Eine Analyse aus Lemberg

Putin ist von Neid und Wut getrieben

13:28 Minuten
Wladimir Putin im Porträt.
„Wir haben es mit einem sehr, sehr kranken Menschen an der Spitze des größten Landes zu tun“, sagt der ukrainische Psychoanalytiker Jurko Prochasko. © AFP
Jurko Prochasko im Gespräch mit Marietta Schwarz · 26.02.2022
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Die Solidarität in der ukrainischen Bevölkerung sei groß, berichtet Jurko Prochasko aus Lemberg. Dabei sei man auf das Schlimmste gefasst: auf einen „totalen Vernichtungskrieg“. Der Psychoanalytiker erklärt das auch mit dem Seelenzustand Putins.
Jeder tut in diesem Krieg, was er kann, berichtet der ukrainische Schriftsteller und Psychoanalytiker Jurko Prochasko aus Lemberg: Männer und Frauen melden sich zur Verteidigung der Ukraine vor der russischen Invasion. Freiwillige spenden Blut für verwundete Soldaten. Kleider und Lebensmittel werden gesammelt. Informationszentren werden aufgebaut, sowie Vermittlungszentren für die ankommenden Flüchtlinge aus dem Süden des Landes errichtet. Und Prochasko übernimmt die deutschsprachige Berichterstattung aus Lemberg.
Die Ukrainer seien letztlich nicht wirklich von diesem Krieg überrascht, sagt er. Es habe also keinerlei berechtigte Hoffnung gegeben, dass dieser Krieg nicht passieren würde. Seit Putins erstem Amtstag habe dieser gelogen. Von so jemandem könne man „überhaupt nichts erwarten. Von daher war auch dieser Krieg für uns alles andere als eine Schimäre.“

Putins Neid auf Selenskyj

Man sei sogar auf das Schlimmste gefasst, sagt Prochasko: auf einen „totalen Vernichtungskrieg“. Der Psychoanalytiker erklärt das mit dem Seelenzustand Putins: Dieser habe einen unglaublichen Neid auf Menschen und Gesellschaften, die frei sein können und frei sein wollen. In ihm herrschten eine wahnsinnige zerstörerische Wut und ein blinder Hass. „Wir haben es mit einem sehr, sehr kranken Menschen an der Spitze des größten Landes zu tun“, sagt Prochasko.
Deswegen richteten sich die russischen Angriffe auch direkt gegen Wolodymyr Selenskyj. „Er ist eine Anmutung, eine Herausforderung für Putin. Er verkörpert nämlich all das, was Putin nicht ist und nicht sein kann; alles, was Putin verwehrt ist. Er verkörpert einen freien Menschen und ein Staatsoberhaupt von einem freien Volk, das in demokratischen Wahlen seine Führung wählt – und nicht einen Despoten, der völlig illegitim seit Jahrzehnten sich eingepanzert hat in der Machtpyramide.“

Totalversagen der politischen Klasse des Westens

2008 schon wollte die Ukraine der NATO beitreten. Doch letztlich sei dies an Deutschland gescheitert, sagt Prochasko. Dieser Beitritt hätte aber den aktuellen Krieg verhindert, so Prochasko. „Dann würden die putinschen Konflikte in Bezug auf die Ukraine alleine in seiner Seele ausgetragen.“
Insgesamt bescheinigt Prochasko der politischen Klasse des Westens ein Totalversagen – aus Ignoranz und Unwissenheit heraus. Im Westen habe man die emanzipatorischen Bewegungen der Ukraine seit dem 19. Jahrhundert nicht nur nicht erkannt, sondern sei man auch davon ausgegangen, dass Russland und die Ukraine ohnehin eine Einheit bildeten.

Die Ukraine und Russland sind nicht eins

„Das war politisch gesehen sehr bequem, uns immer in eine Schublade zu stecken, in eine Ecke zu stellen, und irgendwie zu meinen: Das ist eh irgendwie eins. Das missbraucht natürlich Putin jetzt in seinen sehr kruden, verrückten Thesen über den einheitlichen, völkischen Körper.“
Aber, gibt der Psychoanalytiker zu bedenken, „wenn das Bild wahr wäre, dann würde das heißen, dass ein Teil dieses Körpers verletzt und zerfetzt würde. Und da sieht man schon, wie viel Destruktivität und eigentlich Selbstmordgelüste da drinstecken“.
Sollte es zum Äußersten kommen, werde auch er zur Waffe greifen, sagt der Schriftsteller und Psychoanalytiker Jurko Prochasko.

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