Quoten-Hit "Wetten, dass ..?"

"Fernsehen in Zeiten der Ungleichzeitigkeit"

09:31 Minuten
Udo Lindenberg mit Hut, Sonnenbrille und Mikrofon in der Hand bei seinem Auftritt in der "Wetten, dass...?"-Jubiläumsshow, neben ihm Thomas Gottschalk, der beide Daumen nach oben streckt.
Flashback der Fernsehgeschichte: Udo Lindenberg und Thomas Gottschalk beim Revival von "Wetten, dass..?" im ZDF. © ZDF / Sascha Baumann
Jochen Hörisch im Gespräch mit Julius Stucke |
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14 Millionen sahen das Revival von "Wetten, dass...?" im ZDF. Der Sender erwägt sogar eine Fortsetzung. Doch Medienwissenschaftler Jochen Hörisch bezweifelt, dass Thomas Gottschalk noch einmal als "Inkarnation des Lagerfeuerfernsehens" zurückkehrt.
Es gab Standing Ovations für Thomas Gottschalk, internationale Stars, skurrile Wetten - fast alles war so wie einst in den 80er-Jahren, als der inzwischen 71-jährige Gastgeber mit seiner Co-Moderatorin Michelle Hunziker über drei Stunden durchs Programm führte. Und mit über 45 Prozent Marktanteil erzielte das ZDF die beste Quote seit Langem.
"Eine Fortsetzung war eigentlich nie geplant", sagte der ZDF Programmdirektor und künftige Intendant des Senders, Norbert Himmler. "Angesichts der großen Resonanz werden wir darüber aber sicher noch einmal nachdenken!"

"Schalk Gottes im Nacken"

Liegt in Revivals dieser Art tatsächlich eine Chance, mit Unterhaltungsfernsehen noch einmal das ganz große Publikum zu erreichen? Der Medienwissenschaftler Jochen Hörisch führt den Erfolg der Show vor allem auf die singuläre TV-Persönlichkeit Gottschalk zurück:
"Wenn man überhaupt danach sucht, wie man nochmal alle Generationen vor dem guten alten Lagerfeuer, das Fernsehen heißt, versammeln kann, dann gibt es eben eine Inkarnation dieser Lagefeuer-Funktion: ein Mensch, der keinen anderen Namen trägt als Thomas Gottschalk. Thomas, der Ungläubige, der alte Messdiener, der den Schalk Gottes im Nacken hat. Der schafft das noch einmal. Aber es ist kein Versprechen dafür, dass das auf ewig geschaltet werden kann."
Zudem erweckte Gottschalk den Eindruck, als könne er mit manchen Themen der Gegenwart wenig anfangen. Das Thema Gendern streifte er mit einem Kalauer ("Natürlich werde ich gendern: Wetten der, wetten die, wetten dass"), von Diversität war in der Show keine Spur, dafür gab es eine "grüne Wette": mit einem mülltrennenden Hund.

"Ein unzeitgemäßer Mensch"

Hörisch spricht Gottschalk indes gerade deshalb eine gewisse Souveränität zu, als "unzeitgemäßer Mensch" aufzutreten und mit der Gegenwart ironisch umzugehen. "Wir leben in Zeiten der Ungleichzeitigkeit", so Hörisch. Heute seien es nicht mehr die Jugendlichen, sondern die 70-Jährigen, die sagten: "Ganz ohne Frivolität, ohne Flirt, ohne Frechheit, ohne Provokation geht es nicht."
Im Grunde sehe er nur noch ein Ereignis im Fernsehen, das überhaupt noch generationenübergreifend wirken könne: "Das ist der Fußball, das ist aber auch der einzige Kandidat, der diese Anforderung noch erfüllen kann, dass der Großvater und der Enkel, möglicherweise der Urenkel, dass Männer und Frauen und Gay und Trans vereint vor dem Fernsehgerät sind."
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