Psychologe erläutert Anschlag von Nizza

Ohne moralische Hemmschwellen

Der LKW des Attentäters in Nizza mit Einschusslöchern in der Frontscheibe
Anschlag in Nizza: Der Fahrer des Lkws konnte erst mit mehreren Schüssen gestoppt werden. © picture alliance/dpa/Foto: Ian Langsdon
Thomas Elbert im Gespräch mit Vladimir Balzer  · 15.07.2016
Mehr als 80 Menschen haben bei dem Anschlag von Nizza ihr Leben verloren. Der Psychologe Thomas Elbert untersucht seit Jahren, warum Menschen zum massenhaften Töten bereit sind. Zunächst müssten "moralische Hemmschwellen" eingerissen werden, sagte er.
Thomas Elbert, Professor für Klinische Psychologie & Neuropsychologie an der Universität Konstanz, forscht sei Jahren zu den Ursachen für die Tötungsbereittschaft von Menschen. Um mehrere Menschen brutal zu töten, müssen "moralische Hemmschwellen", die Menschen normalerweise an grausamen Taten hindern, eingerissen werden, sagte Elbert im Deutschlandradio Kultur. Es gebe eine Reihe von Mechanismen, die das bewirken könnten.
"Es muss in irgendeiner Form eine Instanz, eine Autorität geben, zum Beispiel religiöser Natur: 'Es ist okay, du machst hier etwas Gutes. Du vernichtest die Ungläubigen.' Oder: 'Du schaffst hier Ungeziefer aus der Welt.'"

Zeigen, wie mächtig man ist

Ein Grund könne auch sein, dass man die Tat vor sich selbst rechtfertigen müsse, weil man beschämt worden ist, weil man sozial ausgeschlossen worden sei. Nach dem Motto:
"Jetzt muss man den anderen es mal zeigen. Und dann lasse ich auch meinen Ausweis - wie dieser Verbrecher es ja nun auch getan hat - im Auto liegen, um der Nachwelt zu zeigen, wer das war, der hier gezeigt hat, wie mächtig er ist und wie grausam er sein kann. Weil er selber verletzt worden ist, weil er selber sozial ausgeschlossen worden ist."
Das seien Motivationen, die Menschen zu solchen Taten antreiben könnten. Gründe können aber wahnhafte Gedanken oder Drogeneinfluss sein, sagte Thomas Elbert.
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