Viet Thanh Nguyen: "Der Sympathisant"
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Wolfgang Müller
Blessing Verlag
527 Seiten 25 Euro
"Trump würde das Buch hassen!"
Für "Der Sympathisant" hat Viet Thanh Nguyen den Pulitzerpreis erhalten. Jetzt erscheint der Roman über die Auswirkungen des Vietnamkriegs auf Deutsch. Heute kenne man nur die amerikanische Version des Krieges, sagt Nguyen. Sein Roman soll einen anderen Blickwinkel vermitteln.
"Der Sympathisant" ist ein junger Mann, der 1975 im Gefolge eines südvietnamesischen Generals in die USA. Aber er ist ein Maulwurf, ein Spion des siegreichen Vietcong, der die in die USA Geflüchteten im Auge behalten und gegebenenfalls zuzuschlagen soll.
"Unter südvietnamesischen Exilanten in den USA war die Angst vor kommunistischen Spionen sehr groß. Das war eine regelrechte Paranoia", berichtet Nguyen, der selbst als vierjähriger Flüchtling mit seinen Eltern in die USA kam. "Tatsächlich ist der Charakter des Sympathisanten an eine historische Figur angelehnt, die nach Südvietnam ging und sich dort mit allen möglichen amerikanischen Journalisten anfreundete. Dieser Mann hat sehr viele wichtige Informationen erhalten und weitergeben können, so dass er später zum General befördert wurde."
Eine Satire über die amerikanische Kultur
Nguyens Roman ist auch eine scharfe Satire auf die amerikanische Kultur und ihre Sicht auf Vietnam. Der Held arbeitet an einem Vietnam-Film mit, bei dem man unschwer das Vorbild von "Apocalypse Now" erkennt. TC Boyle nannte das Buch schon einen "Klassiker, der die amerikanische Haltung zum Vietnamkrieg neu definieren werde".
"Vietnam war für die Amerikaner der Vietnamkrieg und all die Hollywood-Filme, die darüber gedreht wurden", erklärt der Autor. "Die Vietnamesen in diesen Filmen wurden nicht als Menschen dargestellt, sondern waren einfach pures Material für diese amerikanischen Heldengeschichten. Das hat mich natürlich immens gestört."
Opposition und Aufklärung statt Rache
Doch Nguyen geht es nicht um eine späte Rache an den Regisseuren. Diese Sicht der Geschichte sei Teil des militärisch-industriellen Komplexes geworden, der weltweit Propaganda verbreite. "Menschen auf der ganzen Welt kennen diese Filme! Allerdings nur die amerikanische Version. Keiner kennt vietnamesische Filme über den Krieg. Auch in Europa, wo sehr viele gegen den Vietnamkrieg waren, nicht. Man hat die Vietnamesen quasi ausradiert aus dem Vietnamkrieg. Mein kleiner Roman versucht das nun aufzuzeigen und eine Opposition zu dieser Kultur zu sein."
Eine andere Wahrheit
Gerade hier sieht Ngyen die Aufgaben von Minderheiten in einer Gesellschaft: "Ich versuche zu zeigen, dass es durchaus möglich ist, ein Radikaler zu sein und kritisch mit den Machtverhältnissen umzugehen und trotzdem die westliche Subjektivität beizubehalten. Als Minderheiten müssen darauf hinweisen, dass das was uns passiert eine andere Wahrnehmungsmöglichkeit bietet. Dass es eine andere Wahrheit gibt. Wir müssen sicherstellen, dass unsere Stimme auch gehört wird."
Natürlich hätte sich der Anglistik-Professor gewünscht mit Obama über das Buch und diese Sicht der Geschichte zu diskutieren, so wie es der ehemalige Präsident mit vielen progressiven Autoren getan hat. "Trump würde das Buch hassen!", ist sich Nygyen sicher. "Wenn es ihm denn jemand in zwei Zeilen zusammenfassen würde." Doch auch von Trumps Regierung gehe ein positiver Effekt auf die amerikanische Literatur aus: "Es bildet sich unter den Intellektuellen eine neue kritische Haltung heraus. Wir Autoren werden jetzt mobilisiert, oppositionell aktiv zu werden."