Pürlü: Kalisch hat seinen "Vertrauensvorschuss" verspielt
Der Koordinationsrat der Muslime in Deutschland hat seine Position im Streit um den Islamwissenschaftler Sven Muhammad Kalisch bekräftigt. Kalisch habe seinen "Vertrauensvorschuss" verspielt, sagte der Sprecher des Koordinationsrats, Erol Pürlü. Kalisch darf an der Universität Münster keine islamischen Religionslehrer mehr ausbilden, weil er Zweifel an der historischen Existenz des Propheten Mohammed geäußert hat.
Dieter Kassel: Seit der bis dahin an der Universität Münster für die Ausbildung von islamischen Religionslehrern zuständige deutsche Muslim Sven Muhammad Kalisch öffentlich geäußert hat, es gebe keine wissenschaftlichen Beweise für die historische Existenz des Propheten Mohammed, und er selber würde deshalb dazu tendieren, nicht an diese Existenz zu glauben, seit er das öffentlich gesagt hat, gab es Streit in Nordrhein-Westfalen. Das lief in etwa so ab: Der Koordinationsrat der Muslime in Deutschland hat Kalisch das Vertrauen entzogen. Daraufhin hat die Universität Münster beschlossen, dass Kalisch nicht mehr für die Ausbildung von Religionslehrern zuständig sein soll. Das soll bald der Inhaber eines zweiten Lehrstuhls für Islamwissenschaften in Münster sein. Die Politik ist ein wenig gespalten, Nordrhein-Westfalens Wissenschaftsminister Pinkwart hat hier im Deutschlandradio Kultur gesagt, er könne diese Entscheidung verstehen und bietet sich als Vermittler an. Die CDU-Fraktion im nordrhein-westfälischen Landtag hat nun aber in dieser Woche festgestellt, für sie sei der Fall noch lange nicht abgeschlossen, für sie ist noch nicht klar, dass Kalisch keine Religionslehrer mehr ausbilden soll. Wir haben mit Muhammad Sven Kalisch am Anfang dieser Woche geredet, mit dem nordrhein-westfälischen Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart auch, und heute reden wir mit Erol Pürlü. Er gehört dem Verband der islamischen Kulturzentren an und ist turnusmäßig im Moment der Sprecher des Koordinationsrats der Muslime in Deutschland. Schönen guten Tag, Herr Pürlü!
Erol Pürlü: Guten Tag!
Kassel: Gilt die Freiheit der Wissenschaft nicht, wenn es um den Islam geht?
Pürlü: Natürlich gilt die Freiheit der Wissenschaft, auch wenn es um den Islam geht. Und jeder Professor hat die Freiheit zu forschen, wie es ihm genehm ist.
Kassel: Aber warum darf dann Herr Kalisch nicht mehr zuständig sein, neben anderen ja auch in Münster, zuständig sein für die Ausbildung von Religionslehrern?
Pürlü: Also geht ja um den konfessionellen Religionsunterricht nach Artikel 7 des Grundgesetzes. Und hier haben natürlich auch Religionsgemeinschaften zu sagen. Wenn der Beirat in Münster gegründet wurde, dann aus diesem Grunde, dass man natürlich Vertrauen bei den Muslimen haben wollte. Die islamischen Organisationen haben diesbezüglich einen Vertrauensvorschuss Kalisch gegeben, der aber es dadurch verspielt hat, dass er die Existenz des Propheten Mohammed geleugnet hat.
Kassel: Ja, was heißt geleugnet? Also wenn man ganz genau sein will, hat er das nicht gemacht. Er hat gesagt, es gibt keinen wissenschaftlichen Beweis für diese Existenz, und er tendiert dazu, solange dieser Beweis fehlt, auch nicht davon auszugehen. Er hat nicht gesagt, er ist sich sicher, dass Mohammed nicht gelebt hat.
Pürlü: Es ist seine eigene Meinung, es gibt natürlich Wissenschaftler, die sagen, es gibt auch Beweise, die besagen, dass der Prophet Mohammed gelebt hat. Also Wissenschaftlermeinung steht gegenüber Wissenschaftlermeinung. Und deswegen geht es ja in erster Linie um den konfessionellen Religionsunterricht. Und nach unserer Meinung, wir vertreten, dass der Prophet existiert hat, wir vertreten, dass der Koran Gottes Wort ist, und deshalb möchten wir auch einen Wissenschaftler, der das auch vertritt und der unsere Religionslehrer ausbildet.
Kassel: Vielleicht hören wir uns – wir haben am Montag mit Muhammad Sven Kalisch gesprochen –, vielleicht hören wir uns erst mal noch mal an, wie genau er das erklärt hat, wissenschaftlich gesehen.
Muhammad Sven Kalisch: Wenn es darum geht, die Kinder aus den Koranschulen herauszuholen, kann es ja wohl keine Lösung sein, die Koranschulen an die Schulen zu holen, an die staatlichen Schulen zu holen. Ich denke, ein moderner Religionsunterricht muss für ganz bestimmte kritische Fragen auch für eine Erziehung zu einer kritischen Religionsmündigkeit geeignet sein. Und dazu gehört es selbstverständlich, sich mit diesen Dingen auseinanderzusetzen. Wann sollen sie denn so weit sein? Irgendwann muss die Diskussion ja mal angestoßen werden. Irgendwann muss es auch mal ein Moslem machen.
Kassel: Sehen Sie das anders, darf man nicht darüber diskutieren, ob es die wissenschaftlichen Beweise gibt oder nicht? Sie haben ja selber gerade gesagt, es gibt Leute, die behaupten, es gäbe welche, und es gibt Leute innerhalb des Islams, die behaupten, es gibt sie nicht?
Pürlü: Es sind Einzelmeinungen, die sagen, dass der Prophet Mohammed nicht existiert hat. Und uns geht es ja auch nicht darum, jetzt die Koranschule in die Schulen zu bringen, sondern im islamischen Religionsunterricht sollen die Schüler an die Religion des Islam hingeführt werden. Der Religionsunterricht in der Schule kann den Unterricht in der Moschee nicht ersetzen. In der Moschee geht es mehr darum, den Muslimen ihre Praxis näherzubringen. Und Schule und Moscheen sollten sich meiner Meinung nach ergänzen.
Kassel: Aber gerade, Herr Pürlü, wenn Sie das jetzt ernst meinen, was Sie gesagt haben, Schule und Moscheen sollten sich ergänzen, dann wäre es doch sinnvoll, in der Schule wissenschaftlich wirklich zu unterrichten, was man weiß, was man nicht weiß und alle Meinungen darzustellen, die es mindestens innerhalb der muslimischen Gemeinschaft überall auf der Welt gibt. Die einzelnen Ausrichtungen, die es gibt, sei es nun einer Ihrer vier Verbände oder andere, die können ja in der Moschee unterrichtet werden. Aber was ist so schlimm daran, wenn jemand in der Schule sagt, Mohammed hat wahrscheinlich gelebt, aber an dem einen oder anderen Punkt sind die historischen Beweise inkonsistent?
Pürlü: Wir sprechen wieder mal von einem konfessionellen Religionsunterricht, und in einem katholischen oder evangelischen Unterricht ist es nicht unterschiedlich. Und wir wollen es auch so mit dem islamischen Religionsunterricht. Sicherlich werden dann auch Themen angesprochen, in denen Leute Zweifel haben über die Existenz des Propheten Mohammed, aber in einem konfessionellen Unterricht ist es auch wichtig, den muslimischen Kindern darzulegen, dass er existiert hat, damit sie auch kritisch mit dem Thema umgehen können.
Kassel: Aber wo Sie das sagen, ich bin rein zufällig übrigens tatsächlich in Nordrhein-Westfalen zur Schule gegangen und habe vor 25 Jahren im evangelischen Religionsunterricht von meiner Religionslehrerin beigebracht bekommen, dass das, was in der Bibel steht, zum großen Teil nicht wörtlich zu nehmen ist, dass das Menschen geschrieben haben und dass es nur Bilder sind.
Pürlü: Ja, Sie haben eine andere Textgeschichte …
Kassel: Ja, Ihre Verbände, aber das ist ja auch nicht der ganze Islam. Und Kalisch nimmt ja für sich nicht in Anspruch, er kann beweisen, dass es Mohammed nicht gab. Er sagt nur, ihm fehlt der Beweis.
Pürlü: Keiner hat ja was dagegen, dass Kalisch sich so äußert, und wir halten ihm ja auch nicht den Mund zu. Er darf und kann in dieser Form das lehren, aber nicht, wenn es um Religionslehrer geht, die für den islamischen Religionsunterricht ausgebildet werden sollen.
Kassel: Reden wir darüber, Herr Pürlü, wie es weitergehen soll. Es gibt ja ohnehin im Prinzip in Münster diesen zweiten Lehrstuhl. Der war schon länger geplant, er ist nicht dafür erfunden worden, aber er soll nun möglichst schnell besetzt werden, damit dann in Münster wieder ein Islamwissenschaftler lehrt, der mit Einverständnis aller oder vieler Religionslehrer ausbilden darf. Was für einen Mann oder was für eine Frau würden Sie sich da denn wünschen?
Pürlü: Der auch die allgemeinen Meinungen der Mainstream-Muslime hier in Deutschland vertritt, also der auch den sunnitischen Islam bei der Lehrerausbildung in den Vordergrund stellt. Das würden wir uns wünschen.
Kassel: Den sunnitischen im Gegensatz zum schiitischen?
Pürlü: Wir sind in erster Linie sunnitisch geprägte Muslime, aber wir haben auch schiitische Gruppierungen, mit denen wir gut zusammenarbeiten. Und da wird natürlich auch Thema Inhalt des Unterrichts sein, auch schiitische Glaubensansichten.
Kassel: Nun soll es ja in etwa wie folgt weitergehen: Die Universität wird einen Lehrstuhlinhaber oder auch eine -inhaberin suchen, und dann hat unter anderem auch der Wissenschaftsminister Pinkwart angeboten, er werde dann auch vermitteln zwischen dem Koordinationsrat und der Universität, wenn nötig. Was ist denn jetzt, mal völlig abgesehen von Kalisch, wenn sich da jetzt jemand meldet und von der Universität jemand ausgesucht wird, der Ihnen nicht gefällt, was werden Sie dann tun?
Pürlü: Also erst einmal ist wichtig, dass man gemeinsam an die Sache herangeht, und die Universität hat natürlich ihre Freiheit, jeden zu suchen. Aber letztendlich geht es doch auch darum, dass man Vertrauen innerhalb der Muslime in Deutschland schafft. Und da sind auch meines Erachtens islamische Organisationen wichtig, denn die Akzeptanz der islamischen Organisationen wird auch dazu führen, dass innerhalb der muslimischen Community der oder die eine Professor oder Professorin dann eben Anerkennung findet.
Kassel: Aber da haben wir doch immer noch das Problem, dass auch der Koordinationsrat, der ja immerhin eine Gemeinschaftseinrichtung von vier muslimischen Verbänden ist, bei Weitem nicht alle in Deutschland lebenden Muslime vertritt.
Pürlü: Erst einmal müssen sich natürlich in Deutschland die Menschen organisieren, damit sie als Ansprechpartner des Staates gelten. Und wir können ja nicht bloß von Muslimen ausgehen, sondern wir müssen einfach gucken, welche islamischen Organisationen gibt es. Und der Koordinationsrat der Muslime vertritt eben die vier großen Dachverbände, 90 Prozent der Moscheegemeinden in Deutschland, also sozusagen den größten organisierten Islam in Deutschland.
Kassel: Die Sache Kalisch schien ja vorübergehend schon fast ausgestanden mit dieser Idee, den zweiten Lehrstuhlinhaber zuständig zu machen und Muhammad Sven Kalisch nur noch forschen zu lassen. Nun hat aber in dieser Woche die CDU-Landtagsfraktion in Düsseldorf gesagt, das sieht sie gar nicht so. Für sie ist die Frage noch nicht beendet. Wenn man nun irgendwie doch noch zu dem Schluss zum Beispiel kommt, dass Kalisch zusammen mit anderen weiter für die Ausbildung von Religionslehrern für islamischen Religionsunterricht zuständig ist, wie würden Sie darauf reagieren?
Pürlü: Also wir müssen erst einmal gemeinsame Gespräche führen, wie das weitergehen soll. Für uns ist wichtig, dass der Verantwortliche mit unseren Grundsätzen übereinstimmt, mit den Grundsätzen unseres Religionsverständnisses. Und ob jetzt Herr Kalisch nebenbei was macht, es gibt ja auch den alevitischen Religionsunterricht, und die Schiiten und die Aleviten haben ja auch Gemeinsamkeiten, vor allem wenn es um die Verehrung des Ali geht. Da könnte sich vielleicht auch ein anderer Bereich für Herrn Kalisch ergeben.
Kassel: Erol Pürlü, der Sprecher des Koordinationsrats der Muslime in Deutschland, um den Streit um den Münsteraner Islamwissenschaftler Sven Muhammad Kalisch und die Zukunft eines möglichen islamischen Religionsunterrichts an den Schulen in Nordrhein-Westfalen. Herr Pürlü, ich danke Ihnen!
Pürlü: Gerne.
Erol Pürlü: Guten Tag!
Kassel: Gilt die Freiheit der Wissenschaft nicht, wenn es um den Islam geht?
Pürlü: Natürlich gilt die Freiheit der Wissenschaft, auch wenn es um den Islam geht. Und jeder Professor hat die Freiheit zu forschen, wie es ihm genehm ist.
Kassel: Aber warum darf dann Herr Kalisch nicht mehr zuständig sein, neben anderen ja auch in Münster, zuständig sein für die Ausbildung von Religionslehrern?
Pürlü: Also geht ja um den konfessionellen Religionsunterricht nach Artikel 7 des Grundgesetzes. Und hier haben natürlich auch Religionsgemeinschaften zu sagen. Wenn der Beirat in Münster gegründet wurde, dann aus diesem Grunde, dass man natürlich Vertrauen bei den Muslimen haben wollte. Die islamischen Organisationen haben diesbezüglich einen Vertrauensvorschuss Kalisch gegeben, der aber es dadurch verspielt hat, dass er die Existenz des Propheten Mohammed geleugnet hat.
Kassel: Ja, was heißt geleugnet? Also wenn man ganz genau sein will, hat er das nicht gemacht. Er hat gesagt, es gibt keinen wissenschaftlichen Beweis für diese Existenz, und er tendiert dazu, solange dieser Beweis fehlt, auch nicht davon auszugehen. Er hat nicht gesagt, er ist sich sicher, dass Mohammed nicht gelebt hat.
Pürlü: Es ist seine eigene Meinung, es gibt natürlich Wissenschaftler, die sagen, es gibt auch Beweise, die besagen, dass der Prophet Mohammed gelebt hat. Also Wissenschaftlermeinung steht gegenüber Wissenschaftlermeinung. Und deswegen geht es ja in erster Linie um den konfessionellen Religionsunterricht. Und nach unserer Meinung, wir vertreten, dass der Prophet existiert hat, wir vertreten, dass der Koran Gottes Wort ist, und deshalb möchten wir auch einen Wissenschaftler, der das auch vertritt und der unsere Religionslehrer ausbildet.
Kassel: Vielleicht hören wir uns – wir haben am Montag mit Muhammad Sven Kalisch gesprochen –, vielleicht hören wir uns erst mal noch mal an, wie genau er das erklärt hat, wissenschaftlich gesehen.
Muhammad Sven Kalisch: Wenn es darum geht, die Kinder aus den Koranschulen herauszuholen, kann es ja wohl keine Lösung sein, die Koranschulen an die Schulen zu holen, an die staatlichen Schulen zu holen. Ich denke, ein moderner Religionsunterricht muss für ganz bestimmte kritische Fragen auch für eine Erziehung zu einer kritischen Religionsmündigkeit geeignet sein. Und dazu gehört es selbstverständlich, sich mit diesen Dingen auseinanderzusetzen. Wann sollen sie denn so weit sein? Irgendwann muss die Diskussion ja mal angestoßen werden. Irgendwann muss es auch mal ein Moslem machen.
Kassel: Sehen Sie das anders, darf man nicht darüber diskutieren, ob es die wissenschaftlichen Beweise gibt oder nicht? Sie haben ja selber gerade gesagt, es gibt Leute, die behaupten, es gäbe welche, und es gibt Leute innerhalb des Islams, die behaupten, es gibt sie nicht?
Pürlü: Es sind Einzelmeinungen, die sagen, dass der Prophet Mohammed nicht existiert hat. Und uns geht es ja auch nicht darum, jetzt die Koranschule in die Schulen zu bringen, sondern im islamischen Religionsunterricht sollen die Schüler an die Religion des Islam hingeführt werden. Der Religionsunterricht in der Schule kann den Unterricht in der Moschee nicht ersetzen. In der Moschee geht es mehr darum, den Muslimen ihre Praxis näherzubringen. Und Schule und Moscheen sollten sich meiner Meinung nach ergänzen.
Kassel: Aber gerade, Herr Pürlü, wenn Sie das jetzt ernst meinen, was Sie gesagt haben, Schule und Moscheen sollten sich ergänzen, dann wäre es doch sinnvoll, in der Schule wissenschaftlich wirklich zu unterrichten, was man weiß, was man nicht weiß und alle Meinungen darzustellen, die es mindestens innerhalb der muslimischen Gemeinschaft überall auf der Welt gibt. Die einzelnen Ausrichtungen, die es gibt, sei es nun einer Ihrer vier Verbände oder andere, die können ja in der Moschee unterrichtet werden. Aber was ist so schlimm daran, wenn jemand in der Schule sagt, Mohammed hat wahrscheinlich gelebt, aber an dem einen oder anderen Punkt sind die historischen Beweise inkonsistent?
Pürlü: Wir sprechen wieder mal von einem konfessionellen Religionsunterricht, und in einem katholischen oder evangelischen Unterricht ist es nicht unterschiedlich. Und wir wollen es auch so mit dem islamischen Religionsunterricht. Sicherlich werden dann auch Themen angesprochen, in denen Leute Zweifel haben über die Existenz des Propheten Mohammed, aber in einem konfessionellen Unterricht ist es auch wichtig, den muslimischen Kindern darzulegen, dass er existiert hat, damit sie auch kritisch mit dem Thema umgehen können.
Kassel: Aber wo Sie das sagen, ich bin rein zufällig übrigens tatsächlich in Nordrhein-Westfalen zur Schule gegangen und habe vor 25 Jahren im evangelischen Religionsunterricht von meiner Religionslehrerin beigebracht bekommen, dass das, was in der Bibel steht, zum großen Teil nicht wörtlich zu nehmen ist, dass das Menschen geschrieben haben und dass es nur Bilder sind.
Pürlü: Ja, Sie haben eine andere Textgeschichte …
Kassel: Ja, Ihre Verbände, aber das ist ja auch nicht der ganze Islam. Und Kalisch nimmt ja für sich nicht in Anspruch, er kann beweisen, dass es Mohammed nicht gab. Er sagt nur, ihm fehlt der Beweis.
Pürlü: Keiner hat ja was dagegen, dass Kalisch sich so äußert, und wir halten ihm ja auch nicht den Mund zu. Er darf und kann in dieser Form das lehren, aber nicht, wenn es um Religionslehrer geht, die für den islamischen Religionsunterricht ausgebildet werden sollen.
Kassel: Reden wir darüber, Herr Pürlü, wie es weitergehen soll. Es gibt ja ohnehin im Prinzip in Münster diesen zweiten Lehrstuhl. Der war schon länger geplant, er ist nicht dafür erfunden worden, aber er soll nun möglichst schnell besetzt werden, damit dann in Münster wieder ein Islamwissenschaftler lehrt, der mit Einverständnis aller oder vieler Religionslehrer ausbilden darf. Was für einen Mann oder was für eine Frau würden Sie sich da denn wünschen?
Pürlü: Der auch die allgemeinen Meinungen der Mainstream-Muslime hier in Deutschland vertritt, also der auch den sunnitischen Islam bei der Lehrerausbildung in den Vordergrund stellt. Das würden wir uns wünschen.
Kassel: Den sunnitischen im Gegensatz zum schiitischen?
Pürlü: Wir sind in erster Linie sunnitisch geprägte Muslime, aber wir haben auch schiitische Gruppierungen, mit denen wir gut zusammenarbeiten. Und da wird natürlich auch Thema Inhalt des Unterrichts sein, auch schiitische Glaubensansichten.
Kassel: Nun soll es ja in etwa wie folgt weitergehen: Die Universität wird einen Lehrstuhlinhaber oder auch eine -inhaberin suchen, und dann hat unter anderem auch der Wissenschaftsminister Pinkwart angeboten, er werde dann auch vermitteln zwischen dem Koordinationsrat und der Universität, wenn nötig. Was ist denn jetzt, mal völlig abgesehen von Kalisch, wenn sich da jetzt jemand meldet und von der Universität jemand ausgesucht wird, der Ihnen nicht gefällt, was werden Sie dann tun?
Pürlü: Also erst einmal ist wichtig, dass man gemeinsam an die Sache herangeht, und die Universität hat natürlich ihre Freiheit, jeden zu suchen. Aber letztendlich geht es doch auch darum, dass man Vertrauen innerhalb der Muslime in Deutschland schafft. Und da sind auch meines Erachtens islamische Organisationen wichtig, denn die Akzeptanz der islamischen Organisationen wird auch dazu führen, dass innerhalb der muslimischen Community der oder die eine Professor oder Professorin dann eben Anerkennung findet.
Kassel: Aber da haben wir doch immer noch das Problem, dass auch der Koordinationsrat, der ja immerhin eine Gemeinschaftseinrichtung von vier muslimischen Verbänden ist, bei Weitem nicht alle in Deutschland lebenden Muslime vertritt.
Pürlü: Erst einmal müssen sich natürlich in Deutschland die Menschen organisieren, damit sie als Ansprechpartner des Staates gelten. Und wir können ja nicht bloß von Muslimen ausgehen, sondern wir müssen einfach gucken, welche islamischen Organisationen gibt es. Und der Koordinationsrat der Muslime vertritt eben die vier großen Dachverbände, 90 Prozent der Moscheegemeinden in Deutschland, also sozusagen den größten organisierten Islam in Deutschland.
Kassel: Die Sache Kalisch schien ja vorübergehend schon fast ausgestanden mit dieser Idee, den zweiten Lehrstuhlinhaber zuständig zu machen und Muhammad Sven Kalisch nur noch forschen zu lassen. Nun hat aber in dieser Woche die CDU-Landtagsfraktion in Düsseldorf gesagt, das sieht sie gar nicht so. Für sie ist die Frage noch nicht beendet. Wenn man nun irgendwie doch noch zu dem Schluss zum Beispiel kommt, dass Kalisch zusammen mit anderen weiter für die Ausbildung von Religionslehrern für islamischen Religionsunterricht zuständig ist, wie würden Sie darauf reagieren?
Pürlü: Also wir müssen erst einmal gemeinsame Gespräche führen, wie das weitergehen soll. Für uns ist wichtig, dass der Verantwortliche mit unseren Grundsätzen übereinstimmt, mit den Grundsätzen unseres Religionsverständnisses. Und ob jetzt Herr Kalisch nebenbei was macht, es gibt ja auch den alevitischen Religionsunterricht, und die Schiiten und die Aleviten haben ja auch Gemeinsamkeiten, vor allem wenn es um die Verehrung des Ali geht. Da könnte sich vielleicht auch ein anderer Bereich für Herrn Kalisch ergeben.
Kassel: Erol Pürlü, der Sprecher des Koordinationsrats der Muslime in Deutschland, um den Streit um den Münsteraner Islamwissenschaftler Sven Muhammad Kalisch und die Zukunft eines möglichen islamischen Religionsunterrichts an den Schulen in Nordrhein-Westfalen. Herr Pürlü, ich danke Ihnen!
Pürlü: Gerne.