Nana Brink schreibt zu Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik u.a. für die „German Times“ und das Magazin „Internationale Politik“. Seit 2020 ist sie stellvertretende Vorsitzende von WIIS.de, der deutschen Sektion von Women in International Security, eines internationalen Zusammenschlusses von Frauen in der Außen- und internationalen Sicherheitspolitik. Zudem ist sie freie Moderatorin beim Deutschlandradio. www.nana-brink.de
Waffenlieferungen in Kriegsgebiete
Panzerabwehrraketen wie diese wurden 2014 von Deutschland zur Unterstützung der Kurden im Irak geleifert. © picture alliance / dpa / Maurizio Gambarini
Deutschlands Doppelmoral
Die Ukraine möchte zur Verteidigung Waffen von Deutschland. Mit Verweis auf die historische Verantwortung lehnt die Bundesregierung das ab. Bei anderen kriegerischen Konflikten hat man sich weniger geziert mit Waffenlieferungen.
Natürlich sagt das keiner laut, aber für die NATO ist Russlands Präsident Putin der „Mitarbeiter des Monats“. Jahrelang hat das westliche Verteidigungsbündnis um strategische Einigkeit gerungen und – man erinnert sich noch die Aussage des französischen Präsidenten Macron über ihren „Scheintod“ – nun ist sie wieder da, in alter Größe. Sozusagen gezwungen zur Einigkeit.
Einen größeren Gefallen hätte Putin der Identitätsfindung des Bündnisses nach dem Kalten Krieg nicht machen können. Seine Aggressionspolitik an der Grenze zur Ukraine hat klar gemacht: Gäbe es die NATO nicht, müsste man sie just in diesen Zeiten erfinden.
Einen größeren Gefallen hätte Putin der Identitätsfindung des Bündnisses nach dem Kalten Krieg nicht machen können. Seine Aggressionspolitik an der Grenze zur Ukraine hat klar gemacht: Gäbe es die NATO nicht, müsste man sie just in diesen Zeiten erfinden.
Der Koalitionsvertrag setzt auf Abschreckung
Man darf der Bundesregierung unterstellen, dass sie dies genau so sieht, schließlich steht im Koalitionsvertrag: „Wir bekennen uns zur Aufrechterhaltung eines glaubwürdigen Abschreckungspotentials“. Viele Verbündete halten dies allerdings für ein Lippenbekenntnis und fürchten einen deutschen Sonderweg. Während die meisten NATO-Staaten den Preis eines militärischen Angriffs für Russland so hoch wie möglich treiben wollen, schert Deutschland aus.
Sichtbarstes Beispiel dafür: die Waffenlieferungen an die Ukraine. Man muss nicht gleich so weit gehen wie die Briten und mit der Ankündigung vorpreschen, Panzerabwehrraketen zu liefern. Aber die Zusicherung der deutschen Verteidigungsministerin, ein – immerhin – „komplettes Feldlazarett, inklusive der nötigen Ausbildung“ nach Kiew zu liefern, hat vor allem bei den USA Kopfschütteln ausgelöst. Sie planen massive Truppenverlegungen nach Europa.
Sichtbarstes Beispiel dafür: die Waffenlieferungen an die Ukraine. Man muss nicht gleich so weit gehen wie die Briten und mit der Ankündigung vorpreschen, Panzerabwehrraketen zu liefern. Aber die Zusicherung der deutschen Verteidigungsministerin, ein – immerhin – „komplettes Feldlazarett, inklusive der nötigen Ausbildung“ nach Kiew zu liefern, hat vor allem bei den USA Kopfschütteln ausgelöst. Sie planen massive Truppenverlegungen nach Europa.
Deutschlands Verweigerungshaltung
Was die NATO-Verbündete am meisten stört, ist die Begründung auf deutscher Seite: Solche Lieferungen hätten wegen des Einmarschs von Nazi-Deutschland in die Sowjetunion eine historische Dimension. Die Vorstellung, deutsche Waffen würden sich gegen russische Soldaten richten, sei unerträglich. In der Tat stützt sich die Bundesregierung dabei auf eine weitverbreitete Meinung in der deutschen Öffentlichkeit.
Was die Sache nicht besser macht.
Was die Sache nicht besser macht.
Die kategorische Weigerung, im Verbund mit den Partnern Waffen zur Selbstverteidigung an ein Land zu liefern, das um seine Existenz als unabhängiger Staat ringt, ist nicht nur strategisch unklug, es ist schlich unsolidarisch. Einigkeit in einem Bündnis wie der NATO bedeutet eben auch „burden sharing“, also das Teilen der Last. Auch der moralischen übrigens.
Ja, es gibt es den deutschen Glaubensgrundsatz, keine Waffen in Krisengebiete zu liefern. Der ist für viele nicht verhandelbar. Er klingt auch auf den ersten Blick moralisch einwandfrei, bedeutet aber auf den zweiten Blick die Unfähigkeit, sich den Realitäten anzupassen. Genau dieser moralische Impetus nervt Deutschlands Verbündete schon lange. „Ihr versteckt Euch hinter der Geschichte, um Euch die Hände nicht dreckig machen zu müssen“, formulierte es ein US-amerikanischer Diplomat kürzlich.
Waffenliegerungen in Kriegsgebiete
Dass es auch anders gehen kann, zeigt der Koalitionsvertrag in Sachen Waffenlieferungen: „Bei begründeten Einzelfällen kann es Ausnahmen geben“. Die gab es auch schon in der Vergangenheit. Um die Kurden 2014 im Irak zu unterstützen, lieferte die deutsche Bundesregierung rund 30 Panzerabwehrraketen jener Art, wie sie die Ukraine jetzt fordert. Der heutige Bundespräsident Steinmeier begründete den Schritt als Außenminister damit, eine „Rückkehr der Barbarei“ zu verhindern. Man muss es eben politisch wollen.
Einigkeit heißt: An einem Strang ziehen. Um einem Aggressor wie Putin die Stirn zu bieten. Waffenlieferungen an die Ukraine sind dabei eine Reaktionsmöglichkeit unter vielen. Vielleicht auch nicht die beste. Aber sie auszuschließen, bedeutet, auf eine Option am Verhandlungstisch zu verzichten. In dieser Sache haben sich die Deutschen mal wieder als “Mitarbeiter des Monats“ in Sachen Moral bewiesen.