Prozess gegen Wikileaks-Gründer Julian Assange

Investigativ-Journalist Holger Stark sieht Demokratie in Gefahr

15:27 Minuten
Ein Protestierender fordert bei einer Demo in Paris die sofortige Freilassung von Julian Assange.
Assange ist zum Symbol für die Bedrohung der Pressefreiheit geworden. © Joris van Gennip / laif
Moderation: Vera Linß und Dennis Kogel |
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Der Journalist Holger Stark sieht im Verfahren gegen Assange einen fundamentalen Angriff auf die Pressefreiheit. Müssten Investigativ-Journalisten mit hohen Haftstrafen rechnen, sei die Botschaft klar: "Regierungskritischer Journalismus ist nicht erwünscht."
Kurz vor dem Start des Verfahrens um seine Auslieferung von Großbritannien in die USA erhält Julian Assange Unterstützung aus Deutschland. Mehr als 130 Politiker, Künstler und Journalisten haben sich für die Freilassung des in Großbritannien inhaftierten Wikileaks-Gründers Julian Assange ausgesprochen. Sie berufen sich unter anderem auf den UN-Sonderberichterstatter für Folter, Nils Melzer, der schwere Vorwürfe gegen die Behörden in Großbritannien, Schweden, den USA und Ecuador erhebt. In seinen Augen wird an Assange ein Exempel statuiert, um Journalisten einzuschüchtern. Die Vorwürfe gegen den 48 Jahre alten gebürtigen Australier hält er für konstruiert.

Angriff auf die Pressefreiheit

Auch der "Zeit"-Journalist Holger Stark, der mit Julian Assange zusammengearbeitet hat, sieht in dem Prozess einen fundamentalen Angriff auf die Pressefreiheit. Assange werde nach dem Espionage Act von 1917 als Spion kategorisiert und angeklagt. "Wenn man als Publizist damit rechnen muss, dass in dem Moment, wo man geheime Dokumente einer Regierung entgegennimmt und dann veröffentlicht, dass man dafür 175 Jahre im Extremfall ins Gefängnis gehen muss, dann ist doch die Botschaft ganz klar: Regierungskritischer Journalismus endet möglicherweise im Gefängnis und ist nicht erwünscht."
Holger Stark, stellvertretender Chefredakteur der "Zeit", bei einem Gespräch mit Edward Snowden.
Holger Stark, stellvertretender Chefredakteur der "Zeit", hat auch mit anderen Whistleblowern zusammengearbeitet - hier bei einem Gespräch mit Edward Snowden.© dpa / Jörg Carstensen
Dies sei konträr "zu allem, wie die Rolle von Presse und Medien in einer freien Demokratie gedacht ist, wo sie gerade den Regierenden auf die Finger gucken sollen, die ihr Regierungshandeln verstecken wollen. Aus meiner Sicht geht es richtig an die Wurzeln der Demokratie." Entweder gelte die Redefreiheit für alle, auch für Wikileaks und Julian Assange - oder nicht. Dann müssten aber Zeitungen wie die "New York Times" oder der "Spiegel" ebenfalls vor Gericht gezerrt werden, so Stark.

Klares Bekenntnis der Bundesregierung gefordert

Der "Zeit"-Journalist fordert die Bundesregierung daher auf, sich ganz klar zu dem Prinzip einer freien Presse zu bekennen. "Ich würde mir wünschen, dass die Bundesregierung sich klar anguckt, wie diese Anklage gestrickt ist, und zu der Erkenntnis kommt, dass signifikante Teile exakt auf die Arbeit einer freien Presse abzielen." Ironischerweise hätten sich an dem Aufruf zur Freilassung von Julian Assange mit dem ehemaligen Außenminister Sigmar Gabriel und der ehemaligen Justizministerin Katarina Barley Politiker beteiligt, die nun kein Regierungsamt mehr innehaben. "Es wäre schön gewesen, wenn sie dies getan hätten, solange sie noch in ihren Ämtern gewesen wären."

Angriff auf das Prinzip Wikileaks

Whistleblower seien sich seit vielen Jahren der Tatsache bewusst, dass sie einem Verfolgungsdruck ausgesetzt seien und ein hohes Risiko eingehen würden, betont Stark. Bei dem Prozess gegen Julian Assange und WikiLeaks gehe es jedoch um sehr viel mehr: "Da geht es um die Zerstörung dieser Idee und die Zerstörung dieser Infrastruktur."
Auch er sei nicht mit allen Prinzipien von Wikileaks einverstanden gewesen, betont Stark. "Ich glaube, dass dieses Prinzip, dass jede Information, die bei Wikileaks eingeht, eins zu eins ungefiltert auf den Markt muss, dass das ein Irrglaube ist."
Trotzdem sei Wikileaks eine Plattform, die bei der Aufklärung von Kriegsverbrechen und Vergehen der USA, aber auch für das grundsätzliche Verhältnis von Öffentlichkeit und geheimen Quellen viel gebracht habe. "Wir verdanken Wikileaks die Idee, dass man anonym im Netz, ohne Spuren zu hinterlassen, Informationen loswerden kann – und dass die dann im Netz aufbereitet und publiziert, einer Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Das ist grandios und wird immer auch mit dem Namen Assange verbunden bleiben."
(lkn/dpa)
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