Die Angst der Ostdeutschen
Fremdenfeindlichkeit gibt es überall. In bestimmten Milieus in Ostdeutschland ist Ausländerfeindlichkeit jedoch besonders stark verbreitet. Ängste und Traumatisierungen der DDR-Zeit hätten die Menschen verändert, meint Psychotherapeutin Astrid von Friesen.
Warum ist Pegida in Dresden so stark? Warum finden die meisten Angriffe gegen Flüchtlingsheime in Ostdeutschland statt? Warum rekrutiert die ausländerfeindliche AfD hier ihre Mehrheit? Woher diese Aggressionen gegen die Schwächsten? Die psychologische Antwort ist einerseits schlicht, andererseits hoch komplex: Sie heißt Angst. Doch warum und wovor?
Deutschland lag immer im Zentrum der Wanderungen von Völkern und Heerscharen. Von den Hunnen über Salzburger und Hugenotten, Holländer und Polen. Und Deutschland produzierte Flüchtlinge: Erst die wenigen Juden, die überlebten, dann die 14 Millionen Vertriebenen.
Deutschland lag immer im Zentrum der Wanderungen von Völkern und Heerscharen. Von den Hunnen über Salzburger und Hugenotten, Holländer und Polen. Und Deutschland produzierte Flüchtlinge: Erst die wenigen Juden, die überlebten, dann die 14 Millionen Vertriebenen.
Viereinhalb Millionen Menschen verließen die DDR vor 1989
Die DDR hat, wie kein anderes europäisches Land, auch zu Friedenszeiten mehr als viereinhalb Millionen Menschen zu Flüchtlingen gemacht und damit Familien zerrissen, Biographien zerstört, Menschen entwurzelt und ihnen Schmerzen zugefügt. Tausende riskierten ihr Leben, verließen ihre Familien und Häuser. Sie wollten nur weg aus der unerträglichen Situation und Diktatur: Wegen politischer Gründe, aber auch wegen besserer Lebens- und Arbeitschancen.
Ihr Weggang hat Spuren der Trauer, der Wut und Tabus des Schweigens hinterlassen. Und Bewunderung: "Die haben sich was getraut!" Oder Enttäuschung: "Die haben uns im Stich gelassen, haben sich im Westen vielleicht etwas Besseres aufbauen können, haben mehr Freiheiten genossen und kamen mit großen Autos zu Besuch." Man schämte sich und kleisterte die Scham und den Neid mit dem Etikett der "arroganten Wessis" zu.
Nach der Wende gingen noch einmal Millionen Ostdeutsche, zum ehemaligen Klassenfeind nach Westdeutschland, aber auch in die Schweiz, nach Österreich, nach Norwegen wegen der besseren Jobs, der höheren Gehälter. Sind das nicht klassische Wirtschaftsflüchtlinge?
Die DDR hat, wie kein anderes europäisches Land, auch zu Friedenszeiten mehr als viereinhalb Millionen Menschen zu Flüchtlingen gemacht und damit Familien zerrissen, Biographien zerstört, Menschen entwurzelt und ihnen Schmerzen zugefügt. Tausende riskierten ihr Leben, verließen ihre Familien und Häuser. Sie wollten nur weg aus der unerträglichen Situation und Diktatur: Wegen politischer Gründe, aber auch wegen besserer Lebens- und Arbeitschancen.
Ihr Weggang hat Spuren der Trauer, der Wut und Tabus des Schweigens hinterlassen. Und Bewunderung: "Die haben sich was getraut!" Oder Enttäuschung: "Die haben uns im Stich gelassen, haben sich im Westen vielleicht etwas Besseres aufbauen können, haben mehr Freiheiten genossen und kamen mit großen Autos zu Besuch." Man schämte sich und kleisterte die Scham und den Neid mit dem Etikett der "arroganten Wessis" zu.
Nach der Wende gingen noch einmal Millionen Ostdeutsche, zum ehemaligen Klassenfeind nach Westdeutschland, aber auch in die Schweiz, nach Österreich, nach Norwegen wegen der besseren Jobs, der höheren Gehälter. Sind das nicht klassische Wirtschaftsflüchtlinge?
Zurück blieben wütende Männer mit schlechten Schulabschlüssen
Die gut ausgebildeten jungen Frauen flohen aus der Enge der ostdeutschen Kleinstädte und ließen wütende junge Männer zurück, die schlechtere Schulabschlüsse haben. Eine innere Stabilität suchen manche nun verzweifelt und aggressiv in Männerhorden und in der Abgrenzung: "Wir sind die besseren Deutschen, euch Fremde wollen wir nicht haben", grölen sie in kaum verständlichem Dialekt.
Die gut ausgebildeten jungen Frauen flohen aus der Enge der ostdeutschen Kleinstädte und ließen wütende junge Männer zurück, die schlechtere Schulabschlüsse haben. Eine innere Stabilität suchen manche nun verzweifelt und aggressiv in Männerhorden und in der Abgrenzung: "Wir sind die besseren Deutschen, euch Fremde wollen wir nicht haben", grölen sie in kaum verständlichem Dialekt.
Die innere Ohnmacht wird in Wut verwandelt und auf den Unbekannten projiziert, immer noch auf die Wessis, jetzt die Ausländer. Früher war man hilflos den Russen oder Grenzern ausgeliefert, heute wehrt man sich und attackiert im Flüchtling die eigene, abgekapselte Angst. Sie verhalten sich damit wie Kinder, die emotional hungrig blieben und innerlich unbeheimatet.
Sie fühlen sich "unerwünscht" und projizieren das auf die Flüchtlinge
Wer die DDR noch erlebte, ging unter den Angst verbreitenden Augen der Stasi und der Parteigenossen in den Schulen oder Betrieben in die innere Emigration. Wie andere Traumatisierte wurden sie dabei kalt und wütend. Bis heute geben sie das, so sie in der Enge ihres Dorfes im Erzgebirge oder anderswo hängen geblieben sind und in der eigenen Seelensuppe vor sich hinkochten, an Kinder und Enkel weiter. Und projizieren ihre verzweifelten Gefühlslagen wild agierend auf die anderen Schwachen, die Flüchtlinge.
Denn die Flüchtlinge halten ihnen einen Spiegel vor. Sie verkörpern das "Unerwünschtsein", das sie selbst fühlen. Sie retten sich in eine Gruppe, um ihr Selbstwertgefühl aufzublasen, titulieren sich selbst als "Pack". Eine leichte Beute für Rattenfänger jeglicher Couleur.
Astrid von Friesen, Jahrgang 1953, ist Journalistin, Erziehungswissenschaftlerin sowie Gestalt- und Trauma-Therapeutin in Dresden. Sie unterrichtet an der Universität in Freiberg, macht Lehrerfortbildung und Supervision. Außerdem schreibt sie Bücher, zuletzt: "Schuld sind immer die anderen! Die Nachwehen des Feminismus: frustrierte Frauen und schweigende Männer" (Ellert & Richter Verlag Hamburg) und "Ein Erziehungsalphabet: Von A bis Z – 80 pädagogische Begriffe", 2013 – E-Book.