Risiken und Nebenwirkungen inklusive
60 bis 80 Prozent der Psychotherapien haben unerwünschte Nebenwirkungen – darüber muss inzwischen auch aufgeklärt werden. Psychologe Bernhard Strauß sagt, es komme darauf an, so zu informieren, dass die Patienten nicht gleich Reißaus nehmen.
Psychotherapien sollen dafür sorgen, dass es den Menschen besser geht. Aber wie bei jeder Behandlung kann es auch hier zu unerwünschten Nebenwirkungen kommen.
"In der Psychotherapie ist es völlig klar, dass Belastungen entstehen, wenn man sich mit sich selbst beschäftigt, wenn man sich mit seinen Problemen und Konflikten konfrontiert. Da kommt es zu emotionalen Schwankungen", sagt der Psychologe Bernhard Strauß, der das Institut für Psychosoziale Medizin und Psychotherapie am Universitätsklinikum Jena leitet.
Unerwünschte Nebenwirkungen bei 60 bis 80 Prozent
Die Literatur spreche davon, dass es bei 60 bis 80 Prozent aller Therapien solche unerwünschten Nebenwirkungen gebe. "Egal, ob das eine Verhaltenstherapie ist oder eine psychodynamische Therapie", betont der Jenaer Psychologe.
Unterschiede lassen sich offenbar eher in Abhängigkeit vom Therapie-Umfeld beobachten: "Es ist ein bisschen höher in Therapien, die im klinischen Rahmen stattfinden. Da sind die Belastungen und die Beziehungen natürlich noch komplexer sind", sagt Strauß. "Und die Raten sind vielleicht auch ein bisschen höher in Gruppentherapien. Das ist naheliegend, weil man da natürlich nicht nur mit seiner eigenen Problematik konfrontiert wird, sondern auch mit den Themen anderer Gruppenmitglieder."
Verpflichtet, die Patienten über Risiken aufzuklären
Mit diesen unerwünschten Nebenwirkungen habe sich die Psychotherapie lange Zeit nur am Rande beschäftigt. Inzwischen sei man aber – etwa durch das Patientenrechtegesetz – auch in der Psychotherapie dazu verpflichtet, im Vorfeld einer Therapie über Risiken und Nebenwirkungen aufzuklären.
"Es beginnt jetzt langsam, dass Ausbildungsinstitute spezielle Kurse anbieten", sagt Strauß, dessen Institut am Wochenende eine Tagung zum Thema "Nebenwirkungen in der Psychotherapie" veranstaltet. "Aber das könnte noch sehr viel besser sein."
Bei der Aufklärung der Patienten über unerwünschte Nebenwirkungen gilt es Strauß zufolge, das richtige Maß zu finden. "Wenn man Patienten von vornherein überschüttet, so wie in den Beipackzetteln, mit Informationen, was theoretisch alles schiefgehen könnte, dann würden sie wahrscheinlich gar nicht mehr in die Psychotherapie kommen", warnt er. "Es geht darum, Informationen zu vermitteln, aber nicht gleich negative Erwartungen zu erzeugen."
Zumal Nebenwirkungen auch positiv sein können: Nämlich dann, wenn sich über das Behandlungsziel hinaus Verbesserung in punkto Lebensqualität, Gesundheitsverhalten oder Partnerbeziehung ergeben.
(uko)