Psychologisches Profil per Mausklick

Von Sigrun Damas |
Ob er ein hilfsbereiter Mensch ist, gewissenhaft und voller Tatendrang - das weiß der User, wenn er die Selbsttests der Internetplattform "PsyWeb" hinter sich hat. Die Online-Befragung hilft aber auch der Forschung: "PsyWeb" wird von einem Netzwerk von Universitäts-Psychologen betrieben.
"In der folgende Befragung können Sie anhand von 44 Fragen Ihre eigene Persönlichkeit einschätzen. Verwendet wird ein wissenschaftlich fundierter Fragebogen zur Erfassung fünf zentraler Persönlichkeitsdimensionen, der sogenannten 'Big Five'."

Etwa zehn Minuten reichen - dann weiß der User mehr. Über sich und seine Persönlichkeit. Ob er ein hilfsbereiter Mensch ist, gewissenhaft und voller Tatendrang. Oder ob er zum Aufschieben wichtiger Tätigkeiten neigt beziehungsweise gar zu riskantem Alkoholkonsum.

Psychologische Selbsttests im Internet. Das bietet die Online-Plattform "PsyWeb". Innerhalb weniger Wochen haben sich schon über 3000 Menschen angemeldet. Mit-Initiator Meinald Thielsch vom Psychologischen Institut der Universität Münster glaubt, einen Nerv getroffen zu haben:

"Ich glaube, was ein wichtiges Motiv ist, ist tatsächlich der Wunsch, etwas über sich selbst zu erfahren. Und das einfach online zuhause machen zu können, das ist 'ne ganz große Möglichkeit."

Offensichtlich auch für solche Menschen, die sonst bei psychologischen Umfragen nicht zu erreichen sind.

"Unsere größte Überraschung war: Wir haben jetzt unter 50 Prozent Abiturienten im PsyWeb. Das ist enorm. Normalerweise hat man in der Forschung immer eher Akademiker, weil die sich eher angesprochen fühlen, interessiert sind. Und wir haben sehr viele ältere Menschen, die uns mailen und fragen: Ich bin über 70 - darf ich denn da mitmachen? Wo wir sagen: Auf jeden Fall! Wir freuen uns, wenn Sie mitmachen."

Weil inzwischen drei von vier Deutschen online sind, glauben Meinald Thielsch und seine Mitstreiter von den Universitäten Leipzig und Osnabrück, im Internet einen guten Bevölkerungsquerschnitt erreichen zu können. Oft blieb forschenden Psychologen bisher nämlich nur die Fußgängerzone oder die Befragung der eigenen Studenten.

"An wie vielen Tagen in den letzten 30 Tagen haben Sie fünf oder mehr Gläser Alkohol getrunken?"

Die Plattform "PsyWeb" bietet psychologische Tests zu verschiedenen Themen an - der angemeldete User kann frei entscheiden, an welchen er teilnimmt. Eine Handvoll Tests sind derzeit möglich: zur Persönlichkeit, zum Aufschiebeverhalten, zur sozialen Kompetenz zum Beispiel. Der Suchtforscher Fred Rist hat einen Test zum Trinkverhalten hat online gestellt.

"Wo wir Leuten Gelegenheit geben, bei sich selbst zu überlegen: Wie konsumiere ich eigentlich? Man weiß vor allem selbst nie so recht: Gibt's da eine Grenze, was ist risikoarm und was ist schon riskant? Und daran sind viele Leute interessiert. Und da geben wir Auskunft in dieser Umfrage, denn jeder kriegt auch ein Feedback darüber."

So haben beide Seiten etwas von der Online-Befragung: Die Forscher sammeln Daten für die Forschung - und die Teilnehmer bekommen eine psychologisch fundierte Rückmeldung. Das kommt gut an:

"Was wir aus den Kommentaren entnehmen, ist, dass Leute sagen: Es ist gut, dass mal jemand drauf aufmerksam macht, wie man trinkt und was man trinkt. Viele bedanken sich dann auch und sagen: Ich hab den Verdacht schon gehabt und jetzt weiß ich es tatsächlich."

Dass der User anonym bleibt und daheim still vom PC seine Kreuzchen setzt - das sehen die Forscher übrigens als großen Vorteil an. Der Teilnehmer fühlt sich sicherer als in direkten Befragungen und schummelt weniger - sagt Suchtforscher Fred Rist:

"Es gilt schon die Regel, dass man - wenn man weiß, man bleibt anonym - dass man dann ehrlichere Antworten gibt. Und warum sollte man die Mühe auf sich nehmen, wenn man nicht die richtige Antwort gibt - das ist eigentlich witzlos."

Selbsterkenntnis durch Ankreuzen, das ist ja erst mal nichts Neues. Bunte Blätter und Illustrierte bieten solche Tests regelmäßig an. Doch findet der User auf "PsyWeb" wesentlich fundiertere Befragungen, bekräftigt Psychologe und Online-Forscher Meinald Thielsch:

"Womöglich haben sich die Kollegen in der Brigitte und der Men´s Health auch Gedanken dazu gemacht. Das sind ja durchaus auch Fachpsychologen, die diese Tests bauen. Der Unterschied ist halt, dass unsere Tests eine lange Fachprüfung durchlaufen haben. Misst der eigentlich treffsicher? Das heißt, ein Persönlichkeitstest, der bei uns 40 Fragen hat, der hat höchstwahrscheinlich mit dem zwei- oder dreifachen an Menge angefangen. Und die Fragen, die nicht gut differenziert haben, wurden in der Zwischenzeit gelöscht."

Und auch der User selbst mischt bei "PsyWeb" kräftig mit. Meinald Thielsch und seine Kollegen haben über 60 Zuschriften erhalten, mit Fragen und Anregungen, zum Beispiel zur Gestaltung der Fragebögen:

"Guten Tag, mir fiel auf, dass Sie bei den möglichen Berufsangaben Kunst und Kultur völlig außen vor lassen. Auch der Begriff Rentner kommt nicht vor."

"Oder ein ganz heißes Diskussionsthema war der Familienstand. Wir wollten den nur sehr grob abfragen, um da keine sensiblen Informationen zu erhalten, die wir womöglich nicht benötigen. Und dann gab es den Wunsch sehr oft: die dauerhafte Partnerschaft ohne Ehe. Und dann haben wir darüber nachgedacht und letztlich haben wir den Familienstand jetzt ganz rausgelassen."

Ohnehin wundert sich der Online-Forscher, dass die Menschen oft mehr preisgeben möchten als eigentlich gefragt ist. Er selbst möchte so wenig sensible Daten wie möglich sammeln und legt größten Wert auf deren Schutz. So sind Stammdaten - also zum Beispiel Alter und Geschlecht - und die jeweiligen Testergebnisse auf unterschiedlichen Servern gespeichert und können nur von den "PsyWeb"-Machern selbst verknüpft werden. Und auch auszusteigen ist unkompliziert.

"Wenn jemand sagt: 'Ich will das hier alles nicht mehr', dann gibt's da einen Klick und dann ist es vorbei. Das heißt, wir können dann auch keine Verknüpfungen mehr herstellen zwischen irgendwelchen Daten. Aber wir haben keine Möglichkeit, wenn der Forscher fragt: Welchen Beruf hatte der? Dann können wir nur sagen: Der hat sich gelöscht, die Daten können wir dir nicht mehr geben."

"PsyWeb" ist nicht kommerziell und hat sich verpflichtet, rein wissenschaftlich zu arbeiten. Die Ergebnisse dienen ausschließlich der psychologischen Forschung und sollen in der Fachliteratur veröffentlicht werden. Auch auf "PsyWeb" selbst sollen Zusammenfassungen der Studien nachzulesen sein. Eine psychologische Information also, vielleicht ein Denkanstoß für diejenigen, die die psychologischen Tests selbst durchlaufen haben - mehr aber nicht. Psychologische Beratung bekommt man hier nicht, betont der Online-Forscher abschließend:

"Wir können nur Anstöße geben. Vielleicht ein bisschen Feedback geben, vielleicht die Chance, an wissenschaftlichen Tests teilzunehmen. Aber wir haben keine Möglichkeit der Beratung oder Intervention - das geht nicht."