"Wir sind weit entfernt von einer gesunden Kommunikation"
Kazim Erdogan kennt sich aus mit schwierigen Verhältnissen und gewaltbereiten Jugendlichen. Eine Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft hält der deutsch-türkische Psychologe aus Berlin für eine denkbar schlechte Maßnahme.
Der deutsch-türkische Psychologe Kazim Erdogan beklagt seit dem Putsch-Versuch in der Türkei einen tiefen Riss durch seine türkische Gemeinde in Berlin-Neukölln. "Wir haben kein Miteinander mehr. In der türkischen Community herrscht Krieg und die Situation, dass man unbedingt zu einem Lager gehören muss." Es gebe nur das Lager der Gülen-Bewegung oder das Lager der Erdogan-Anhänger. "Die goldene Mitte gibt es nicht mehr." Das habe auch die Demonstration in Köln gezeigt.
Alle seien derzeit verwirrt – Türken wie Deutsche gleichermaßen. Erdogan fordert: "Wir müssen gemeinsam handeln, uns annähern und Gespräch darüber führen, wie wir uns in Zukunft bei solchen Vorfällen verhalten wollen." Von einer "gesunden Kommunikation" seien alle Beteiligten weit entfernt.
Die Überlegung der Unionsparteien, die doppelte Staatsbürgerschaft abzuschaffen, sei nicht der richtige Weg, um mit der derzeit angespannten Lage fertig zu werden, sagte Erdogan weiter. Der Gründer des gemeinnützigen Vereins "Aufbruch Neukölln" besitzt selbst seit mehr als 25 Jahren neben einem türkischen auch einen deutschen Pass. Er sehe keinen Grund, warum man sich zwischen zwei Staatsbürgerschaften entscheiden müsse.
"Weil eine bestimmte Gruppe von Menschen Anschläge verübt haben, die uns alle getroffen und überrascht haben, sollte man nicht mehrere hunderttausend Menschen unter Generalverdacht stellen."