Pulswärmer fürs Brandenburger Tor
Einen besonderen Zusammenhang von Stricken mit Anspruch und öffentlichem Raum schafft die Künstlerin Lauren O'Farrell. Zu bewundern waren Werke der Strickkünstlerin am Brandenburger Tor in Berlin.
Zum Lokaltermin kommt Lauren O'Farrell in Ringel-Strumpfhosen mit natürlich selbst gestricktem Schal und niedlichen Strick-Totenkopf um den Hals. Eine sinnige Anspielung auf die strickenden Bürgerinnen unter Guillotine? Nicht wirklich:
"Ich glaube, die Leute fänden es großartig, wenn wir so was sagen würden, aber in Wahrheit, macht uns das was wir machen, einfach Spaß und wir finden es schön."
Lauren O'Farrell will keine Köpfe rollen sehen, sondern ihre selbst gestrickten Tierchen los werden - und zwar im öffentlichen Raum. Sie und ihre Mitstreiterinnen haben eine Mission:
"Wir nennen das unseren Sonnenstrahl aus Wolle. Wir wollen die Leute aufmuntern und ihnen zeigen, dass sie Spuren hinterlassen können, dass sie sich ihre Stadt aneignen können, egal mit was."
In Museen haben sie schon ihre Strickbienchen hinterlassen, die Abenteuer der kleinen Alice im Wunderland haben sie nachgestrickt und in Londoner Parkbäumen verknotet, U-Bahnstationen haben sie mit Strick-Skeletten bevölkert und gar eine ganze Telefonzelle umstrickt. "Knit the city" - bestricke deine Stadt - nennt sich das Strick-Kollektiv. Und längst sind sie nicht allein: Seit vor sechs Jahren die Texanerin Magda Sayeg auf die Idee kam, Hydranten zu umhäkeln, hat sich der kollektive Wunsch dem öffentlichen Raum mit niedlichen Applikationen, genannt "Guerilla-Knitting", ein bisschen Wärme abzutrotzen zur weltweiten Bewegung entwickelt: In Paris zum Beispiel rückt das "Collectiv France Tricot" öffentlichen Orten mit der Stricknadel zu Leibe. Dass die gestrickten Interventionen im öffentlichen Raum in der Regel nur wenige Stunden überleben, bevor Liebhaber die Strickwaren mit nach Hause nehmen, spielt keine Rolle. Denn im Internet dokumentieren zahllose Fotos die farbenfrohen Verschönerungsmaßnahmen.
Lauren O'Farrell schloss sich erst vor zwei Jahren der Bewegung an. Stricken hatte sie erst kurz vorher gelernt:
"Als ich vor ein paar Jahren wegen Krebs behandelt werden musste, habe ich im Krankenhaus zum Zeitvertreib zu stricken angefangen. Und ich glaube dass das Stricken eine ganze Menge damit zu tun hat, dass ich wieder gesund geworden bin."
Jetzt also hat ihre Leidenschaft Lauren O'Farrell bis nach Berlin gebracht. Ein Verlag, der einen Sammelband mit Fotos der Strickinvasionen herausbringt, hat sie eingeladen, dem symbolhaltigsten Platz der Stadt mit Strickwaren zu Leibe zu rücken. Als die Strickbärchen am Nylonfaden an einem Laternenpfahle baumeln, reagieren weibliche Passantinnen begeistert:
"Wenn man den öffentlichen Raum sich so zu eigen macht, klar verändert der sich, man besitzt ihn ein Stück weit mehr."
"Man verändert ihn auch insofern, dass die Leute das sehen und ein Lächeln auf dem Gesicht haben."
Ganz im Gegensatz zu den männlichen Passanten:
"Also sieht jetzt nicht sehr sinnvoll aus."
"Strickende Frauen? Es gibt noch eins, was schlimmer ist als strickende Frauen: stillende Frauen. Das ist wirklich der Anfang vom Ende der abendländischen Zivilisation."
Wenn sich Hendryk M. Broder, Publizist , der zufällig vorbei kommt da mal nicht irrt. Stricken und öffentlicher Raum, das Thema ist immerhin so alt wie das Abendland. Schon Ariadne muss eine Strickern gewesen sein, wie sonst hätte sie Theseus zur rechten Hand das Wollknäuel zustecken können, um wieder aus dem Labyrinth ins Freie herauszufinden. Viel später markieren strickende Frauen Wendepunkte der modernen Geschichte: Von denen im revolutionären Paris war die Rede. Aber dokumentierten nicht auch die strickenden Studentinnen in den Soziologie-Seminaren von 68 den weiblichen Anspruch auf den männlich dominierten öffentlichen Politikraum?
Zwei rechts, zwei links .. ein Pulli für den kalten Gegenwind auf dem Marsch durch die Institutionen? Deren Vertreter belächeln in Gestalt zweier Streifenpolizisten auf dem Pariser Platz die Aktion. Die Guttenberg-Demonstranten fordern ihrer ganze Aufmerksamkeit.
Aber Lauren O'Farrell ist noch nicht fertig mit Berlin: Im Gepäck hat sie einen meterlangen Strick-Tintenfisch. Dem würde sie gerne einen der preußischen Staatsheroen um den Hals legen, die unter den Linden auf der Museumsinsel in Stein und Bronze den öffentlichen beherrschen. Aber leider sind die zur Zeit eingerüstet oder reiten auf unerreichbar hohen Sockeln.
Da bleibt dann nur ein harmloser Bronze-Jüngling am Landwehrkanal aus DDR-Zeiten. Die Fotografen knipsen emsig den knallorangen Tintenfisch auf seiner Schulter. Dann packt O'Farrell ihr Werk wieder ein. Die Verlagsfrau drängt zum nächsten Termin: eine Signierstunde in einer nahen Buchhandlung. Am Ende werden von der Intervention im öffentlichen Raum nur ein paar Bilder im Netz bleiben.
Im Gegensatz zu Graffitis, Cut-Outs oder auch Guerilla-gardening Pflanz-Aktionen auf Großstadtplätzen verschwinden die Strick-Wesen – und der Sonnenstrahl aus Wolle so lautlos, wie sie gekommen sind. Und am Ende bleibt vor Ort, das was im Strickjargon so heißt: Zwei Rechts, zwei Links, zwei fallen lassen – also nichts.
"Ich glaube, die Leute fänden es großartig, wenn wir so was sagen würden, aber in Wahrheit, macht uns das was wir machen, einfach Spaß und wir finden es schön."
Lauren O'Farrell will keine Köpfe rollen sehen, sondern ihre selbst gestrickten Tierchen los werden - und zwar im öffentlichen Raum. Sie und ihre Mitstreiterinnen haben eine Mission:
"Wir nennen das unseren Sonnenstrahl aus Wolle. Wir wollen die Leute aufmuntern und ihnen zeigen, dass sie Spuren hinterlassen können, dass sie sich ihre Stadt aneignen können, egal mit was."
In Museen haben sie schon ihre Strickbienchen hinterlassen, die Abenteuer der kleinen Alice im Wunderland haben sie nachgestrickt und in Londoner Parkbäumen verknotet, U-Bahnstationen haben sie mit Strick-Skeletten bevölkert und gar eine ganze Telefonzelle umstrickt. "Knit the city" - bestricke deine Stadt - nennt sich das Strick-Kollektiv. Und längst sind sie nicht allein: Seit vor sechs Jahren die Texanerin Magda Sayeg auf die Idee kam, Hydranten zu umhäkeln, hat sich der kollektive Wunsch dem öffentlichen Raum mit niedlichen Applikationen, genannt "Guerilla-Knitting", ein bisschen Wärme abzutrotzen zur weltweiten Bewegung entwickelt: In Paris zum Beispiel rückt das "Collectiv France Tricot" öffentlichen Orten mit der Stricknadel zu Leibe. Dass die gestrickten Interventionen im öffentlichen Raum in der Regel nur wenige Stunden überleben, bevor Liebhaber die Strickwaren mit nach Hause nehmen, spielt keine Rolle. Denn im Internet dokumentieren zahllose Fotos die farbenfrohen Verschönerungsmaßnahmen.
Lauren O'Farrell schloss sich erst vor zwei Jahren der Bewegung an. Stricken hatte sie erst kurz vorher gelernt:
"Als ich vor ein paar Jahren wegen Krebs behandelt werden musste, habe ich im Krankenhaus zum Zeitvertreib zu stricken angefangen. Und ich glaube dass das Stricken eine ganze Menge damit zu tun hat, dass ich wieder gesund geworden bin."
Jetzt also hat ihre Leidenschaft Lauren O'Farrell bis nach Berlin gebracht. Ein Verlag, der einen Sammelband mit Fotos der Strickinvasionen herausbringt, hat sie eingeladen, dem symbolhaltigsten Platz der Stadt mit Strickwaren zu Leibe zu rücken. Als die Strickbärchen am Nylonfaden an einem Laternenpfahle baumeln, reagieren weibliche Passantinnen begeistert:
"Wenn man den öffentlichen Raum sich so zu eigen macht, klar verändert der sich, man besitzt ihn ein Stück weit mehr."
"Man verändert ihn auch insofern, dass die Leute das sehen und ein Lächeln auf dem Gesicht haben."
Ganz im Gegensatz zu den männlichen Passanten:
"Also sieht jetzt nicht sehr sinnvoll aus."
"Strickende Frauen? Es gibt noch eins, was schlimmer ist als strickende Frauen: stillende Frauen. Das ist wirklich der Anfang vom Ende der abendländischen Zivilisation."
Wenn sich Hendryk M. Broder, Publizist , der zufällig vorbei kommt da mal nicht irrt. Stricken und öffentlicher Raum, das Thema ist immerhin so alt wie das Abendland. Schon Ariadne muss eine Strickern gewesen sein, wie sonst hätte sie Theseus zur rechten Hand das Wollknäuel zustecken können, um wieder aus dem Labyrinth ins Freie herauszufinden. Viel später markieren strickende Frauen Wendepunkte der modernen Geschichte: Von denen im revolutionären Paris war die Rede. Aber dokumentierten nicht auch die strickenden Studentinnen in den Soziologie-Seminaren von 68 den weiblichen Anspruch auf den männlich dominierten öffentlichen Politikraum?
Zwei rechts, zwei links .. ein Pulli für den kalten Gegenwind auf dem Marsch durch die Institutionen? Deren Vertreter belächeln in Gestalt zweier Streifenpolizisten auf dem Pariser Platz die Aktion. Die Guttenberg-Demonstranten fordern ihrer ganze Aufmerksamkeit.
Aber Lauren O'Farrell ist noch nicht fertig mit Berlin: Im Gepäck hat sie einen meterlangen Strick-Tintenfisch. Dem würde sie gerne einen der preußischen Staatsheroen um den Hals legen, die unter den Linden auf der Museumsinsel in Stein und Bronze den öffentlichen beherrschen. Aber leider sind die zur Zeit eingerüstet oder reiten auf unerreichbar hohen Sockeln.
Da bleibt dann nur ein harmloser Bronze-Jüngling am Landwehrkanal aus DDR-Zeiten. Die Fotografen knipsen emsig den knallorangen Tintenfisch auf seiner Schulter. Dann packt O'Farrell ihr Werk wieder ein. Die Verlagsfrau drängt zum nächsten Termin: eine Signierstunde in einer nahen Buchhandlung. Am Ende werden von der Intervention im öffentlichen Raum nur ein paar Bilder im Netz bleiben.
Im Gegensatz zu Graffitis, Cut-Outs oder auch Guerilla-gardening Pflanz-Aktionen auf Großstadtplätzen verschwinden die Strick-Wesen – und der Sonnenstrahl aus Wolle so lautlos, wie sie gekommen sind. Und am Ende bleibt vor Ort, das was im Strickjargon so heißt: Zwei Rechts, zwei Links, zwei fallen lassen – also nichts.