R. G. Grant: "Wächter der See. Die Geschichte der Leuchttürme"
Aus dem Englischen von Heinrich Degen
DuMont, Köln 2018, 160 Seiten, 28 Euro
Steinerne Zeugen von Triumph und Untergang
Der englische Sachbuchautor R. G. Grant spürt in dem Buch "Wächter der See" der Geschichte der Leuchttürme nach. Bauskizzen, alte Stiche und frühe Fotografien machen den Band zu einer schwelgerischen Reminiszenz an frühere Zeiten.
Es ist schon faszinierend, wie Menschen unter widrigsten Umständen versuchten, dem Meer den Schrecken zu nehmen: Nachdem am Heiligabend 1695 die "Constant", ein Handelsschiff auf dem Weg nach Plymouth, am Eddytone Riff gekentert war, beschloss ihr Eigner Henry Wistanley, auf diesem winzigen Felsen im tosenden Meer einen Leuchtturm zu errichten. Die Arbeiten waren zunächst nur im Sommer möglich, alles Material musste per Boot hingeschafft werden, aber nach vier Jahren konnten auf dem 18 Meter hohen Holzturm 60 Talglichter entzündet werden.
Wistanley feierte das als Sieg über die Elemente und schmückte symbolträchtig den Turm immer weiter aus. Hybris? Fünf Jahre später, am 27. November 1703, spülte ein Orkan Leuchtturm und Erbauer vom Felsen. Zwei Tage später zerschellte das nächste Schiff am Riff.
Eines der sieben Weltwunder der Antike
Grant beschreibt detailliert und anhand zahlreicher Beispiele, oft auch mit vielen technischen und architektonischen Einzelheiten, die Baugeschichte der steinernen Wächter des Meeres. Es ist eine Geschichte vom Aufbau und Verfall. Der erste Leuchtturm war vermutlich der des Pharaos von Alexandria, eines der sieben Weltwunder der Antike.
In drei Etagen ragte der Turm 140 Meter hoch auf, er war nicht nur ein Leuchtturm, sondern auch ein Machtsymbol. 1500 Jahre hielt das Bauwerk, dann zerstörten es Erdbeben 1303 und 1323.
Einsamkeit und Enge
Hochphase der Bautätigkeit war natürlich die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts, als der maritime Welthandel auch dank hochseetauglicher Dampfschiffe förmlich explodierte. Europäische Mächte wie England befahlen ihren Handelspartnern wie Japan Leuchttürme entlang der Schifffahrtswege zu erbauen. Dieser Bau war oftmals gefährlich. Grant berichtet beispielsweise von Arbeitern aus England, die auf abgelegenen Felsen vor der Küste erst in höchster Not vor der steigenden Flut gerettet wurden, oder von Bautrupps, die auf Inseln festsaßen und wegen Sturm sieben Wochen von keinem Versorgungsboot erreicht werden konnten.
Und auch dem Job des Leuchtturmwärters nimmt Grant die Romantik: Auf See saßen Dreierteams monatelang zusammen in einer winzigen Kammer, es mischten sich Einsamkeit und Enge in dramatischer Weise.
Herausragende Ausstattung
Heute ist die Zeit der Leuchttürme vorbei – Schiffe sind mit GPS unterwegs und wissen, wo Riffe lauern. So ist das Buch trotz der sachlich-distanzierten Schreibweise eher eine schwelgerische Reminiszenz an frühere Zeiten.
Auch dank seiner herausragenden Ausstattung, denn es strotzt vor Abbildungen: Bauskizzen, alte Stichen und auch frühe Fotografien zeugen davon, dass die Wächter der See nicht nur als Zweckbauten dienten – sie unterstrichen mit ihrer Ästhetik auch immer den Anspruch: Das Meer gehört uns Menschen.