Putziges Bildertheater und viel "Wald"

Von Karin Fischer |
Der neue Schauspiel-Chef Sven-Eric Bechtolf kann mit seinem Konzept für die Salzburger Festspiele nicht überzeugen. Viel Wald ist auf der Bühne zu sehen und hölzernes Puppentheater. Nur Andrea Breth mit "Prinz Friedrich von Homburg" konnte überzeugen.
Ja, der Wald. Symbol deutscher Romantik und aller unserer Alpträume. So wie in der Felsenreitschule gerne deren steinerne Rundbögen als Bühnenbild zitiert werden, war im Theater in Salzburg in diesem Jahr gleich drei Mal Wald zu sehen: als Kriegsschauplatz mit verkohlten Stümpfen bei Andrea Breth, als tiefenpsychologisch deutbarer Untergrund in Gisèle Viennes düsterer Traumwelt, und als Tatort beim Stück von Händl Klaus.

Das ist mehr als ein Zufall, eher ein Zeichen fürs Naturnahe, Echte, auch fürs Gefährliche, Untergründige: Bechtolfs Regisseure signalisieren Tiefe und Durchdringung; für oberflächliche mediale Zeichen, für Videoscreens und das ganze moderne Zeug ist hier kein Platz.

Der neue Schauspiel-Chef selbst hat der Turbo-Aktualisierung von Stoffen, die im deutschen Stadt- und Staatstheater schon länger Mode ist, eine klare Absage erteilt. Sein Statement auf der Pressekonferenz des "Young Directors Project” darf man getrost auch dem Schauspiel-Programm unterstellen:

"Es gibt eine absurde Festivalitis, die dazu führt, dass das Fremdeste für schick gehalten wird. Also ein peruanischer Choreograph macht mit einem chinesischen Pudelzüchter Kafkas "Schloss" - auf rumänisch. Und er ist erst Sechzehn. Und man muss ihn unbedingt einladen, und das Ganze ist eigentlich gequirlter Topfen. Das möchte ich vermeiden."

Bechtolf will mit seinem Schauspiel-Programm weder angesagte Regie-Stile reproduzieren noch große Namen präsentieren. Er will eine "Polyphonie der Schönheit” erklingen lassen. Das allerdings ist nur bedingt gelungen. Natürlich sind Gisèle Viennes trockeneisvernebelte Settings in der Eisarena oder im Wald - mit echtem Raubvogel und Eule! - "schön”, aber wenn darin nur textlose Klischees oder pubertär-poetisches Geraune kombiniert mit lauter elektronischer Musik statt findet, wird das Ganze zum Überwältigungstheater für Schulklassen.

Natürlich ist Irina Brooks "Sturm” schön, er ist bunt, lebendig, zauberhaft in ganz wörtlichem Sinne: denn in Brooks Interpretation hat nicht nur Prospero, der sein Reich verlor und mit seiner Tochter Miranda auf eine einsame Insel verbannt wurde, übernatürliche Kräfte und einen Zauberstab. Ihr Luftgeist Ariel kann wirklich zaubern, und der fremde Gast Alfredo bezaubert Prosperos Tochter Miranda, indem er mit gleich vier Zwiebeln jongliert. Und da der Alte "Maestro di Pasta" ist und das Ganze in einer aus Strandgut zusammenimprovisierten Küche spielt, durchzieht zu Beginn Knoblauchduft die Hallen und werden später die Spaghetti Vongole aus dem Hut gezaubert.

Das ist komödiantisch und lustig und entlässt die Zuschauer mit glänzenden Augen. Man kann darüber streiten, wie viel Sinn es macht, Ibsen auf englisch und Shakespeare auf französisch in Salzburg aufzuführen. Dass bei den multinationalen Ensembles von Irina Brook nicht nur, aber vor allem Shakespeares Sprache verloren geht, muss aber, diesmal zugunsten des deutschen Regie-Theaters, fest gehalten werden.

Die von Bechtolf angestrebte Internationalisierung hat angelsächsische Spielfreude und französische Zeichenhaftigkeit vorgestellt, die auf vielen Festivals zwischen Edinburgh, Avignon und Wien ihren Platz hätten. Für Salzburger Festspiel-Niveau ist das zu wenig.

Dass Bechtolf sich im ersten Jahr mit lauter regieführenden Frauen umgibt, ist seiner Rede nach reiner Zufall. Schade eigentlich: Wenn man starke Regie-Handschriften hätte entdecken können, wäre es ein Statement geworden. So sah man weitgehend harmloses Bildertheater.

Zu dem auch das Puppentheater gehörte, eine Kunstform, die der Schauspielchef neu in Salzburg etablieren will, damit der Mensch wie ein Kind das Staunen wieder lernen kann: Puppentheater als Gipfel des charmanten llusionstheaters, möchte man meinen.

In Salzburg aber auch der Gipfel an Hölzernheit und sprachlicher Eindimensionalität, in einer naiven, völlig ungebrochenen Version von Ferdinand Raimunds "Bauer als Millionär" der Nürnberger Puppentruppe "Thalias Kompagnons".

Ein solches Schauspielprogramm mag dem durch postmoderne Shakespeare-Schlachten und Molière-Marathons schwer geschundenen Salzburger Publikum gut tun, es ist insgesamt misslungen, unter anderem, weil - jenseits platter Aktualisierung - jeder Bezug zur Jetztzeit fehlt. Wenn man nicht zufällig "Missbrauch” als Signum der Zeit ausmacht, der gleich drei Mal angedeutet wird.

Ansonsten: Ein historisierter Lenz, ein 80er Jahre Peer Gynt, ein Shakespeare vom Zirkus, alles sehr putzig. Selbst die gestern besprochene umjubelte Händl Klaus-Premiere mit der Musikbanda Franui ist zwar ein verdienstvolles Experiment, aber kaum nachspielbar und insgesamt vielleicht auch ein großer Schmarrn. Bleibt Andrea Breth, die aus dem Programm wie eine Heroine der intensiven Zeichen heraus ragt, mit ihrem nicht unumstrittenen "Prinz Friedrich von Homburg”. Der war schwarz-weiß-gemalt, ein böser Zweikampf zwischen Prinz und Kurfürst, intelligent ausgedacht wie ein Schachspiel. In dem ein ständig glutvoll hingerissener August Diehl gegen einen berechnend rationalen Kurfürsten und lauter schwarze Steh-Figuren anrannte. Andrea Breth kann wenigstens Kleists Traum für sich reklamieren. Für die Kritik gab es in diesem Jahr in Salzburg nur ein böses Erwachen.
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