Querschnitt durch die Hamburger Kunst
Die Hamburger Kunsthalle stellt aktuell den wohl ungewöhnlichsten Privatbestand Hamburgischer Kunst aus den 1920er-Jahren vor: "Die Sammlung des Hausmeisters Wilhelm Werner". Sie umfasst Werke aller wichtigen Maler und Malerinnen der "Hamburgischen Sezession".
Nur die Familie wusste von der Kunstsammlung. Doch manchmal gibt es wunderbare Zufälle. Vor vier Jahren erlebte Ulrich Luckhardt so einen. Der Kurator der Hamburger Kunsthalle hatte gerade eine Führung über die "Hamburgische Sezession" beendet. Dabei hatte er auch erzählt, dass der einstige Hausmeister der Kunsthalle, der 1975 verstorbene Wilhelm Werner, während des Faschismus die Bilder einer jüdischen Künstlerin rettete.
"Und nach der Führung kam eine Frau auf mich zu, und sagte, sie hätte das sehr schön gefunden, was ich gesagt hätte, denn Wilhelm Werner sei ihr Großvater. Und sie hätte auch noch eine Sammlung. Und wenn wir mal etwas bräuchten für eine Ausstellung, wäre sie bereit uns etwas auszuleihen. Und dann hab ich sie besucht. Und dann war schon bei dem Besuch klar: Ich will die gesamte Sammlung ausstellen!"
Die ist es jetzt zwar nicht geworden, weil sie zu groß ist. Doch sind erstmals 130 Arbeiten aus der Sammlung Wilhelm Werners zu sehen. Als 28-Jähriger war er 1914 als Hilfsaufseher an die Kunsthalle gekommen. Bald stieg er auf zum Hausmeister und wurde damit auch Aufseher der Werkstätten - bis zu seiner Pensionierung Anfang der 50er-Jahre.
"Er war ein Faktotum für das ganze Haus. Ihm oblag die Tischlerei, er war gelernter Tischler. Und ihm oblag das Versenden der Kunstwerke, aber auch das Hängen der Kunstwerke. Insofern hatte er gerade bei den Ausstellungen der Hamburger Sezession, die seit 1919 hier im Haus stattfanden, zu den Künstlern der Sezession direkten persönlichen Kontakt."
Er half ihnen bei der Hängung, baute ihnen Bilder- und Keilrahmen, spannte Leinwände. Die Maler bedankten sich mit Kunst: mit Zeichnungen, Grafiken, Aquarellen, großen Ölbildern und kleinen Skulpturen. Über 500 Kunstwerke kamen so im Laufe der Jahrzehnte zusammen. Und niemand wusste etwas davon.
"Das hatte auch seinen Grund: dass Wilhelm Werner ein sehr introvertierter Typ war, der eigentlich sehr wenig gesprochen hat."
So begegnet ihm der Besucher auch im ersten Raum der Ausstellung, der Familienbildnisse versammelt: Heinrich Stegemann porträtierte Werner in den 20er-Jahren mehrfach als alterslosen Mann mit kantigem Gesicht und nach innen gekehrtem Blick. Ein großes Ölbild in neusachlichem Stil zeigt Werners Tochter in leuchtend rotem Mantel. Daneben - fast veristisch - die betagten Schwiegereltern.
Mit mehreren Künstlern der Hamburger Sezession verband Werner eine lebenslange Freundschaft: Neben Stegemann gehörten dazu Eduard Hopf, Willem Grimm und Fritz Flinte. Ihre Arbeiten bilden die Schwerpunkte der Sammlung. Und wie die übrigen Sezessionisten malten auch sie meist Stillleben und weite nordische Landschaften, die den Faschisten wegen ihrer farbigen, expressiven Malweise als "entartet" galten.
Als sich die Malerin Anita Ree 1933 das Leben nahm, muss Werner dies sehr getroffen haben. Auch ihr hatte er oft geholfen, auch von ihr besaß er ein Bild. Als die Faschisten dann begannen, die Museen leerzuräumen, ahnte er, dass die sieben Werke, die Kunsthallenleiter Gustav Pauli in den 20er-Jahren von der Künstlerin gekauft hatte, gefährdet waren, weil sie expressiv malte. Und weil sie Jüdin war.
"Er hat nach der ersten Beschlagnahmeaktion im Juni 1937, die durchgeführt wurde, um Werke für die Münchner Ausstellung auszuwählen, und vor der zweiten Beschlagnahmeaktion, die dann im Juli stattfand und dem gesamten Sammlungsbestand gegolten hat, hat er diese sieben Gemälde aus dem Depot rausgenommen und sie in seiner ... Dienstwohnung, die im Erdgeschoss der Kunsthalle lag, versteckt. Im Schrank und unterm Bett. Er hat nie darüber gesprochen."
Nach der Befreiung brachte Wilhelm Werner die Bilder zurück ins Depot. Und es ist dieser für die Nachwelt gerettete Teil des weitgehend zerstörten Werks, der heute überhaupt erst eine Beurteilung der Malerin ermöglicht.
Auch wenn der zurückhaltende Werner nichts über sich und seine Sammlung hinterließ: Ulrich Luckhardt hat für sein engagiertes Projekt mühsam winzige Bruchstücke ausfindig machen können, die ein vages Bild dieses ungewöhnlichen Mannes ermöglichen: So machten die Werners ihre Hausmeisterwohnung zu einem Künstlertreffpunkt. Stets gab es für Hungrige etwas zu essen. Und auch nach 1933 wurde dort offen diskutiert.
Auch einen Brief entdeckte Luckhardt. Magdalena Pauli schrieb ihn 1955 an den emigrierten Kunsthistoriker Erwin Panofsky in die USA. In ihm erinnert sie sich an die Beerdigung ihres Mannes Gustav Pauli, den die Faschisten 1933 aus dem Amt des Kunsthallendirektors gejagt hatten, und der 1938 gestorben war. Da heißt es, so Ulrich Luckhardt:
"'Bei seiner Beerdigung in Bremen kein Kranz vom Hamburger Senat. Aus der Kunsthalle legte der gute Werner einen Kranz der Angestellten nieder.' Also: Damit dokumentiert Magdalena Pauli auch den Mut, den Wilhelm Werner besessen hat, einem Verfemten öffentlich die letzte Ehre zu erweisen."
"Und nach der Führung kam eine Frau auf mich zu, und sagte, sie hätte das sehr schön gefunden, was ich gesagt hätte, denn Wilhelm Werner sei ihr Großvater. Und sie hätte auch noch eine Sammlung. Und wenn wir mal etwas bräuchten für eine Ausstellung, wäre sie bereit uns etwas auszuleihen. Und dann hab ich sie besucht. Und dann war schon bei dem Besuch klar: Ich will die gesamte Sammlung ausstellen!"
Die ist es jetzt zwar nicht geworden, weil sie zu groß ist. Doch sind erstmals 130 Arbeiten aus der Sammlung Wilhelm Werners zu sehen. Als 28-Jähriger war er 1914 als Hilfsaufseher an die Kunsthalle gekommen. Bald stieg er auf zum Hausmeister und wurde damit auch Aufseher der Werkstätten - bis zu seiner Pensionierung Anfang der 50er-Jahre.
"Er war ein Faktotum für das ganze Haus. Ihm oblag die Tischlerei, er war gelernter Tischler. Und ihm oblag das Versenden der Kunstwerke, aber auch das Hängen der Kunstwerke. Insofern hatte er gerade bei den Ausstellungen der Hamburger Sezession, die seit 1919 hier im Haus stattfanden, zu den Künstlern der Sezession direkten persönlichen Kontakt."
Er half ihnen bei der Hängung, baute ihnen Bilder- und Keilrahmen, spannte Leinwände. Die Maler bedankten sich mit Kunst: mit Zeichnungen, Grafiken, Aquarellen, großen Ölbildern und kleinen Skulpturen. Über 500 Kunstwerke kamen so im Laufe der Jahrzehnte zusammen. Und niemand wusste etwas davon.
"Das hatte auch seinen Grund: dass Wilhelm Werner ein sehr introvertierter Typ war, der eigentlich sehr wenig gesprochen hat."
So begegnet ihm der Besucher auch im ersten Raum der Ausstellung, der Familienbildnisse versammelt: Heinrich Stegemann porträtierte Werner in den 20er-Jahren mehrfach als alterslosen Mann mit kantigem Gesicht und nach innen gekehrtem Blick. Ein großes Ölbild in neusachlichem Stil zeigt Werners Tochter in leuchtend rotem Mantel. Daneben - fast veristisch - die betagten Schwiegereltern.
Mit mehreren Künstlern der Hamburger Sezession verband Werner eine lebenslange Freundschaft: Neben Stegemann gehörten dazu Eduard Hopf, Willem Grimm und Fritz Flinte. Ihre Arbeiten bilden die Schwerpunkte der Sammlung. Und wie die übrigen Sezessionisten malten auch sie meist Stillleben und weite nordische Landschaften, die den Faschisten wegen ihrer farbigen, expressiven Malweise als "entartet" galten.
Als sich die Malerin Anita Ree 1933 das Leben nahm, muss Werner dies sehr getroffen haben. Auch ihr hatte er oft geholfen, auch von ihr besaß er ein Bild. Als die Faschisten dann begannen, die Museen leerzuräumen, ahnte er, dass die sieben Werke, die Kunsthallenleiter Gustav Pauli in den 20er-Jahren von der Künstlerin gekauft hatte, gefährdet waren, weil sie expressiv malte. Und weil sie Jüdin war.
"Er hat nach der ersten Beschlagnahmeaktion im Juni 1937, die durchgeführt wurde, um Werke für die Münchner Ausstellung auszuwählen, und vor der zweiten Beschlagnahmeaktion, die dann im Juli stattfand und dem gesamten Sammlungsbestand gegolten hat, hat er diese sieben Gemälde aus dem Depot rausgenommen und sie in seiner ... Dienstwohnung, die im Erdgeschoss der Kunsthalle lag, versteckt. Im Schrank und unterm Bett. Er hat nie darüber gesprochen."
Nach der Befreiung brachte Wilhelm Werner die Bilder zurück ins Depot. Und es ist dieser für die Nachwelt gerettete Teil des weitgehend zerstörten Werks, der heute überhaupt erst eine Beurteilung der Malerin ermöglicht.
Auch wenn der zurückhaltende Werner nichts über sich und seine Sammlung hinterließ: Ulrich Luckhardt hat für sein engagiertes Projekt mühsam winzige Bruchstücke ausfindig machen können, die ein vages Bild dieses ungewöhnlichen Mannes ermöglichen: So machten die Werners ihre Hausmeisterwohnung zu einem Künstlertreffpunkt. Stets gab es für Hungrige etwas zu essen. Und auch nach 1933 wurde dort offen diskutiert.
Auch einen Brief entdeckte Luckhardt. Magdalena Pauli schrieb ihn 1955 an den emigrierten Kunsthistoriker Erwin Panofsky in die USA. In ihm erinnert sie sich an die Beerdigung ihres Mannes Gustav Pauli, den die Faschisten 1933 aus dem Amt des Kunsthallendirektors gejagt hatten, und der 1938 gestorben war. Da heißt es, so Ulrich Luckhardt:
"'Bei seiner Beerdigung in Bremen kein Kranz vom Hamburger Senat. Aus der Kunsthalle legte der gute Werner einen Kranz der Angestellten nieder.' Also: Damit dokumentiert Magdalena Pauli auch den Mut, den Wilhelm Werner besessen hat, einem Verfemten öffentlich die letzte Ehre zu erweisen."