Drei Schüsse und vernarbte Wunden
Das Attentat auf Jitzchak Rabin spielt in der israelischen Gegenwartskunst eine große Rolle. Doch die großen Museen des Landes wollten keine Ausstellung zu diesem Thema zeigen. Nun gibt es 50 Werke in einem Design-Institut außerhalb von Tel Aviv zu sehen.
Eine Straße in Jerusalem, im Zeitraffer-Video. Passanten bei Tag, bei Nacht, immer wieder die Straßenbahn, vor einer alten Steinfassade am Zionsplatz.
In einer Ausstellung zum 20. Jahrestag des Rabin-Attentats ist dieses Video zu sehen, weil vor 20 Jahren an diesem Ort eine aufgebrachte Menge "Rabin - Verräter" geschrien hat. Von einem Balkon aus redete der damalige Oppositionspolitiker Benjamin Netanjahu vom Ende Israels, sollte eine naive Rabin-Regierung den Palästinensern weiter entgegenkommen. Die Menge skandierte "Rabin, wir werden dich mit Feuer und Blut vertreiben." Vier Wochen später war Rabin tot.
Politische Kunst und Provokation, das wollte Dana Arieli zu diesem Jahrestag. Sie muss die rund 50 Werke am Design-Institut in Holon außerhalb von Tel Aviv zeigen, weil die großen Museen in Israel alle abgewunken haben.
"Ich habe gefragt: Warum keine politische Kunst? Die Antwort: Mit Politik und einen Einzelereignis wollen wir nichts zu tun haben, wir wollen keinen Ärger. Oder das Thema müsste doch breiter gestellt sein. Solche Einwände."
Dana Arieli, Politikwissenschaftlerin und jetzt Dekanin des Design-Instituts in Holon stellt fest: Künstler, Designer, Grafiker in Israel interessieren sich noch immer für die Auseinandersetzung mit dem Mord an Rabin.
"Erstaunlicherweise beschäftigt sich die Kunst noch immer mit der reinen Darstellung der Tat. Weniger als direkt nach dem Attentat und weniger als vor zehn Jahren. Aber die Suche nach Dokumentation ist immer noch da, weil es keinen eindeutigen Bild-Beweis gibt."
Der Attentäter ist ein Stehaufmännchen
Drei Schüsse, Blut, vernarbte Wunden, das sind wiederkehrende Elemente der israelischen Gegenwartskunst zum Rabin-Attentat. Vielen erscheint die Tat noch immer unbegreiflich, genauso wie die Tatsache, dass der Attentäter ein jüdischer Israeli war, der damals 26 Jahre alte Student Yigal Amir. Er taucht in der Ausstellung in Form einer Box-Puppe auf, ein Stehaufmännchen in Häftlingsuniform:
"Das Bild des lächelnden Attentäters hat die Menschen in Israel sehr beschäftigt, ja aufgeregt. Deshalb dieses Bild, du kannst ihn umhauen, aber er steht immer wieder auf, er verschwindet nicht."
Was sagt all das über die Auseinandersetzung mit dem Attentat? Dana Arieli sagt: Die Kunst schaue wenigstens hin. Die Politik in Israel verdränge eher, über Ursachen und Folgen des Rabin-Mords werde kaum diskutiert. Dabei wäre das so notwendig sagt die Kuratorin mit der Lust an der Provokation: Benjamin Netanjahu sei zur Eröffnung eingeladen.
"Aber eine Zusage habe ich noch nicht von ihm. Das wäre auch eine große Herausforderung für ihn, hierherzukommen und sich mit der Kritik auseinanderzusetzen. Er beschwert sich immer über linke Kunst und redet davon, sie zu verbieten. Stattdessen sollte er mal den Künstlern zuhören und aus seiner Isolation herauskommen."
Titel der Ausstellung in Holon ist: "20 Jahre danach: Die Erinnerung an Rabin gestalten". Bisher sei das nicht passiert, das ist die Botschaft dieser Ausstellung.