Psychopathen auf der Flucht
Das Spiel mit dem Feuer - es ist für die Einwohner Australiens schon längst zum blutigen Ernst geworden. Für zahlreiche Buschfeuer im vergangenen Jahr sind Brandstifter verantwortlich. Es sind oft unauffällige Nachbarn, Arbeitskollegen und auch Feuerwehrmänner.
7. Februar 2009: Kinglake, etwa eine Autostunde nördlich von Melbourne. Die 600-Einwohner-Ortschaft im hügeligen Buschland Nord-Victorias wird ein Raub der Flammen: Wohn- und Farmhäuser, Maschinenschuppen und Scheunen, die Kneipe, der Kramerladen und die Kapelle oben auf dem Hügel.
Die Hitze ist unerträglich. Windböen fachen die 50, 60 Meter hohen Flammen immer wieder an. In Minuten macht der Feuersturm Kinglake und den Nachbarort Marysville dem Erdboden gleich. Wer nicht rechtzeitig alles zurücklässt, verliert sein Leben. Das Feuer kam für die Anwohner ohne Vorwarnung und buchstäblich aus heiterem Himmel.
"Es war schrecklich. Ein solches Buschfeuer habe ich noch nicht erlebt. Die Flammen rasten mit hundert Sachen aus dem Wald auf uns zu und frassen alles, was ihnen im Weg war." – "Wir warfen uns nasse Decken über den Kopf, rannten durch die Flammen und sahen von draußen wie unser Haus abbrannte. Wir konnten nichts dagegen tun."
Das flammende Inferno verwandelt 4500 Quadratkilometer Wald und Buschland in verbrannte Erde. 173 Menschen sterben, 7500 sind obdachlos, mehr als 2000 Häuser zerstört. Australiens Regierungschef Kevin Rudd spricht von der größten Naturkatastrophe in der Geschichte des Landes.
In den verkohlten Überresten eines Eukalyptuswaldes, außerhalb von Kinglake, vier Tage nach dem Feuersturm. Eine Handvoll Männer mit Handschuhen und kleinen, verschließbaren Plastiktüten durchstöbert vorsichtig Schutt und Asche. Richard Woods macht sich auf einem Klammerbrett Notizen. Der 52-Jährige trägt zwar die orangefarbene Uniform der Feuerwehr, aber seine Arbeit beginnt erst dann, wenn die der Löschtrupps vorüber ist. Woods ist Brandermittler, sein Job ist herauszufinden wo und wie ein Buschfeuer ausgebrochen ist.
Die rußgeschwärzten Ruinen eines Farmhauses, ein durch die Hitze grotesk verbogenes Verkehrsschild und blattlose, kokelnde Bäume. Ein ungeübtes Auge sieht nichts weiter als eine verbrannte, zerstörte Landschaft, Richard Woods aber kann in den Folgen eines Buschfeuers die Brandursache erkennen. War es Blitzschlag, eine achtlos weggeworfene Zigarette - oder war es Brandstiftung?
"Wir sollten erst die Lichtung da hinten untersuchen," meint Woods, "vielleicht sehen wir dann, wo die Flammen über dieses Bachbett gekommen sind". Den Brandherd eines Buschfeuers zu finden ist wie einen Film vom Abspann an langsam rückwärts laufen zu lassen. Bild für Bild - solange bis man am Anfang ist. Die Spuren, die das Feuer von Kinglake hinterlassen hat, sollen Richard Woods dahin zurückführen wo es begonnen hat. Halbversengte Blätter verraten ihm die Richtung aus der die Flammen gekommen sind, Bäume, deren eine Seite verkohlt, aber die andere unberührt geblieben ist, welchen Weg sie genommen haben. Woods markiert den Verlauf des Feuers mit kleinen, roten Dreiecks-Fähnchen, die er im Abstand von ein paar Metern sorgfältig in den Boden steckt.
Je länger ein Buschfeuer brennt, umso stärker wird es. Da, wo es begonnen hat, ist der Schaden am Geringsten. Richard Woods kauert neben einem Hohlweg über ein paar Büscheln Gras. Die Halme sind verkohlt und geplättet – als ob sie ein starker Wind zu Boden gedrückt hätte. Der Wind war eine Explosion. Wahrscheinlich Benzin, das angezündet wurde, vielleicht auch Brennspiritus. Richard Woods hat den Brandherd gefunden. Das Feuer, das die Ortschaften Kinglake und Marysville dem Erdboden gleichmachte, das mehr als 100 Menschenleben forderte, war vorsätzlich gelegt. Die Nachricht verbreitet sich wie ein Lauffeuer.
"Ich würde diesen Mistkerl am liebsten mit Benzin übergießen und anzünden." - "Brandstifter sind erst dann ungefährlich wenn sie lebenslänglich sitzen. Noch besser wäre es sie unten an einen Hubschrauber zu hängen, über die Feuer zu fliegen und sie langsam zu rösten."
Die aufgebrachten Anwohner vermuten, dass jemand aus der Gegend das Feuer gelegt hat – jemand, der sich in den Wäldern gut auskannte. "Kein Anfänger" notiert Richard Woods in seinen Aufzeichnungen. 20 Jahre als Brandermittler haben ihn eines gelehrt: Fast alle Brandstifter sind Wiederholungstäter.
Richard Woods: "Brandstifter legen ihre Feuer fast immer auf die gleiche Art, deshalb suche ich nach einer persönlichen Handschrift wenn ich einen Waldbrand untersuche. All diese Informationen ergeben dann das Profil eines Brandstifters und verraten uns welche Feuer er vielleicht schon früher gelegt hat."
Der verheerende Waldbrand von Kinglake war zwar das folgenschwerste, aber nur eines von 60.000 Buschfeuern vergangenes Jahr in Australien. Nach Schätzungen der Feuerwehren wurden mindestens 40.000 dieser Brände vorsätzlich gelegt. Nicht von unvorsichtigen Kindern und Jugendlichen, die mit Streichhölzern spielen, sondern von gefühl- und rücksichtslosen Erwachsenen, die solange nicht damit aufhören, bis sie gefasst werden.
Richard Kosics: "Die meisten Brandstifter leiden unter Persönlichkeitsstörungen. Es kümmert sie nicht im geringsten was für Folgen ihre Tat hat. Sie als 'geisteskrank' zu bezeichnen wäre falsch, denn sie wissen genau, was sie tun. Es ist ihnen nur völlig gleichgültig."
Der Psychologe Richard Kosics von der Universität Canberra hat das brennende Verlangen von Brandstiftern immer wieder Feuer zu legen untersucht. Dabei stellte er fest: Wer in der Stadt ein Gebäude oder Auto anzündet, der tut das aus einem bestimmten Grund. Versicherungsbetrug, Rache, Zerstörungswut oder aus Lust am Nervenkitzel. Das psychologische Profil eines typischen Brandstifters, der einen Wald in Flammen aufgehen lässt, ist weit komplexer. Kriminologin Rebekah Doley fügt noch hinzu: und weit beunruhigender.
Rebekah Doley: "Sie kommen aus einem nicht gerade glücklichen Elternhaus, sind männlich und im Durchschnitt etwa 25 Jahre alt. Sie sind Einzelgänger, meist arbeitslos, ohne Schulbildung und vorbestraft. Brandstifter kennen kein Mitgefühl. Dazu kommen Alkoholmissbrauch, Depressionen und eine ganze Reihe anderer Verhaltensprobleme."
Feuer ist ein Element des Lebens, doch ein kleines Streichholz in den falschen Händen bedeutet Tod und Zerstörung. Was bringt Brandstifter dazu das Leben und den Besitz anderer zu gefährden? Die Experten glauben: Das Gefühl von Macht. Medizin gegen die eigenen Minderwertigkeitsgefühle, ein Ventil für lange aufgestauten Ärger. Macht über das Schicksal anderer und Macht über die Medien, die über Buschfeuer auf Titelseiten und zur Hauptsendezeit berichten.
Psychologen sind sich einig: Pyromanen – geistig verwirrte Menschen die einen Drang verspüren Brände zu legen – sind für einen verschwindend geringen Teil von Buschfeuern verantwortlich. Kriminologin Rebekah Doley sagt: Serientäter haben eines gemeinsam. Sie planen ihre Tat und verfolgen aus sicherer Entfernung welchen Schaden sie anrichten – ohne ihren Opfern gegenüberzutreten.
Rebekah Doley: "Brandstiftung ist ein Verbrechen, das sehr schwer zu verfolgen ist. Die Täter handeln in der Regel im Verborgenen und alleine. Es gibt keine Zeugen und keine Komplizen. Und ist das Feuer erst einmal gelegt, dann gehen auch meistens alle Spuren und Hinweise auf den Täter mit in Flammen auf."
Jahrelange Dürreperioden, Hitzewellen und immer wieder Brandstiftung: Der Südosten Australiens ist die feuergefährlichste Region der Welt. Trotzdem gibt es nur eine Handvoll Psychologen und Forensiker, die sich mit dem Phänomen "Buschfeuer und Brandstifter" beschäftigen. Brandermittler Mitchell Parish hält es für unverantwortlich, dass es weder eine nationale Datenbank noch landesweite Richtlinien für das Untersuchen vorsätzlich gelegter Buschfeuer gibt.
Mitchell Parish: "Für die Polizei haben Kapitalverbrechen wie Mord, schwerer Diebstahl oder Körperverletzung eindeutig Vorrang. Brandstiftung wird als Delikt nicht ernst genommen. Die Fahndung nach Brandstiftern ist langwierig. Oft hat die Polizei anderes zu tun und dadurch werden kaum Brandstifter festgenommen."
Jedes Jahr rufen die Feuerwehren Anwohner in Waldnähe dazu auf sich auf Buschbrände vorzubereiten. Wassertanks und Swimming Pools zu füllen, einen Evakuierungsplan auszuarbeiten – und die Augen nach Verdächtigen offenzuhalten, die ein Feuer legen könnten. Brandstiftung mit Todesfolge gilt in Australien als Kapitalverbrechen, das mit bis zu 25 Jahren Gefängnis geahndet wird.
Doch Buschfeuer-Opfer, die Angehörige oder alles, was sie besitzen, verloren haben, fordern noch härtere Strafen. Brad und Jill Potts, die in Kinglake nichts aus ihrer brennenden Gärtnerei retten konnten, gehen 25 Jahre nicht weit genug.
"Diese Leute dürften nicht wieder frei gelassen werden, sie gehören für immer hinter Gitter". – "Brandstifter machen mich krank. Sie sind feige Mörder und keine Menschen."
In Südaustralien führt die Polizei ein Register mit den Namen bekannter Brandstifter. Sie werden während der Buschfeuersaison im Sommer überwacht und müssen sich regelmäßig auf einer Dienststelle melden. Anderswo in Australien aber leben Brandstifter unerkannt – als Nachbarn, Arbeitskollegen und sogar als Feuerwehrmänner. Der Fall Peter Burgess ist ein Musterbeispiel für einen Wolf im Schafspelz, für einen Biedermann, der zum Brandstifter wurde.
"Eines Tages kam er einfach zu uns und wollte mit dabei sein". - "Er machte einen freundlichen Eindruck". Zwei seiner früheren Kameraden erinnern sich gut an Peter Burgess. An sein jungenhaftes Milchgesicht und seinen Kindheits-traum bei der Feuerwehr zu sein. Burgess ist 20, als er sich im Frühjahr 2001 der Freiwilligen Buschfeuerwehr in den Blue Mountains, nord-westlich von Sydney, anschließt. Er ist ein Einzelgänger ohne Job oder Freunde - nicht depressiv oder geistig verwirrt: Burgess leidet an Minderwertigkeitsgefühlen. Immer wieder ist er als Erster an einem Buschfeuer. Seine Kollegen werden mißtrauisch und ertappen ihn dabei wie er mitten im Wald eine Benzinbombe anzündet. Später gesteht Burgess Inspektor Brett Henderson von der Kriminalpolizei Sydney 25 Buschfeuer gelegt zu haben. Er meldete die Brände über Notruf, zog danach seine Feuerwehruniform an und half mit die Flammen zu löschen.
Brett Henderson: "Er sah sich als einer der Feuerwehrmänner, die nach dem Terroranschlag vom 11. September in den USA, zu Helden wurden. Er wollte auch so ein Held sein."
Nach zwei Jahren Haft wurde Peter Burgess wieder entlassen. Ohne psychologische Betreuung, ohne Beobachtung. Niemand weiß, wo er heute lebt. Kriminologin Rebekah Doley würde es nicht wundern, wenn Burgess längst rückfällig und wieder zum Brandstifter geworden ist.
Rebekah Doley: "Wir sollten uns im Klaren sein, dass einige, verurteilte Brandstifter rehabilitiert werden könnten, wenn wir uns in speziellen Programmen um sie kümmern würden. Doch es gibt keine Behandlung für sie – nirgendwo in Australien."
Kinglake, ein Jahr nach den verheerenden Bränden. Ein heißer, böiger Tag genügt und die Bewohner der Waldgebiete nördlich von Melbourne gehen alle halbe Stunde nach draußen und halten die Nase in den Wind. Riecht es verbrannt, sind am Horizont, hinter dem Bergrücken vielleicht Rauchwolken zu sehen? "Brandstifter sind wie Terroristen", sagt Farmerin Christine Stickley, "sie leben unerkannt unter uns und sie machen uns Angst. Sie schlagen zu wenn wir am wenigsten damit rechnen."
Christine Stickley: "Früher haben wir hier vielleicht alle sieben Jahre mit einem Buschfeuer gerechnet, jetzt haben wir das Gefühl es könnte jeden Augenblick wieder passieren. Ich lebe in ständiger Furcht – das macht mir zu schaffen. Ich möchte nur, dass die Brandstifter aufhören und wir in Frieden leben können."
Modernste Löschhubschrauber und Wasserkanonen, computergesteuerte Feuerüberwachung per Satellit und SMS-Warnungen an die Bevölkerung: In Australien werden Abermillionen dafür ausgegeben die Folgen von vorsätzlich gelegten Buschfeuern zu bekämpfen. Doch es gibt kaum Geld für das Untersuchen der Ursachen oder die Rehabilitierung von Brandstiftern. Ein Versäumnis, das ganz Australien teuer zu stehen kommen könnte. Denn die nächste Buschfeuersaison kommt bestimmt und der Südosten des Landes bleibt ein heißes Pflaster.
Die Hitze ist unerträglich. Windböen fachen die 50, 60 Meter hohen Flammen immer wieder an. In Minuten macht der Feuersturm Kinglake und den Nachbarort Marysville dem Erdboden gleich. Wer nicht rechtzeitig alles zurücklässt, verliert sein Leben. Das Feuer kam für die Anwohner ohne Vorwarnung und buchstäblich aus heiterem Himmel.
"Es war schrecklich. Ein solches Buschfeuer habe ich noch nicht erlebt. Die Flammen rasten mit hundert Sachen aus dem Wald auf uns zu und frassen alles, was ihnen im Weg war." – "Wir warfen uns nasse Decken über den Kopf, rannten durch die Flammen und sahen von draußen wie unser Haus abbrannte. Wir konnten nichts dagegen tun."
Das flammende Inferno verwandelt 4500 Quadratkilometer Wald und Buschland in verbrannte Erde. 173 Menschen sterben, 7500 sind obdachlos, mehr als 2000 Häuser zerstört. Australiens Regierungschef Kevin Rudd spricht von der größten Naturkatastrophe in der Geschichte des Landes.
In den verkohlten Überresten eines Eukalyptuswaldes, außerhalb von Kinglake, vier Tage nach dem Feuersturm. Eine Handvoll Männer mit Handschuhen und kleinen, verschließbaren Plastiktüten durchstöbert vorsichtig Schutt und Asche. Richard Woods macht sich auf einem Klammerbrett Notizen. Der 52-Jährige trägt zwar die orangefarbene Uniform der Feuerwehr, aber seine Arbeit beginnt erst dann, wenn die der Löschtrupps vorüber ist. Woods ist Brandermittler, sein Job ist herauszufinden wo und wie ein Buschfeuer ausgebrochen ist.
Die rußgeschwärzten Ruinen eines Farmhauses, ein durch die Hitze grotesk verbogenes Verkehrsschild und blattlose, kokelnde Bäume. Ein ungeübtes Auge sieht nichts weiter als eine verbrannte, zerstörte Landschaft, Richard Woods aber kann in den Folgen eines Buschfeuers die Brandursache erkennen. War es Blitzschlag, eine achtlos weggeworfene Zigarette - oder war es Brandstiftung?
"Wir sollten erst die Lichtung da hinten untersuchen," meint Woods, "vielleicht sehen wir dann, wo die Flammen über dieses Bachbett gekommen sind". Den Brandherd eines Buschfeuers zu finden ist wie einen Film vom Abspann an langsam rückwärts laufen zu lassen. Bild für Bild - solange bis man am Anfang ist. Die Spuren, die das Feuer von Kinglake hinterlassen hat, sollen Richard Woods dahin zurückführen wo es begonnen hat. Halbversengte Blätter verraten ihm die Richtung aus der die Flammen gekommen sind, Bäume, deren eine Seite verkohlt, aber die andere unberührt geblieben ist, welchen Weg sie genommen haben. Woods markiert den Verlauf des Feuers mit kleinen, roten Dreiecks-Fähnchen, die er im Abstand von ein paar Metern sorgfältig in den Boden steckt.
Je länger ein Buschfeuer brennt, umso stärker wird es. Da, wo es begonnen hat, ist der Schaden am Geringsten. Richard Woods kauert neben einem Hohlweg über ein paar Büscheln Gras. Die Halme sind verkohlt und geplättet – als ob sie ein starker Wind zu Boden gedrückt hätte. Der Wind war eine Explosion. Wahrscheinlich Benzin, das angezündet wurde, vielleicht auch Brennspiritus. Richard Woods hat den Brandherd gefunden. Das Feuer, das die Ortschaften Kinglake und Marysville dem Erdboden gleichmachte, das mehr als 100 Menschenleben forderte, war vorsätzlich gelegt. Die Nachricht verbreitet sich wie ein Lauffeuer.
"Ich würde diesen Mistkerl am liebsten mit Benzin übergießen und anzünden." - "Brandstifter sind erst dann ungefährlich wenn sie lebenslänglich sitzen. Noch besser wäre es sie unten an einen Hubschrauber zu hängen, über die Feuer zu fliegen und sie langsam zu rösten."
Die aufgebrachten Anwohner vermuten, dass jemand aus der Gegend das Feuer gelegt hat – jemand, der sich in den Wäldern gut auskannte. "Kein Anfänger" notiert Richard Woods in seinen Aufzeichnungen. 20 Jahre als Brandermittler haben ihn eines gelehrt: Fast alle Brandstifter sind Wiederholungstäter.
Richard Woods: "Brandstifter legen ihre Feuer fast immer auf die gleiche Art, deshalb suche ich nach einer persönlichen Handschrift wenn ich einen Waldbrand untersuche. All diese Informationen ergeben dann das Profil eines Brandstifters und verraten uns welche Feuer er vielleicht schon früher gelegt hat."
Der verheerende Waldbrand von Kinglake war zwar das folgenschwerste, aber nur eines von 60.000 Buschfeuern vergangenes Jahr in Australien. Nach Schätzungen der Feuerwehren wurden mindestens 40.000 dieser Brände vorsätzlich gelegt. Nicht von unvorsichtigen Kindern und Jugendlichen, die mit Streichhölzern spielen, sondern von gefühl- und rücksichtslosen Erwachsenen, die solange nicht damit aufhören, bis sie gefasst werden.
Richard Kosics: "Die meisten Brandstifter leiden unter Persönlichkeitsstörungen. Es kümmert sie nicht im geringsten was für Folgen ihre Tat hat. Sie als 'geisteskrank' zu bezeichnen wäre falsch, denn sie wissen genau, was sie tun. Es ist ihnen nur völlig gleichgültig."
Der Psychologe Richard Kosics von der Universität Canberra hat das brennende Verlangen von Brandstiftern immer wieder Feuer zu legen untersucht. Dabei stellte er fest: Wer in der Stadt ein Gebäude oder Auto anzündet, der tut das aus einem bestimmten Grund. Versicherungsbetrug, Rache, Zerstörungswut oder aus Lust am Nervenkitzel. Das psychologische Profil eines typischen Brandstifters, der einen Wald in Flammen aufgehen lässt, ist weit komplexer. Kriminologin Rebekah Doley fügt noch hinzu: und weit beunruhigender.
Rebekah Doley: "Sie kommen aus einem nicht gerade glücklichen Elternhaus, sind männlich und im Durchschnitt etwa 25 Jahre alt. Sie sind Einzelgänger, meist arbeitslos, ohne Schulbildung und vorbestraft. Brandstifter kennen kein Mitgefühl. Dazu kommen Alkoholmissbrauch, Depressionen und eine ganze Reihe anderer Verhaltensprobleme."
Feuer ist ein Element des Lebens, doch ein kleines Streichholz in den falschen Händen bedeutet Tod und Zerstörung. Was bringt Brandstifter dazu das Leben und den Besitz anderer zu gefährden? Die Experten glauben: Das Gefühl von Macht. Medizin gegen die eigenen Minderwertigkeitsgefühle, ein Ventil für lange aufgestauten Ärger. Macht über das Schicksal anderer und Macht über die Medien, die über Buschfeuer auf Titelseiten und zur Hauptsendezeit berichten.
Psychologen sind sich einig: Pyromanen – geistig verwirrte Menschen die einen Drang verspüren Brände zu legen – sind für einen verschwindend geringen Teil von Buschfeuern verantwortlich. Kriminologin Rebekah Doley sagt: Serientäter haben eines gemeinsam. Sie planen ihre Tat und verfolgen aus sicherer Entfernung welchen Schaden sie anrichten – ohne ihren Opfern gegenüberzutreten.
Rebekah Doley: "Brandstiftung ist ein Verbrechen, das sehr schwer zu verfolgen ist. Die Täter handeln in der Regel im Verborgenen und alleine. Es gibt keine Zeugen und keine Komplizen. Und ist das Feuer erst einmal gelegt, dann gehen auch meistens alle Spuren und Hinweise auf den Täter mit in Flammen auf."
Jahrelange Dürreperioden, Hitzewellen und immer wieder Brandstiftung: Der Südosten Australiens ist die feuergefährlichste Region der Welt. Trotzdem gibt es nur eine Handvoll Psychologen und Forensiker, die sich mit dem Phänomen "Buschfeuer und Brandstifter" beschäftigen. Brandermittler Mitchell Parish hält es für unverantwortlich, dass es weder eine nationale Datenbank noch landesweite Richtlinien für das Untersuchen vorsätzlich gelegter Buschfeuer gibt.
Mitchell Parish: "Für die Polizei haben Kapitalverbrechen wie Mord, schwerer Diebstahl oder Körperverletzung eindeutig Vorrang. Brandstiftung wird als Delikt nicht ernst genommen. Die Fahndung nach Brandstiftern ist langwierig. Oft hat die Polizei anderes zu tun und dadurch werden kaum Brandstifter festgenommen."
Jedes Jahr rufen die Feuerwehren Anwohner in Waldnähe dazu auf sich auf Buschbrände vorzubereiten. Wassertanks und Swimming Pools zu füllen, einen Evakuierungsplan auszuarbeiten – und die Augen nach Verdächtigen offenzuhalten, die ein Feuer legen könnten. Brandstiftung mit Todesfolge gilt in Australien als Kapitalverbrechen, das mit bis zu 25 Jahren Gefängnis geahndet wird.
Doch Buschfeuer-Opfer, die Angehörige oder alles, was sie besitzen, verloren haben, fordern noch härtere Strafen. Brad und Jill Potts, die in Kinglake nichts aus ihrer brennenden Gärtnerei retten konnten, gehen 25 Jahre nicht weit genug.
"Diese Leute dürften nicht wieder frei gelassen werden, sie gehören für immer hinter Gitter". – "Brandstifter machen mich krank. Sie sind feige Mörder und keine Menschen."
In Südaustralien führt die Polizei ein Register mit den Namen bekannter Brandstifter. Sie werden während der Buschfeuersaison im Sommer überwacht und müssen sich regelmäßig auf einer Dienststelle melden. Anderswo in Australien aber leben Brandstifter unerkannt – als Nachbarn, Arbeitskollegen und sogar als Feuerwehrmänner. Der Fall Peter Burgess ist ein Musterbeispiel für einen Wolf im Schafspelz, für einen Biedermann, der zum Brandstifter wurde.
"Eines Tages kam er einfach zu uns und wollte mit dabei sein". - "Er machte einen freundlichen Eindruck". Zwei seiner früheren Kameraden erinnern sich gut an Peter Burgess. An sein jungenhaftes Milchgesicht und seinen Kindheits-traum bei der Feuerwehr zu sein. Burgess ist 20, als er sich im Frühjahr 2001 der Freiwilligen Buschfeuerwehr in den Blue Mountains, nord-westlich von Sydney, anschließt. Er ist ein Einzelgänger ohne Job oder Freunde - nicht depressiv oder geistig verwirrt: Burgess leidet an Minderwertigkeitsgefühlen. Immer wieder ist er als Erster an einem Buschfeuer. Seine Kollegen werden mißtrauisch und ertappen ihn dabei wie er mitten im Wald eine Benzinbombe anzündet. Später gesteht Burgess Inspektor Brett Henderson von der Kriminalpolizei Sydney 25 Buschfeuer gelegt zu haben. Er meldete die Brände über Notruf, zog danach seine Feuerwehruniform an und half mit die Flammen zu löschen.
Brett Henderson: "Er sah sich als einer der Feuerwehrmänner, die nach dem Terroranschlag vom 11. September in den USA, zu Helden wurden. Er wollte auch so ein Held sein."
Nach zwei Jahren Haft wurde Peter Burgess wieder entlassen. Ohne psychologische Betreuung, ohne Beobachtung. Niemand weiß, wo er heute lebt. Kriminologin Rebekah Doley würde es nicht wundern, wenn Burgess längst rückfällig und wieder zum Brandstifter geworden ist.
Rebekah Doley: "Wir sollten uns im Klaren sein, dass einige, verurteilte Brandstifter rehabilitiert werden könnten, wenn wir uns in speziellen Programmen um sie kümmern würden. Doch es gibt keine Behandlung für sie – nirgendwo in Australien."
Kinglake, ein Jahr nach den verheerenden Bränden. Ein heißer, böiger Tag genügt und die Bewohner der Waldgebiete nördlich von Melbourne gehen alle halbe Stunde nach draußen und halten die Nase in den Wind. Riecht es verbrannt, sind am Horizont, hinter dem Bergrücken vielleicht Rauchwolken zu sehen? "Brandstifter sind wie Terroristen", sagt Farmerin Christine Stickley, "sie leben unerkannt unter uns und sie machen uns Angst. Sie schlagen zu wenn wir am wenigsten damit rechnen."
Christine Stickley: "Früher haben wir hier vielleicht alle sieben Jahre mit einem Buschfeuer gerechnet, jetzt haben wir das Gefühl es könnte jeden Augenblick wieder passieren. Ich lebe in ständiger Furcht – das macht mir zu schaffen. Ich möchte nur, dass die Brandstifter aufhören und wir in Frieden leben können."
Modernste Löschhubschrauber und Wasserkanonen, computergesteuerte Feuerüberwachung per Satellit und SMS-Warnungen an die Bevölkerung: In Australien werden Abermillionen dafür ausgegeben die Folgen von vorsätzlich gelegten Buschfeuern zu bekämpfen. Doch es gibt kaum Geld für das Untersuchen der Ursachen oder die Rehabilitierung von Brandstiftern. Ein Versäumnis, das ganz Australien teuer zu stehen kommen könnte. Denn die nächste Buschfeuersaison kommt bestimmt und der Südosten des Landes bleibt ein heißes Pflaster.