Psychische Krankheiten überwinden
In dem Buch geht es über "Grenzüberschreitungen" in den Bereichen der Kunst, Gestaltung und Therapie. In verschiedenen Autorenbeiträgen wird erläutert, wie die Lösung aus beengenden Rollenmustern helfen kann, Therapien zu bereichern und Krankheiten der Seele zu überwinden.
In dem Buch "Grenzüberschreitungen" wird die Fähigkeit zur Vielfalt in den Zusammenhängen von Kunst (Malerei, Performance, Musik), Gestaltung und Therapie betrachtet. In verschiedenen Autorenbeiträgen wird erläutert, wie die Lösung aus beengenden Rollenmustern helfen kann Therapien zu bereichern und Krankheiten der Seele zu überwinden.
Es sei bedauerlich, heißt es gleich in der Einleitung dieses Buches über
Kunst, Gestaltung und Therapie, dass Kreativtherapien in Deutschland nicht voll anerkannt werden, so wie in anderen Staaten längst geschehen. Heutzutage, meint Ruth Hampe, Professorin für Kunsttherapie und Rehabilitation in Freiburg leicht resigniert,
"scheint ein Glaube an die Heilwirkung der Medikamente und technischen Apparaturen vorzuherrschen. Der Ansatz einer ganzheitlichen Medizin, ein Verständnis der Einheit von Körper, Seele und Geist ist zurückgetreten."
Zu den ganzheitlichen Verfahren, die in diesem Band vorgestellt werden, gehören Behandlungsmethoden, die unter dem Sammelbegriff der "Künstlerischen Therapien" firmieren. Der Psychiater Peter Petersen, Gründer und Leiter eines Forschungsinstituts für Künstlerische Therapien, versteht darunter »eine Therapieform, die mit sinnlichen Medien arbeitet«. Die Spannbreite reicht von der Mal- und Musiktherapie über
"die Gestaltungstherapie, Tanz und Bewegungstherapie, Poesie- und
Sprachtherapie bis hin zur Gartentherapie und Landart"."
Zu den Zielgruppen gehören Kinder und Jugendliche, Behinderte, Kranke und Alte, aber auch Immigranten. So viel die Rede dabei von den schönen Künsten ist, in den kreativen Therapien sollen keine großen Künstler herangebildet, sondern verborgene Ressourcen zur Kräftigung und Stabilisierung des Ichs erkundet werden. Es gehe nicht
""um das Entstehen von Kunstwerken, sondern um die Freilegung und
Entwicklung der kreativen Potentiale der Menschen ..."
So sind Mitmachen, Mitspielen und Mitagieren wichtiger als das künstlerische Endresultat. In solchen Prozeduren spiegeln sich, wie die kunsthistorischen Exkurse dieses Bandes zeigen, die elementaren Formen des Gestaltens wider, die aller Kunst zu Grunde liegen. Deutlich zeigt sich das am Beispiel der Performancekunst (etwa der Black Market Gruppe) "als einer Kunst des Handelns", in der von den Teilnehmern Konflikte frei improvisatorisch durchspielt werden. Negative Potenziale werden auf diese Weise entladen. Sigmund Freud nannte das in Anlehnung an die Wirkung des antiken Dramas Katharsis, Entschlackung, Reinigung. Messungen haben ergeben, so Claus Bahne Bahnson von der University of California, dass in solchen Situationen auch Stresshormone abgebaut werden.
"Für uns ist es von besonderem Interesse, zu notieren, dass Ängstlichkeit, wenn sie durch schöpferische Aktivitäten gebunden ist, zu einer Dämpfung oder Blockierung von angstbezogenen endokrinen Reaktionen führt."
Ein wesentlicher Faktor für den Erfolg einer Kunsttherapie ist, dass kein Leistungsdruck, keine Zensur, keine Zwänge, innere und äußere, ausgeübt werden. Erst dadurch, meint der Kölner Künstler und Kunstpädagoge Peter Rech, finde der Patient zu sich selbst:
"Die Kunsttherapie ist unter den Therapien diejenige, die der ’Vorherrschaft des Wollens’ am wenigsten das Wort zu reden hat. ... die dem einzelnen Patienten zu dem Recht seiner eigenen Ausnahme verhilft."
Auch die Therapeuten müssen umdenken lernen. Kunsttherapie, die Arbeit am Bild, betont Bettina Egger, sei «nicht Interpretation, sondern Partizipation«. Sie spricht deshalb von ‚begleitendem Malen‘, nicht von »Maltherapeutin«, sondern »Malleiterin«. Kunsttherapie sei Hebammendienst. Egger bezeichnet sich selbst als "Bildhebamme". Dank kunsttherapeutischer Verfahren können bildnerisch Erfahrungen und Ängste freigesetzt werden. Über diesen Weg gelangt man auch wieder zum Sprechen. Das kann besonders für Teilnehmer
"welche mit Sprachschwierigkeiten zu kämpfen haben, von Vorteil sein"."
Häufig sind es Kinder, die »offenbar pädagogisch nicht oder kaum ansprechbar« sind. »Sie müssen«, meint die Heilpädagogin Barbara Wichelhaus,
""deshalb therapiert werden. Erst nach erfolgreichen Therapien sind pädagogische Interventionen sinnvoll."
Hier berühren sich Kunstpädagogik und Kunsttherapie. Beide Disziplinen verfolgen, so Wichelhaus,
""trotz unterschiedlicher Maßnahmen und Strukturen auch ähnliche, in einigen Bereichen sogar gleiche Zielsetzungen, nämlich die Kommunikation eines Kindes mit seiner Umwelt, mit Menschen, Dingen und seiner Kultur zu verbessern oder zu verändern"."
So könnte man die Kunsttherapien, die in diesem informativen aber leider
bisweilen etwas nüchtern verfassten Sammelband vorgestellt werden, generell auch als Vorbereitung zur verbalen Kommunikation auffassen. In einer Gesellschaft, in der ohne Nachricht und Mitteilung kein Existieren oder gar Fortkommen möglich ist, werden die Kreativtherapien in Zukunft für ihren Zusammenhalt immer wichtiger. Es gibt sie ja schon lange, aber die Sachverwalter einer modernen Apparatemedizin stehen offensichtlich einem die Disziplinen überschreitenden Bewusstseinswandel noch im Wege.
Rezensiert von Richard Schroetter
Ruth Hampe/Peter B. Stalder: Grenzüberschreitungen,
Bewusstseinswandel und Gesundheitshandeln
Verlag Frank & Timme
520 Seiten, 39,80 Euro
Es sei bedauerlich, heißt es gleich in der Einleitung dieses Buches über
Kunst, Gestaltung und Therapie, dass Kreativtherapien in Deutschland nicht voll anerkannt werden, so wie in anderen Staaten längst geschehen. Heutzutage, meint Ruth Hampe, Professorin für Kunsttherapie und Rehabilitation in Freiburg leicht resigniert,
"scheint ein Glaube an die Heilwirkung der Medikamente und technischen Apparaturen vorzuherrschen. Der Ansatz einer ganzheitlichen Medizin, ein Verständnis der Einheit von Körper, Seele und Geist ist zurückgetreten."
Zu den ganzheitlichen Verfahren, die in diesem Band vorgestellt werden, gehören Behandlungsmethoden, die unter dem Sammelbegriff der "Künstlerischen Therapien" firmieren. Der Psychiater Peter Petersen, Gründer und Leiter eines Forschungsinstituts für Künstlerische Therapien, versteht darunter »eine Therapieform, die mit sinnlichen Medien arbeitet«. Die Spannbreite reicht von der Mal- und Musiktherapie über
"die Gestaltungstherapie, Tanz und Bewegungstherapie, Poesie- und
Sprachtherapie bis hin zur Gartentherapie und Landart"."
Zu den Zielgruppen gehören Kinder und Jugendliche, Behinderte, Kranke und Alte, aber auch Immigranten. So viel die Rede dabei von den schönen Künsten ist, in den kreativen Therapien sollen keine großen Künstler herangebildet, sondern verborgene Ressourcen zur Kräftigung und Stabilisierung des Ichs erkundet werden. Es gehe nicht
""um das Entstehen von Kunstwerken, sondern um die Freilegung und
Entwicklung der kreativen Potentiale der Menschen ..."
So sind Mitmachen, Mitspielen und Mitagieren wichtiger als das künstlerische Endresultat. In solchen Prozeduren spiegeln sich, wie die kunsthistorischen Exkurse dieses Bandes zeigen, die elementaren Formen des Gestaltens wider, die aller Kunst zu Grunde liegen. Deutlich zeigt sich das am Beispiel der Performancekunst (etwa der Black Market Gruppe) "als einer Kunst des Handelns", in der von den Teilnehmern Konflikte frei improvisatorisch durchspielt werden. Negative Potenziale werden auf diese Weise entladen. Sigmund Freud nannte das in Anlehnung an die Wirkung des antiken Dramas Katharsis, Entschlackung, Reinigung. Messungen haben ergeben, so Claus Bahne Bahnson von der University of California, dass in solchen Situationen auch Stresshormone abgebaut werden.
"Für uns ist es von besonderem Interesse, zu notieren, dass Ängstlichkeit, wenn sie durch schöpferische Aktivitäten gebunden ist, zu einer Dämpfung oder Blockierung von angstbezogenen endokrinen Reaktionen führt."
Ein wesentlicher Faktor für den Erfolg einer Kunsttherapie ist, dass kein Leistungsdruck, keine Zensur, keine Zwänge, innere und äußere, ausgeübt werden. Erst dadurch, meint der Kölner Künstler und Kunstpädagoge Peter Rech, finde der Patient zu sich selbst:
"Die Kunsttherapie ist unter den Therapien diejenige, die der ’Vorherrschaft des Wollens’ am wenigsten das Wort zu reden hat. ... die dem einzelnen Patienten zu dem Recht seiner eigenen Ausnahme verhilft."
Auch die Therapeuten müssen umdenken lernen. Kunsttherapie, die Arbeit am Bild, betont Bettina Egger, sei «nicht Interpretation, sondern Partizipation«. Sie spricht deshalb von ‚begleitendem Malen‘, nicht von »Maltherapeutin«, sondern »Malleiterin«. Kunsttherapie sei Hebammendienst. Egger bezeichnet sich selbst als "Bildhebamme". Dank kunsttherapeutischer Verfahren können bildnerisch Erfahrungen und Ängste freigesetzt werden. Über diesen Weg gelangt man auch wieder zum Sprechen. Das kann besonders für Teilnehmer
"welche mit Sprachschwierigkeiten zu kämpfen haben, von Vorteil sein"."
Häufig sind es Kinder, die »offenbar pädagogisch nicht oder kaum ansprechbar« sind. »Sie müssen«, meint die Heilpädagogin Barbara Wichelhaus,
""deshalb therapiert werden. Erst nach erfolgreichen Therapien sind pädagogische Interventionen sinnvoll."
Hier berühren sich Kunstpädagogik und Kunsttherapie. Beide Disziplinen verfolgen, so Wichelhaus,
""trotz unterschiedlicher Maßnahmen und Strukturen auch ähnliche, in einigen Bereichen sogar gleiche Zielsetzungen, nämlich die Kommunikation eines Kindes mit seiner Umwelt, mit Menschen, Dingen und seiner Kultur zu verbessern oder zu verändern"."
So könnte man die Kunsttherapien, die in diesem informativen aber leider
bisweilen etwas nüchtern verfassten Sammelband vorgestellt werden, generell auch als Vorbereitung zur verbalen Kommunikation auffassen. In einer Gesellschaft, in der ohne Nachricht und Mitteilung kein Existieren oder gar Fortkommen möglich ist, werden die Kreativtherapien in Zukunft für ihren Zusammenhalt immer wichtiger. Es gibt sie ja schon lange, aber die Sachverwalter einer modernen Apparatemedizin stehen offensichtlich einem die Disziplinen überschreitenden Bewusstseinswandel noch im Wege.
Rezensiert von Richard Schroetter
Ruth Hampe/Peter B. Stalder: Grenzüberschreitungen,
Bewusstseinswandel und Gesundheitshandeln
Verlag Frank & Timme
520 Seiten, 39,80 Euro