"Das macht die Menschen krank"
Depressionen, Angststörungen, psychosomatische Erkrankungen: Wenn Flüchtlinge in Zentren untergebracht werden, hat das gravierende Folgen, sagt die Psychotherapeutin Silvia Schriefers. An der aktuellen Asyldebatte stört sie, dass niemand an die Menschen denke.
Ob es nun die geplanten Anker- oder die "Transitzentren" sind: Schriefers, die schon lange mit Flüchtlingen arbeitet, übt heftige Kritik an den Unionsplänen. "Für uns ist da eindeutig eine rote Linie überschritten", sagt sie, "dass man plant, Menschen, die vor Gewalt, Krieg, Folter fliehen, die bei uns Schutz suchen, in Unterkünften festzusetzen." Dort müssten viele auf engstem Raum miteinander auskommen, ohne Privatsphäre oder Möglichkeiten, selbstbestimmt ihren Alltag zu leben: "Wir wissen, das macht die Menschen krank."
Psychische Belastungen würden durch eine solche Form der Unterbringung "bewusst in Kauf genommen". Die Menschen würden Depressionen, Angststörungen, auch posttraumatische Belastungsstörungen und psychosomatische Schwierigkeiten entwickeln.
Ein rechtsfreier Raum?
Dass Flüchtlinge maximal 48 Stunden in den geplanten "Transitzentren" bleiben sollen, findet Schriefers nicht beruhigend: "Wie sollen denn Menschen, die hier ankommen, es schaffen, in 48 Stunden ihre Fluchtgeschichte zu erzählen?" Sie bezweifelt zudem, dass sie die notwendigen Verfahrensgarantien bekommen. Besonders Schutzbedürftige hätten zudem "besondere Bedarfe", so die Psychotherapeutin. Traumatisierte Menschen könnten ihre Geschichte oft nicht, wie gefordert, chronologisch und detailliert erzählen und bräuchten psychische und psychosoziale Unterstützung. Ihre Sorge: "dass da ein rechtsfreier Raum geschaffen wird, ohne dass noch eine ordentliche Prüfung des Einzelfalls möglich ist".
Den Asylstreit empfindet Schriefers als "absurd". Und: "Ich habe nicht den Eindruck, dass im Moment überhaupt jemand danach fragt, wie es den Menschen eigentlich geht, was es überhaupt mit den Menschen macht, wenn sie aus ihren Heimatländern fliehen." (bth)