Pro und Contra

Mit kurzer Quarantäne durch die Omikron-Welle?

05:23 Minuten
Ein Labormitarbeiter hält vor sich ein Teströhrchen mit der Aufschrift "Omicron". Er trägt Handschuhe und eine Maske vor Mund und Nase.
Sich freitesten, um spazieren gehen zu dürfen? Wegen der schnellen Ausbreitung der Omikron-Variante des Coronavirus arbeiten PCR-Labore an der Belastungsgrenze. © picture alliance / dpa / Robin Utrecht
Von Tobias Krone und Michael Böddeker |
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Die Infektionszahlen steigen wieder, Deutschland steht am Beginn einer fünften Coronawelle. Die besonders ansteckende Omikron-Variante wird voraussichtlich für mehr Arbeitsausfälle sorgen. Doch ist es deshalb sinnvoll, die Quarantäne zu verkürzen?

Tobias Krone meint: Die Quarantäne bei Omikron-Schnupfen schnell verkürzen!


Bitte macht die Quarantänepflicht platt, bevor sie dieses System plattmacht. Zu diesem Schluss kommen viele, die sich mit der kritischen Infrastruktur beschäftigen.
Wer in den vergangenen Wochen mal mit dem Personal auf einer Coronaintensivstation gesprochen hat, versteht den Begriff kritische Infrastruktur sowieso auf ganz neue Art und Weise. Denn es sind die Pflegerinnen und Pfleger, die auffangen, was die grassierende Impfskepsis anrichtet. Menschen müssen ins Koma versetzt, beatmet, gedreht, gewendet werden, vor allem, weil sie ihrem freien Willen Ausdruck verliehen haben und nicht geimpft sind.

Personalmangel in der Pflege

Man kann auch sagen, das Pflegepersonal badet gerade unsere Demokratie aus – deren Meinungspluralismus oder Trägheit, je nach Sichtweise. Das ist schweißtreibende Schwerstarbeit, mit der allein im ersten Coronafrühjahr 9000 Pflegende aufgehört haben.
Ja, die kritische Infrastruktur unseres Gesundheitssystems ist auch wegen des Personalmangels in einem äußerst kritischen Zustand. Die Quarantänepflicht für Menschen, die in Kontakt mit Infizierten geraten sind, war mal eine gute Idee. Aber für die kritische Infrastruktur ist sie kontraproduktiv. Denn alle Pflegenden, die 14 Tage in der eigenen Wohnung absitzen müssen, fehlen auf den Stationen und damit auch bei dem Unternehmen, Schwerstkranke zu retten.
Omikron ist hierfür ein doppelt wichtiges Argument. Denn zum einen registrieren die Krankenhäuser, dass die Omikron-Variante für dreifach Geimpfte weniger hart ausfällt. Oft sei es gerade mal ein Tag Schnupfen. Nach fünf Tagen fielen PCR-Tests bereits negativ aus.
Warum sollten diese Menschen nicht dann wieder arbeiten dürfen, dort, wo sie dringend gebraucht werden? Warum sollten sie von der 14-Tages-Bürokratie an der Arbeit gehindert werden, warum sollten nicht die Fakten sprechen?

Labore an der Belastungsgrenze

Wohlgemerkt: Dieses Freitesten sollte nicht allen erlaubt sein, die auch gut im Homeoffice arbeiten. Gerade jetzt, da die PCR-Labore teils überlastet sind, sollte man diese nicht noch zum Kollaps bringen, nur, weil manche gern mal wieder spazieren oder ausgehen möchten.
Doch all diejenigen, die dort arbeiten, wo Katastrophen verhindert oder bekämpft werden – also bei Polizei, Feuerwehr, in Kraftwerken oder in der Medizin – sollten die Möglichkeit des Freitestens bekommen. Auch wegen der Gefahr durch Omikron.
Experten wie der Intensivmediziner Christian Karagiannidis warnen: Wir werden in den kommenden Wochen einen deutlichen Anstieg derjenigen erleben, die das Virus auf die allzu leichte Schulter nehmen, die nicht geimpft sind, sich infizieren und dann trotzdem im Krankenhaus landen. Dann wird wieder jede Kraft auf den Stationen gebraucht und nicht daheim auf dem Sofa.  

Michael Böddeker findet: Es bleibt vieles unklar, deswegen lieber sicherer und bei neuen Erkenntnissen nachjustieren.

In der Coronapandemie gibt es oft keine Entscheidungen, die eindeutig richtig oder falsch sind, sondern nur „schlecht“ und „etwas weniger schlecht“. Es bleibt eine schwierige Abwägung, man könnte auch sagen: Schadensbegrenzung.
14 Tage Quarantäne für Kontaktpersonen, das wäre zwar ziemlich sicher. Aber es wäre auch eine sehr lange Zeit.

Schnellerer Verlauf

Nur fünf Tage Quarantäne dagegen, das wäre zwar sehr viel kürzer, aber auch weniger sicher. Thomas Mertens, Vorsitzender der Ständigen Impfkommission (STIKO), hält zum Beispiel fünf Tage für zu kurz. Es habe schon Fälle gegeben, bei denen Menschen auch nach fünf Tagen die Infektion weitergegeben hätten.
Omikron mischt gerade die Karten neu. Diese Virusvariante ist viel ansteckender und verdrängt gerade Delta als vorherrschende Variante. Das wird zu mehr Infektionen führen. Aber wahrscheinlich unterscheidet sich Omikron noch in anderen Punkten von den bisherigen Virusvarianten.
Womöglich verläuft eine Infektion mit Omikron nämlich schneller als bei den bisherigen Coronavirusvarianten. Wenn das Virus sich schneller in den oberen Atemwegen vermehrt, dann lässt es sich dort auch schneller mit einem Test nachweisen.
Das spräche dafür, die Quarantäne von Kontaktpersonen zu verkürzen. Denn dann ist früher klar, entweder ist die Person sehr wahrscheinlich nicht infiziert und kann weiterarbeiten oder die Person ist infiziert und sollte sich besser noch eine Weile selbst isolieren.

Ausnahme für Pflegepersonal?

Wichtig ist, dass dieser Nachweis mit einem besonders aussagekräftigen Test gemacht wird, also bestenfalls über eine PCR. Und weil nicht unbegrenzt PCR-Tests zur Verfügung stehen, muss auch hier wieder abgewogen werden: Welche Infrastruktur ist wirklich absolut kritisch? Pflegerinnen und Pfleger zum Beispiel sollten sich früher per PCR freitesten können.
Es spielen also sehr viele Faktoren eine Rolle. Die Antwort auf das Problem muss sehr differenziert ausfallen. Klar ist: Die Omikron-Welle kommt. Es stehen schwierige Abwägungen und Entscheidungen an. Diese Entscheidungen sollten immer wieder nachjustiert werden, sobald es neue Zahlen und Erkenntnisse gibt – gerade zu Omikron, wo noch immer einiges unklar ist.

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