang sind nur noch sehr, sehr wenige andere Namen bekannt, die kursieren. Unter anderem der der Viehof-Brüder, das sind die Geschwister, die die Handelskette Allkauf besessen haben.
Meyer: Seit heute läuft ein zweiter Prozess gegen den Kunstberater Helge Achenbach. Wir haben darüber gesprochen mit Stefan Koldehoff vom Deutschlandfunk. Ganz herzlichen Dank für das Gespräch!
Koldehoff: Sehr gern!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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