Quatuor Ébène
Dresdner Philharmonie
Leitung: Marek Janowski
War Beethoven ein sinfonischer Kammermusiker oder umgekehrt?
Wo liegt eigentlich Ludwig van Beethovens Schwerpunkt? Ist er vor allem Komponist großer Kammermusik, ein Neugestalter der Gattung Quartett? Oder ist er eher der große Sinfoniker? Die Dresdner Philharmonie und das Quatuor Ébène offenbaren die Verknüpfungen.
Es kommt wohl auf den Blickwinkel an! Fragen wir Marek Janowski er hatte die Idee, Quartette und Sinfonien in seinen Konzerten immer wieder zu kombinieren. Man hört: die Fäden der Gattungen kreuzen sich, laufen hin und her, werden groß gedacht und filigran ausgesponnen.
Einflüsse hörbar gemacht
Beethovens Streichquartett op. 59 zum Beispiel beginnt mit sinfonischer Geste, die Vierte Sinfonie birgt dann wiederum Abschnitte kammermusikalischer Feinarbeit. Der Abend lädt zur Spekulation über Ursache und Wirkung ein.
Diplomaten als Musikmäzene
Das Quatuor Ébéne eröffnet den Abend mit dem dritten der sogenannten "Rasumowsky-Quartetten", dem op. 59. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts war es in Wien selbstverständlich, dass die Diplomaten aus dem Ausland Kenner der aktuellen Kunst und Musik waren und diese auch großzügig förderten, wie Graf Andrej Rasumowsky.
Alles, was der noch junge Ludwig van Beethoven komponiert hatte, wurde "dort brühwarm aus der Pfanne durchprobiert und nach eigener Angabe haarscharf genau, wie er es ebenso und schlechterdings nicht anders haben wollte, ausgeführt, mit einem Eifer, mit Liebe, Folgsamkeit und einer Pietät, die nur solch glühenden Verehrern seines erhabenen Genius entstammen…", beschreibt der Dirigent Ignaz von Seyfried die Situation im Palais Rasumowsky.
Widmung als Dank
Dort spielte das Schuppanzigh-Quartett, das als Hausensemble fungierte, Beethoven ging als Hauskomponist und -pianist ein und aus. Das Fürstenpalais war damit Arena des Neuen, eine Begegnungsstätte und Experimentierfeld. Beethoven wurde als Überflieger umsorgt, bewundert, seine Schrullen hingenommen. Er hat es genossen und auch reflektiert - er wusste, was er an dem Fürsten hatte.
So widmete er seine drei Quartette op. 59 dem russischen Diplomaten. Im dritten hat er als Reminiszenz und Danksagung sogar eine slawische Melodie, ein ukrainisches Lied, eingewoben.
Nachdem das Quartett verklungen ist, setzt Dirigent Marek Janowski eine deutlich größer besetzte Sinfonie aufs Programm. Er ist davon überzeugt, dass man nach dem Kammermusikalischen das folgende Werk anders wahrnimmt. "Die Kopplung bedingt eine andere Wahrnehmung.", so der Chefdirigent der Dresdner Philharmoniker. Das Sinfonische sei aus der Kammermusik heraus geformt - so könne man es hören.
Die Vierte entstand im ähnlichen Zeitraum, wie Beethovens op. 59. Der Komponist schrieb diese Musik, als er unsterblich verliebt in Josephine von Brunswick war. Geschmack und Haltung des Werkes schienen ihm eine angemessene Zwiesprache in Tönen zu ihr suchen.
Neues Publikum für Quartette
Gefolgt wird die vierte Sinfonie vom sogenannten "Harfenquartett", das Zehnte, das nach dem op. 59 Nr. 3 entstand. Beethoven hatte in der Zwischenzeit die Belagerung Wiens erlebt. Eine neue Zeit kündigte sich an. Das Bürgertum beteiligte sich mehr und mehr an der Musikszene der Stadt. Daher ist das Quartett etwas einfacher gehalten, um dieses Publikum zu erreichen, auch wenn Beethoven es einem weiteren seiner adligen Mäzene Franz Joseph Maximilian von Lobkowitz widmete.
Der Beiname stammt nicht von Beethoven. Er etablierte sich in Anlehnung des ersten Satzes, der mit seinem Pizzicato, dem Zupfen der Saiten, an einen Harfenspieler erinnert.
Konzert vom 22. Februar 2020 im Kulturpalast Dresden
Ludwig van Beethoven
Streichquartett C-Dur op. 59 Nr. 3
Sinfonie Nr. 4 B-Dur op. 60
Streichquartett Es-Dur op. 74 "Harfenquartett"
Streichquartett C-Dur op. 59 Nr. 3
Sinfonie Nr. 4 B-Dur op. 60
Streichquartett Es-Dur op. 74 "Harfenquartett"