Rabih Mroué

"Wir hatten Bürgerkriege, weil wir Heiligkeiten verteidigten"

Rabih Mroué
Rabih Mroué: "Wenn ich merke, dass eine Arbeit Erfolg hat, versuche ich sie zu dekonstruieren ." © picture alliance / dpa / epa Wael Hamzeh
Von Gerd Brendel · 27.12.2014
Seine Mutter und sein Großvater wurden ermordet, der Bruder bei einem Attentat schwer verletzt. Nicht zuletzt wegen seiner Kriegserfahrungen will sich der libanesische Künstler Rabih Mroué an keinen Glauben binden - "weil es nichts gibt, wofür es sich zu kämpfen lohnt".
Der libanesische Schauspieler, Theatermacher, bildende Künstler und Drehbuchautor Rabih Mroué hat die Folgen des libanesischen Bürgerkriegs am eigenen Leib erfahren. Sein Großvater und seine Mutter wurden in den 70er-Jahren ermordet. Rabih war im Grundschulalter und damals begann er Zeitungsartikel, Fotos und anderes Material zu sammeln.
Rabih Mroué war auf der letzten Documenta mit einer Installation über den syrischen Bürgerkrieg vertreten. Im Januar zeigt das Berliner HAU seine letzte Arbeit: ein Stück mit und über seinen Bruder, der nach einem Attentat mühsam wieder das Sprechen lernte. Mroué lebt mit seiner Frau der Künstlerin Lina Saneh in Beirut und Berlin. Gerd Brendel traf den Künstler in einem seiner Berliner Lieblingscafés.
"Was ist mir heilig?
Ich bin in einer Gesellschaft aufgewachsen, wo alles heilig ist. Jede Gruppe hat etwas zu verteidigen, was ihr 'heilig' ist. Wir hatten Bürgerkriege, weil wir unsere 'Heiligkeiten' gegeneinander verteidigten, unsere Ideen, unsere Ideologien, alles mögliche, woran wir glauben. Und es geht immer noch weiter. Und irgendwann denkst du dir: Nehmt euch mal zusammen, können wir nicht ganz einfach daran glauben, den anderen zu respektieren und ganz einfach zu akzeptieren.
Mit der Zeit entdeckte ich, dass es nichts gibt, wofür es sich zu kämpfen lohnt. Ich habe gelernt dass wir alle unsere Überzeugungen unsere Normen hinterfragen sollten, und bereit sein sollten, sie einfach abzuschütteln.
Dass ich offen, tolerant und nicht religiös bin, habe ich meiner Familie zu verdanken. Mein Großvater war Theologe aber dann wurde er Marxist und publizierte viel. Als ich acht war wurde er ermordet, weil sie das, was er schrieb, nicht ertragen konnten.
Auch in meiner Arbeit geht es mir so: Wenn ich merke, dass eine Arbeit Erfolg hat, versuche ich sie zu dekonstruieren und in eine andere Richtung zu gehen.
Ich habe Angst davor, feste Angewohnheiten anzunehmen, wie jeden Tag im selben Cafe´zu sitzen oder andere Rituale. Mir gefällt das, aber dann will ich es gleich aufbrechen.
Ich weiß nicht, wer ich wirklich bin. Ich gehöre zu einer kleinen Minderheit in meinem Land, genau wie die libanesischen Juden, Ich gehöre zu den Atheisten. Und so wurde ich auch erzogen. Ich wurde deswegen schon als Kind gehänselt von den anderen Jungs in meiner Straße.
Ich will mich an nichts binden, auch nicht an das Leben."
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