Querfeldein

Volvo und die Wappentiere

Das Landeswappen der deutschen Hansestadt Bremen.
Keine Angst vorm Bremer Löwen: Volvo will die Landesstraßen sicherer machen © dpa
Von Armin Himmelrath |
Im schwedischen Kiruna testet Volvo gerade ein Känguru-Kollisions-Warnsystem - Teil einer Regionalisierungsstrategie des Autobauers. Armin Himmelrath war dort und hat Ideen mitgebracht, wie sich diese Strategie für den deutschen Automarkt ausbauen ließe.
Wer zu Carl-Erik Lundgren will, braucht Geduld. Überall stehen Security-Männer herum, insgesamt vier Mal muss ich meinen Ausweis und das Beglaubigungsschreiben aus der Volvo-Konzernzentrale vorzeigen, außerdem mein Handy und meine Kamera abgeben. Dann erst kann ich mit dem Chefentwickler der Autofirma sprechen. Der 42-jährige Ingenieur führt mich in eine riesige Halle.
"Das hier ist unsere geheime Testhalle. Hier entwickeln wir die Sicherheitsmerkmale für die Autos der Zukunft. Unser Elch-Kollisions-Warnsystem wurde hier erfunden. Es warnt den Fahrer und bremst automatisch, wenn ein Elch am Straßenrand auftaucht."
Kängurus springen, Elche eher nicht
Dieses Warnsystem funktioniert zuverlässig und ist bereits seit einigen Jahren in jedem Neuwagen der Firma integriert - taugt aber, wegen des Elchmangels auf der restlichen Erde, als Verkaufsargument nur in Skandinavien und Kanada. Doch Carl-Erik Lundgren denkt bereits weiter:
Wir entwickeln gerade das Elch-Kollisions-Warnsystem für den australischen Markt weiter. Dort gibt es jedes Jahr ungefähr 20 000 Unfälle mit Kängurus. Das ist für uns ein ganz wichtiger Markt, deshalb bauen wir gerade ein Känguru-Kollisions-Warnsystem. Aber da sind wir noch ganz am Anfang.
Eine Herausforderung für die Ingenieur ist dabei das Bewegungsverhalten der Tiere.
"Kängurus springen. Elche springen normalerweise nicht."
Deutschland "nächster Test-Markt"
Carl-Erik Lundgren ist aber zuversichtlich, in der nächsten Zeit die Sensoren der Autos anpassen zu können. Das aber, sagt der Ingenieur, sei nur der Einstieg in eine weltweite Regionalisierungsstrategie bei Volvo - und Deutschland soll der nächste Test-Markt werden. Mit Kollisions-Warn-Systemen, die gezielt auf die einzelnen Bundesländer abgestimmt sind.
"Ja, das ist unser nächstes großes Projekt. Für Berlin entwickeln wir zum Beispiel ein Bären-Kollisions-Warnsystem. Der Berliner Bär kommt ja häufig vor im Straßenverkehr."
Das sei allerdings nicht ganz leicht, gibt der Volvo-Entwicklungschef zu: Die lebensgroßen Plastikbären, die überall im Berliner Stadtbild herumstehen, können von den Sensoren bisher noch nicht zuverlässig von echten Bären unterschieden werden. In anderen Bundesländern sei das deutlich einfacher.
"Niedersachsen ist keine große Herausforderung für uns. Niedersachsen ist ein Pferdeland, das hat ja auch das Pferd im Wappen - da müssen wir die Daten der Elche nur ganz leicht modifizieren, das klappt schon sehr zuverlässig."
Problemfall Baden-Württemberg
Auch das Pferd im NRW-Wappen lässt sich leicht erkennen. Schwieriger wird es dagegen in Baden-Württemberg: Die drei übereinander stehenden Löwen sind für die Volvo-Entwickler eine wirklich harte Nuss, sagt Carl-Erik Lundgren und führt mich an einen Computer.
"In der Simulation am Rechner klappt das schon ganz gut, schauen Sie mal hier. Aber wo um alles in der Welt finden Sie drei übereinander stehende Löwen mit herausgestreckter Tatze für den Test in der Realität? Wir haben dafür jetzt extra den schwedischen Nationalzirkus gebeten, nur für uns eine entsprechende Dressur zu entwickeln."
Und noch ein weiteres Bundesland bereitet den schwedischen Autobauern Probleme: Bayern. Auf ausdrücklichen Wunsch von Ministerpräsident Horst Seehofer soll das Warnsystem nicht vor Löwen und Drachen im Straßenverkehr warnen, die im Bayerischen Staatswappen zu finden sind, sondern vor einheimischen, dahergelaufenen Bayern – nicht aber vor Preußen, Österreichern und Flüchtlingen. Chefentwickler Carl-Erik Lundgren verdreht verzweifelt die Augen.
"Wissen Sie, wie kompliziert das ist? Wir identifizieren gerade sehr, sehr mühsam die Kriterien, wie sich Bayern und Nicht-Bayern bewegen und wo genau die Unterschiede liegen. Generell scheint der Bayer etwas behäbiger zu sein und mehr Leibesfülle mitzubringen als beispielweise ein Mensch auf der Flucht. Der läuft schneller und ist gehetzter, das geht dem Bayern ja völlig ab. Aber beim Unterschied zwischen Bayer und Österreicher arbeiten die Sensoren noch nicht ganz so genau."
An den Bayern scheitert die Software
Einen zunächst vielversprechend erscheinenden Weg haben die Volvo-Ingenieure jedenfalls schon wieder verworfen. Ursprünglich hatten sie geplant, die Sprache als Kriterium heranzuziehen. Die Sensoren hätten automatisch per Lautsprecher die Frage nach der Uhrzeit auf Hochdeutsch ausgegeben und die Antwort des Fußgängers zur Unterscheidung genutzt. Doch das erwies sich schnell als Sackgasse, sagt Carl-Erik Lundgren:
"Syrer, Afghane, Österreicher, die versuchen es ja wenigstens, aber die Bayern selbst - die sprechen ja gar kein Deutsch, unsere Software ist da völlig überfordert."
Mit dem Bayern-Kollisions-Warnsystem in den neuen Autos wird es also wohl noch etwas dauern. Bald können sich aber zumindest Bären in Berlin und Pferde in Niedersachsen sorgenfrei auf die vorbeifahrenden Autos stürzen. Dann nämlich, wenn die Ausweichelektronik serienmäßig eingebaut wird.