Ein Kraftwerk als Spiegel der Geschichte
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Ein aktives Denkmal der Industriegeschichte sollte das Kraftwerk in der Nähe von Dresden sein, findet eine Bürgerinitiative. Stattdessen ist es eine Betonwüste mit ausgedienten Strommasten. Doch aus dem "Lost Place" könnte ein Ort der Kultur werden.
Eine Spur von Golden Gate im Elbtal: Wer aus Meißen durch die Natur nach Dresden radelt, sieht schon aus mehreren Kilometern eine rote Seilbrücke. Sie verbindet die Karl-May-Stadt Radebeul auf der einen mit der Ortschaft Niederwartha auf der anderen Seite. Hinter der Brücke ragen direkt am Radweg ausgemusterte Strommasten in die Höhe. Eine Betonwüste, abgesperrt durch einen Zaun.
"Das ist wirklich nicht schön", sagt Helfried Hertting. Der pensionierte Wasserbauingenieur setzt sich mit einer Bürgerinitiative für den Erhalt des Pumpspeicherwerks in Niederwartha ein. "Die Fläche könnte man anders nutzen. Denn die ist ja sogar hochwasserfrei. Aber das ist wirklich keine Sehenswürdigkeit, was hier verblieben ist."
Eine Sehenswürdigkeit "im Stil der Moderne"
Eine Sehenswürdigkeit - zumindest in den Augen von Hertting - wartet dafür direkt hinter dem stillgelegten Umspannwerk. Nach einigen Minuten Fußweg stehen wir wieder vor einem Zaun: Dahinter mehrere dunkel geklinkerte Gebäude, aus klaren Linien ragt ein halbrunder Turm heraus. "Alles in einem Baustil, in dem Stil der Moderne, aus den 20er-Jahren", so Hertting und beschreibt die Industrieanlage: "Dazu gehört dann oben auf der Höhe ein Drosselklappenhaus, in dem der Durchfluss durch die drei Rohre geregelt wird und dann noch weiter oben das Einlaufbauwerk am Oberbecken, alles wie aus einer Hand. Die Seen, die die hier geschaffen worden sind, sind jetzt seit über 90 Jahren Bestandteil dieser Landschaft."
Das Kraftwerk mit seinen Stauseen, verbunden durch drei weithin sichtbare Fallrohre, steht im Elbtal wie ein Spiegel der deutschen Geschichte. 1930 in Betrieb genommen, gingen die Turbinen nach dem Zweiten Weltkrieg als Reparation in die Sowjetunion, wurden später zurückgebracht. Nach 1990 wurde der Betrieb privatisiert. Der Energiekonzern Vattenfall hat die Anlage vom Netz genommen, der Betrieb des 2002 beim Hochwasser beschädigten Werks ist aus Sicht des Unternehmens nicht wirtschaftlich. Und so ist an diesem Vormittag auf dem Gelände kaum jemand zu sehen, wirken die mächtigen Anlagen und Gebäude verlassen.
Der riesige blaue Schriftzug leuchtet nicht mehr
"Was sich hier drinnen abspielt, kann ich nicht sagen", sagt Wasserbauingenieur Hertting. "Man sieht abends - ich kann das von meinem Wohnhaus sehen - ab und zu mal Licht. Das heißt, die Anlage ist zumindest mal bewacht." Zutritt für betriebsfremde Personen verboten. Die Generatorenhalle kann Hertting daher nur in einer Broschüre aus DDR-Zeiten zeigen. Bei einem Spaziergang rund um den See aber werden historische Gebäude und auch die Ausmaße der Wasseranlagen sichtbar. Und ein riesiger blauer Schriftzug, der nachts längst nicht mehr leuchtet. Herttings Bürgerinitiative würde zu gern sehen, dass hier wieder Wasser sprudelt, Strom erzeugt wird.
Doch danach sieht es nicht aus – im Gegenteil: Die Menschen in Niederwartha und Umgebung müssen sogar fürchten, dass der einzige für die Öffentlichkeit zugängliche Teil des Pumpspeicherwerks im Tal verschwinden könnte. "Das Schwimmbad hier, das ist das einzige, in Dresden, das so eine große Wasserfläche hat und auch verkehrsgünstig zu erreichen ist", sagt Hertting, als er nach rund 15 Minuten Fußweg auf einer Straßenbrücke steht und auf einen mit Bojen abgetrennten Bereich direkt gegenüber der Maschinenhalle zeigt. "Und die Gefahr besteht, dass, wenn das Pumpspeicherwerk nicht mehr für den notwendigen Wasserstand sorgt, dass es dann soweit absinkt, dass es als Schwimmbad als See zum Schwimmen nicht mehr geeignet ist."
Ein Ort für Kunst, Kultur und Gastronomie?
Zuletzt kündigte die Stadtverwaltung Dresden an, das Schwimmbad erhalten zu wollen. Auch befinde man sich in Verhandlungen mit Vattenfall, um das gesamte Pumpspeicherwerk zu übernehmen. Die denkmalgeschützten Industriebauten könnten dann ein Ort für Kunst, Kultur und Gastronomie werden. Und wer weiß, vielleicht kann man ja einst auch Kaffee im historischen Drosselklappenhaus am oberen Ende der Rohrleitungen trinken, mit Blick übers Elbtal. Auch ein Museum sei denkbar, heißt es bei der Stadt. Und dann sicher auch mit einem Hinweisschild für alle vorbeifahrenden Radfahrerinnen und Radfahrer.