Der diskrete Charme der Monarchie
Der Amtszeit-Rekord von Elizabeth II. erinnert daran, dass die politische Ohnmacht der Queen eine besonders subtile Form von Macht bedeuten kann. Denn wer über jeder Ideologie und Partei schwebt, dem kann niemand Polit-Egoismus unterstellen.
(Fanfare. Klopfen)
So klingt es, wenn der oberste Parlamentsdiener an die Tür des Unterhauses klopft, damit dessen vom Volk gewählte Mitglieder nach nebenan ins Oberhaus kommen – da, wo die Lords sitzen: die aus altem Adel und die, die die Monarchin auf Wunsch der jeweiligen Regierung zu ernennen hat.
(Fanfare)
So klingt es, wenn die Queen das Oberhaus betritt, damit sie dort die neue Sitzungsperiode des britischen Parlaments eröffnet und vorträgt, was ihr der jeweilige Ministerpräsident vorgelegt hat.
So klingt es, wenn die Queen den Regierungsplan verkündet, dass die Abgeordneten des Unterhauses in freier Abstimmung entscheiden sollen über die Zukunft der Fuchsjagd mit Hunden. Was die Hundeliebhaberin Elisabeth davon hält, darf sie uns nicht verraten.
Und so klang Premierminister Winston Churchill am 2. Juni 1953 bei den Krönungsfeierlichkeiten.
"She is herself."
Den Thron bestiegen hatte sie bereits ein Jahr zuvor, am 6. Februar 1952 – nach dem Tode ihres Vaters Georges VI. Die britische Monarchie kennt kein Vakuum auf dem Thron, sie lässt sich aber Zeit mit der pompösen Krönung. 1953 wurde sie das erste Mal im Fernsehen übertragen. Elisabeth steht da ganz in der Tradition ihrer Ururgroßmutter Victoria, die sie nun in den Schatten gestellt hat, was die Länge der Monarchenzeit angeht. Immer nach dem Motto: "reigned, not governed" – also: geherrscht, wenn auch nicht regiert. Schon Victoria wusste ihr harmonisches Familienleben mit Gemahl Albert aufs Wirksamste in den Gazetten des 19. Jahrhunderts zu präsentieren.
Schon Victoria hatte gelernt, dass sie sich in der parlamentarischen Monarchie ihren wechselnden Premierministern unterzuordnen hat, wollte sie nicht in einem Land, das keine geschriebene Verfassung kennt, einen Verfassungskonflikt riskieren. In einem Land, das sich im Laufe der Jahrhunderte zu einer parlamentarischen Monarchie entwickelt hatte, als in Deutschland noch die dumpfesten Reaktionäre auf den Thronen hockten. Die Briten sind eben ein gemäßigtes, pragmatisches Volk, dem die Praxis lieber ist als die Theorie.
Die Theorie degradiert die Königin zur protokollarischen Vollzugsbeamtin der vom Volk gewählten Regierung – reduziert auf symbolische Handlungen. Die Praxis kann ganz schön anders aussehen.
Sie ermahnte ihren Vater zur Pünktlichkeit
Dass sie ihr Leben – sei es kurz oder lang – in den Dienst ihres Volkes stellen wolle, aber auch in den Dienst der großen imperialen britischen Weltfamilie: Das hatte schon die Kronprinzessin an ihrem 21. Geburtstag in einer Radioansprache während eines Südafrika-Besuches am 21. April 1947 erklärt. Live an alle Briten und die Bürger des Commonwealth. Damals war sie es, die ihren Vater zur Pünktlichkeit ermahnen musste; Disziplin hatte schon die junge Elisabeth im Blute.
Das Commonwealth liebte und liebt sie. Ohne sie gäbe es das heute nicht mehr. Nach Afrika reiste sie in der Ära der ungeliebten Margaret Thatcher auch gegen deren Willen. Margaret Thatcher hatte zwar als Premierministerin die politische Macht. Elisabeth hatte die politische Ohnmacht, die am Ende aber eine besonders subtile Form von Macht bedeuten kann: Wer nicht um parlamentarische Mehrheiten kämpfen muss, wer über jeder Ideologie und Parteiung schwebt, dem kann niemand Polit-Egoismus unterstellen. Etwa wenn sie – Her Majesty – der Republik Irland den ersten Besuch eines britischen Monarchen seit der irischen Revolution abstattet, als Geste der Versöhnung.
Die bislang 13 Premierminister unter ihrem symbolischen Zepter kommen und gehen – die Queen bleibt bestehen. Das ist eben der diskrete Charme der Monarchie.
1986 löste die "Sunday Times" mit einer Titelgeschichte einen Skandal aus. Aus Kreisen des Hofes verlautete da, dass die Regierung der Eisernen Lady den britischen Konsens untergrabe – und dass die Queen politisch eher mitte-links stehe.
"We are amused."
Später schrieb der Chefredakteur der Sunday Times in seinen Memoiren, dass seine höfische Quelle der Pressesprecher der Queen gewesen sei.
"We are really amused."
Vor allem auch, wenn sie Jahre später – zu ihrem ersten halben Jahrhundert auf dem Thron, anno 2002 – verspricht, dass sie, mit der Unterstützung durch ihre Familie, in der bevorstehenden Zeit der Veränderung nach besten Kräften weiterhin dienen werde.
Ad multos annos, Mam!